Geschichte des Landes, Teil 3
An der Grenze zu Deutschland - Salzburg im 20. Jahrhundert
Im Ersten Weltkrieg leistete Salzburg einen hohen Blutzoll. Von 49.000 Soldaten, die das Land stellte, fanden 6.000 den Tod. Zu ihnen zählte auch der Dichter Georg Trakl, der 1914 im Lazarett von Krakau starb. Aber bereits mitten im Krieg erfolgte 1916 in Wien die Gründung der Salzburger Festspielhausgemeinde. Gegen Kriegsende kam es im September 1918 in der Landeshauptstadt zu Unruhen und Plünderungen durch eine hungrige Volksmenge. Am 7. November erklärte die Landesversammlung von Salzburg den Beitritt zum Staate Deutschösterreich, der später den Namen Österreich erhielt. Die Proklamation der Republik "Deutschösterreich" am 12. November deutete bereits an, dass der Zusammenschluss mit Deutschland als einzige Überlebenschance des kleinen "Restösterreich" betrachtet wurde. Am 25. November 1920 wiederholte der Salzburger Landtag in feierlicher Weise seinen Beitritt zum Bundesstaat Österreich. Eine am 29. Mai 1921 in Salzburg durchgeführte, inoffizielle Volksabstimmung über den Anschluss an Deutschland ergab 98.986 Pro-Stimmen, nur 889 Personen waren dagegen.
Zahlreiche Großprojekte werden durchgesetzt
Der christlichsoziale Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl, der von 1922 bis 1938 an der Spitze der Landesregierung stand, suchte in den schwierigen Zeiten der Weltwirtschaftskrise die Zusammenarbeit auch mit den politischen Gegnern. Dem Ziel der Arbeitsbeschaffung diente die Durchführung zahlreicher Großprojekte, darunter der Bau der Gaisbergstraße, der Schmittenhöhebahn, der Großglockner Hochalpenstraße, des Fuscher Bärenwerkes und die Planung der Tauernkraftwerke Glockner-Kaprun trotz heftiger Widersprüche. Für die Salzburger Festspiele, die unter der Regie von Max Reinhardt internationale Anerkennung gefunden hatten, erstellte Rehrl angesichts der finanziellen Krise 1925/26 ein Sanierungskonzept. Der Bau des Kleinen Festspielhauses 1937 bedeutete einen Höhepunkt in dieser Entwicklung.
Blutiger Putschversuch der Nazis
Die tiefen politischen Gegensätze zwischen Christlichsozialen, Sozialdemokraten und Nationalsozialisten, die durch das Auftreten paramilitärischer Organisationen noch verschärft wurden und fast täglich Verletzte und Todesopfer forderten, verschonten auch Salzburg nicht. Der "Februaraufstand" 1934 verlief in Salzburg zwar weitgehend ruhig, aber auch hier wurde die sozialdemokratische Parteiführung verhaftet und die Partei aufgelöst. Der Putschversuch der Nationalsozialisten am 27. Juli forderte hingegen ein Dutzend Tote, vor allem im deutschnational geprägten Flachgau mit den Hochburgen Lamprechtshausen und Seekirchen. Der christlich-soziale Ständestaat, dessen Prinzipien 1934 - 1938 auch in Salzburg durchgesetzt wurden, vermochte die Machtergreifung der Nationalsozialisten zwar zu verzögern, aber nicht zu verhindern.
Viel Jubel beim Einmarsch Hitlers
Dass der Einmarsch deutscher Truppen in Salzburg am 12. März 1938 mit besonderem Jubel begrüßt wurde, hatte mehrere Gründe. Einerseits war schon am Ende des 19. Jahrhunderts der Liberalismus von einem entschiedenen Deutschnationalismus abgelöst worden, was im Ergebnis der Volksabstimmung 1921 deutlich zum Ausdruck kam. Andererseits hatte die Arbeitsbeschaffungspolitik des NS-Regimes in dem Grenzland Salzburg, das zeitweise 32% Arbeitslose zählte, große Hoffnungen geweckt. Hitler selbst hielt sich häufig im Salzburger Schloss Kleßheim oder in unmittelbarer Nachbarschaft, auf dem "Berghof' bei Berchtesgaden, auf. Die Volksabstimmung am 10. April brachte in Salzburg 157.595 Prostimmen, nur 463 Personen wagten gegen den "Anschluss" an das Deutsche Reich zu stimmen.
Jüdische Geschäfte verwüstet
Anfangs schienen sich die großen Hoffnungen der Salzburger Bevölkerung auch zu erfüllen. Autobahnbau, Rüstungsindustrie und Kraftwerksbau sorgten für Vollbeschäftigung. Aber bald zeigten sich auch die negativen Auswirkungen: in der sog. "Reichskristallnacht", heute verwendet man üblicher Weise die Bezeichnung "Reichsprogromnacht", vom 10. zum 11. November wurden jüdische Geschäfte verwüstet und die Einrichtung der Synagoge zerstört. Kriegsgefangene, die zum Bau von Straßen und Brücken eingesetzt wurden, starben zu Tausenden. Besonders hart traf es die Russen im Kriegsgefangenenlager "Markt Pongau", wie St. Johann in der Zeit des NS-Regimes hieß. Im Pinzgau waren zeitweise drei KZ-Nebenlager in Betrieb. Für die Zigeuner gab es in Salzburg ein KZ, in dem viele ihr Leben ließen. Insgesamt 13.000 oppositionell gesinnte Personen wurden 1938 - 1945 verhaftet, darunter prominente Politiker wie der langjährige Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl. 1942 wurden acht Eisenbahner, die der Widerstandsbewegung angehörten, hingerichtet.
