Salzburger Marionettentheater
Das 1913 in der Stadt Salzburg gegründete Salzburger Marionettentheater gehört zu den traditionsreichen Salzburger Kulturinstitutionen und wurde 2016 in die Liste der UNESCO zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Geschichte
Bei einer Faschingsveranstaltung der Salzburger Künstlergenossenschaft "Gral" führte Anton Aicher am 27. Februar 1913 erstmals öffentlich mit seinen handgeschnitzten Gliederpuppen das Schäferstück Bastien und Bastienne von Wolfgang Amadé Mozart im Saal des Hôtels Bristol auf.
Die Erstaufführung wurde ein derart großer Erfolg, dass Anton Aicher noch gegen Ende des Premierenjahres mit seinem "Künstler-Marionettentheater", wie es genannt wurde, in den Turnsaal des alten Borromäums einziehen konnte, der bis 1960 Spielstätte des Theaters bleiben sollte. 1926 übergab Anton Aicher die Leitung des Marionettentheaters an seinen Sohn Hermann.
Zum weiteren Repertoire in der Anfangszeit des damaligen "Künstler-Marionettentheaters" zählten neben Kasperlstücken die Märchenspiele des Münchner Hofmusikanten Franz Graf Pocci, die volkstümlichen Stücke von Hans Demel sowie kleinere Opernwerke und Singspiele wie "Doktor Faust". Gespielt, gesprochen und musikalisch gestaltet wurde das Programm damals hauptsächlich von Mitgliedern der Familie Anton Aichers selbst sowie von nebenberuflich mitwirkenden Salzburger Lehrern, Professoren und Mozarteums-Studenten.
Am 15. Juli 1950 konnte das Marionettentheater nach dem Zweiten Weltkrieg nach der baupolizeilich vorgeschriebenen Renovierung im alten Borromäum wieder eröffnen. Und das Marionettentheater ging auf große Tourneen. So kehrte er am 15. Jänner 1952 von einer viermonatigen Amerika-Tournee mit 82 Vorstellungen zurück. Die Fernsehaufführungen in den USA sind von mindestens fünfzig Millionen Menschen gesehen worden.
1960 wurde die Spielstätte vom alten Borromäum zunächst ins Mozarteum, dann in den Kapitelsaal am Kapitelplatz verlegt.
Salzburgs kleinstes Festspielhaus
"Die Salzburger Marionetten beziehen nach 58 Jahren ein eigenes Haus" schrieb Gottfried Kraus als Titel seiner ganzseitigen Reportage in den Salzburger Nachrichten am 10. Juli 1971. Der Umbau des ehemaligen Hotels Mirabell an der Schwarzstraße 24 für die Kammerspiele und Marionettentheater war fertiggestellt. Und so konnte am 11. Juli 1971 schließlich das neue und endgültige "Heim" mit Rossinis "Barbier von Sevilla" bezogen werden.[1]
Seit 1977, nach dem Tod von Hermann Aicher, lag die Leitung des Marionettentheaters in den Händen seiner Tochter Margarethe (* 1928; † 2012). Von 2012 bis 2020 wurde es von Barbara Heuberger geführt. Im Oktober 2020 übergab sie die Geschäftsführung an Susanne Tiefenbacher.
Im Dezember 2018 teilte Barbara Heuberger (67) der Presse mit, dass die Geldmittel nur mehr bis Mai 2019 den Betrieb sichern und sie vorsichtshalber alle Mitarbeiter zur Kündigung anmelden musste. Jährlich fallen 700.000 Euro Personalkosten an, dazu kommen die Miete der Räume an die Stiftung Mozarteum. Mit den Einnahmen aus dem Kartenverkauf und den Tourneen können nur 70 Prozent der Kosten gedeckt werden. Die Auslastung beträgt knapp 40 Prozent. Um eine Schließung im Mai 2019 abzuwenden hofft Heuberger auf eine jährliche Subvention von je 150.000 Euro von Stadt und Land Salzburg. 2018 beschäftigte das Marionettentheater 14 Mitarbeiter, wovon zehn Marionettenspieler waren.[2]
Am 22. Jänner 2019 war die Zukunft des Marionettentheaters vorerst gesichert: Stadt und Land Salzburg sowie die Internationale Salzburg Association (ISA) garantieren mit der Zusage über insgesamt 300.000 Euro Ausfallhaftung den laufenden Betrieb für 2019.[3]
Puppenkammer
In der Puppenkammer hängen rund 1 000 Marionetten. Eine davon ist der Kasperl, der fast gleich alt wie das Theater ist (2018: 105 Jahre). Er war bis 1950 bei jeder Aufführung dabei, sogar in "Doktor Faust". Die Puppen hängen an feinen Angelschnüren, die in der Schweiz extra für das Marionettentheater gesponnen werden.
Puppen als Therapeuten
2018 konnte Barbara Heuberger die therapeutische Wirkung der Puppen erleben. Bei einem Besuch in der Volksschule Lehen habe ein traumatisierte Flüchtlingsmädchen, das nicht gesprochen habe, zu reden begonnen.
Immaterielles Kulturerbe
Mit 16. September 2016 wurde die Spielpraxis des Salzburger Marionettentheaters auf die nationale UNESCO-Liste der historisch bedeutsamen Brauchtümer gesetzt. Zum erhaltenswerten Kulturgut wurde die "höchst entwickelte Form des Puppen- und Figurentheaters" gewählt, begründet die UNESCO die Aufnahme. "Das Salzburger Marionettentheater widmet sich seit 1913 dieser Kunstform. Neben der künstlerischen Fertigkeiten ist auch die Weitergabe des handwerklichen Könnens notwendig, um die Puppen zu schnitzen, zu bemalen, sie zu kostümieren und zu bewegen", steht in der Begründung. Weltweit sei das Salzburger Marionettentheater das einzige, das sich der Aufführung von Opern widmet.[4]
Veranstaltungen
Am 9. Mai 2008 fand im Salzburger Marionettentheater nach einer erfolgreichen US-Tournee die Europapremiere des Musicals "The Sound of Music" statt. 55 Marionetten tanzen, singen und erzählen die Geschichte der Salzburger Familie Trapp.
Siehe auch
Bilder
Salzburger Marionettentheater – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons
Quellen
- "Das Salzburger Marionettentheater". "Mozart am unsichtbaren Faden"
- Andreas Weigel: James Joyce: Spurensuche in Salzburg, "Salzburger Nachrichten", 16. Juni 2007
- "Salzburger Nachrichten", 15. Dezember 2018: Weltberühmte Puppen: Wer zieht künftig die Fäden?, ein Beitrag von Barbara Haimerl
Einzelnachweise
- ↑ Archiv der Salzburger Nachrichten, Ausgabe vom 10. Juli 1971
- ↑ "Salzburger Nachrichten", 7. Dezember 2018, Mitarbeiterstand
- ↑ Quelle Salzburg24.at (marionettentheater-fortbestehen-mit-300-000-euro-gesichert)
- ↑ "Salzburger Nachrichten", 16. September 2016 online, abgefragt am 16. November 2016