US-Bomben zerstörten Dom
Den Bombenangriffen der Amerikaner, die im Oktober 1944 einsetzten, fielen in der Stadt Salzburg der Dom und 46 % der Wohnobjekte zum Opfer. Die gänzliche Zerstörung konnte dadurch verhindert werden, dass der gemäßigte Gauleiter, Dr. Gustav Adolf Scheel, und der Kampfkommandant, Oberst Hans Lepperdinger, die kampflose Übergabe der Stadt an amerikanische Truppen durchsetzten; Nach dem Kriegsende erhielt Salzburg, das in der amerikanischen Besatzungszone und damit im "goldenen Westen" lag, bald wieder politische und wirtschaftliche Bedeutung. Hier fanden die "Länderkonferenzen" des Jahres 1945 statt, auf denen die westlichen Bundesländer von Salzburg aus ihren Beitritt zur Regierung Renner und damit zur Zweiten Republik vollzogen. Die Salzburger Festspiele, die auch von den Nationalsozialisten sehr geschätzt worden waren, brachten bald wieder internationales Publikum in die Landeshauptstadt.
Beständiger Aufschwung beginnt
Die Jahrzehnte der Zugehörigkeit zur Zweiten Republik bieten seit den von Hunger und Entbehrung gezeichneten ersten Nachkriegsjahren das Bild eines beständigen, ungehemmten Aufschwungs. Die langen Regierungszeiten der Landeshauptleute Klaus (1949 - 1961), DDr. Lechner (1961 - 1977), Haslauer (1977 - 1989) und Katschthaler (1989 - 1996) garantierten die Kontinuität der Landespolitik. Als wirtschaftliche und kulturelle Akzente in dieser Entwicklung sind die Fertigstellung der Tauernkraftwerke Kaprun, der Bau der Tauernautobahn, die Gründung der Osterfestspiele, der Bau des Großen Festspielhauses, die Wiedererrichtung der Universität und die Erhebung des Mozarteums zur Hochschule hervorzuheben.
Dank der Grenzlage kam es zur Niederlassung zahlreicher ausländischer, vor allem deutscher Firmen und Handelsgesellschaften. Damit blieb der Stadt Salzburg eine stärkere Industrialisierung erspart. In strukturschwachen Regionen wie dem Lungau und dem Pinzgau sorgten gezielte Förderungsmaßnahmen und der Ausbau der Verkehrsverbindungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen und bessere Lebensqualität.
Grünlandgürtel wird festgelegt
Die negativen Auswirkungen des "Wirtschaftswunders" und des übersteigerten Fremdenverkehrs wurden vor allem in der Stadt Salzburg rechtzeitig erkannt. Ein vorbildliches Altstadterhaltungsgesetz bewahrte den alten Stadtkern vor der Verunstaltung durch Hochhäuser und stillose Geschäftsbauten. Die grüne Bewegung, die sich in der Salzburger Bürgerliste rasch und schlagkräftig formierte, setzte die Sicherung eines breiten Grünlandgürtels im Süden der Stadt durch. Auch auf dem Land formierten sich Protestbewegungen, die 1988 den Bau der zweiten Tunnelröhren der Tauernautobahn und damit ein Überhandnehmen des Durchzugsverkehrs verhinderten. Diese kritische Einstellung der Bevölkerung sorgt dafür, dass es auch nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft zu keinem Ausverkauf kommt.
Salzburg wird "rot"
Im Jahr 2004 kam es zu einem politischen Umschwung: Die SPÖ errang erstmals bei einer Landtagswahl die Mehrheit an Stimmen und Mandaten, Frau Mag. Gabriele Burgstaller trat als Landeshauptfrau an die Stelle von Landeshauptmann Doz. Dr. Franz Schausberger. Seither wurden eine Reihe von Großprojekten teils verwirklicht, teils in Angriff genommen: Das Mozart-Jubiläum 2006 brachte einen Rekord an Zuschauern und Einnahmen, das Kleine Festspielhaus wurde umgestaltet und als Haus für Mozart neu eröffnet und das Salzburger Salzburger Museum Carolino Augusteum bezog mit der Ausstellung „Viva Mozart“ seine neue Heimstätte im Neugebäude. Während sich der Bau der zweiten Tunnelröhre durch den Katschberg der Vollendung nähert, werden der Ausbau des Tauerntunnels und die Fertigstellung des Kraftwerks Kaprun II noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Trotz des starken Anstiegs der Energiekosten gelang es der Salzburger Wirtschaft, die Exporte deutlich zu steigern und erstmals seit vielen Jahren die Zahl der Arbeitslosen zu senken. Salzburg kann sich jedenfalls auch in Zukunft auf seine gesunde Wirtschaft, auf seine große Geschichte und kulturelle Tradition stützen, denen es seine Spitzenposition im Westen Österreichs verdankt.
Literaturtipps
- Buch Salzburgs Synchronik