David Margules
Dr. David Samuel Margules (* 21. September 1884 in Lemberg, ukrainisch Lwiw, Galizien; † 10. Februar 1951 in Cambridge, England) war der letzte Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg vor dem Zweiten Weltkrieg.
Leben
David Samuel (Dovid Schmuel) Margules war das dritte von sechs Kindern des jüdischen Ehepaares Penina Pess und Menachem Mendel Margules, Lederhändler in Lemberg.
Im Rückblick gesehen war der Beginn seines Leben sehr zum Missfallen seiner Eltern. Der junge David Samuel löste sich von der Lebensart des orthodoxen Judentums in Galizien. Er wollte sich der bürgerlichen Bildung und Hochkultur in der Haupt- und Residenzstadt Wien zuwenden, was seine Ideale waren. Dort besuchte er das renommierte Schottengymnasium der Benediktiner. Anschließend absolvierte er Rabbinats- und Philosophiestudien und promovierte zum Doktor der Philosophie. Es folgten einige Jahre in Wien als Religionslehrer. Das war eine Voraussetzung für das Amt des Rabbiners.
Nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie und der Angliederung des Kronlandes Galizien an Polen, heiratete Dr. Margules 35-jährig 1920 die 23-jährige Jüdin Rosa Zerline Leinwand aus Jarosław in Polen. Gemeinsam hatten sie zwei Töchter, Josefa Nina (* 16. Mai 1921 in Jarosław) und Gabriele Ella (* 30. Mai 1927 in Tachau, tschechisch Tachov). Rosas Vater war in den 1920er-Jahren Rabbiner des Bezirkes Tachau in der Nähe des böhmischen Kurorts Marienbad (tschechisch Mariánské Lázně).
In der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg war seit 1920 das Amt des Rabbiners seit dem Weggang Dr. Adolf Altmann verwaist. In der Zeit des immer offener zu Tage tretenden Antisemitismus blieben alle Bemühungen um eine dauerhafte Nachfolge erfolglos. Die Kultusgemeinde Stadt und Land Salzburg zählte gegen Ende der 1920er-Jahre nur noch 108 Mitglieder. Diese zahlten die Beiträge und waren in zwei Fraktionen mit gegensätzlichen Positionen geteilt. Bei der Wahl zum Kultusrat 1929 gewannen die Konservativen wieder die Mehrheit. Sie stellten daher den Präsidenten und seinen Stellvertreter. Die Zionisten waren durch das Mehrheitswahlrecht benachteiligt. Walter Schwarz, Geschäftsleiter des Kaufhauses S. L. Schwarz, war Obmann der Zionistischen Ortsgruppe Salzburg.
Dr. Margules bewarb sich um das Amt des Rabbiners und besuchte am 27. September 1929 die Synagoge an der Lasserstraße zum gegenseitigen Kennenlernen. Der Kultusrat wählte ihn danach einstimmig zum Landesrabbiner. Der Kultusrat betonte, dass Dr. Margules die Sympathien aller Juden Salzburgs besitze. Dies war umso bemerkenswerter angesichts der Spannungen zwischen Konservativen und Zionisten. Dr. Margules war religiöser Jude mit Distanz zur Politik.
Die Familie Margules wohnte seit Beginn 1930 in der Salzburger Elisabeth-Vorstadt.
Dr. Margules hielt am 17. Jänner 1930 seine Antrittspredigt in der Synagoge. Erwähnenswert sind auch seine Gedenkreden anlässlich des Todestages von Theodor Herzl (Begründer des politischen Zionismus). Die letztmalig im Dezember 1937 stattgefundenen Chanukka-Feiern, die Dr. Margules leitete, standen ebenfalls im Zeichen der Einigkeit, »des Zusammenhaltens aller jüdischen Glaubensgenossen« (Zitat Quelle).
Dr. Margules konnte die Spannungen zwischen Konservativen und Zionisten abbauen. Er fand einen für beiden Seiten akzeptablen Kompromiss. Dieser bestand darin, dass sechs Konservative und sechs Zionisten sich im Mai 1935 auf einer Liste zur Wahl des Kultusrates stellten. Das Wahlergebnis ergab, dass Otto Löwy, Sohn des vormaligen Präsidenten Rudolf Löwy und ebenfalls Konservativer, von 1935 bis 1938 Präsident der Kultusgemeinde wurde. Weiters fungierten zwei ältere Zionisten als seine Stellvertreter. Das waren Ludwig Fischer und Ludwig Pollak (* 1856), ein Neffe Albert Pollaks, des Gründers der jüdischen Gemeinde in Salzburg 1867, dem Jahr des Staatsgrundgesetzes.
Dr. Margules erfüllt am 15. November 1937 eine jahrelange Forderung der Zionistischen Ortsgruppe. Es kam zur Eröffnung einer jüdischen Bibliothek in der Synagoge. Zwar sind die Titel der Bücher nicht bekannt, jedoch haben ihre Spender Namen. Es waren ausnahmslos Juden, darunter Stefan Zweig, der im Mai 1937 bei der Räumung seiner verkaufter Zweig-Villa am Kapuzinerberg 140 Bücher jüdischer Autoren seiner Kultusgemeinde geschenkt hatte. Diese Bücher verschwanden unter dem nationalsozialistischen Regime spurlos.
Rabbiner Dr. Margules stellte sich den Bedrohungen und versuchte bis zur Auslöschung seiner Gemeinde im November 1938 sein Bestes. Josefa Nina, die Tochter des Rabbiners, erzählt, dass ihrer bedrohten Familie auch Sympathie bekundet worden sei. Dies sei jedoch von anonymen Briefschreibern erfolgt.
Die Gestapo-Stelle Salzburg ließ auf Befehl des SS-Sturmbannführers Karl-Heinz Rux nachweislich 26 Juden der Geburtsjahre 1883 bis 1914 verhaften, um die Vertreibung und Beraubung der jüdischen Familien zu beschleunigen. Unter ihnen war der Rabbiner Dr. Margules und der Präsident der Kultusgemeinde Otto Löwy. Sie wurden in das KZ Dachau deportieren (registrierter Zugang am 12. November 1938).
Noch während der KZ-Haft von Dr. Margules mussten seine Ehefrau und beiden Töchter, damals 17- und 11-jährig, ihre Wohnung räumen und nach Wien reisen. Ihre schöne Wohnung im Haus Josef-Mayburger-Kai 38 übernahm daraufhin ein Salzburger NSDAP-Funktionär, Gauamtsleiter Karl Feßmann.
Die aus Salzburg in das KZ Dachau deportierten Juden wurden spätestens gegen Jahresende 1938 entlassen, Dr. Margules am 5. Dezember 1938. Dank ihrer Kontakte erhielt die Familie Margules eine Ausreisegenehmigung nach England, wohin sie im Februar 1939 reisten.
In England war die Familie eine staatenlose Flüchtlingsfamilie. Unter prekären Umständen lebte sie während des Zweiten Weltkrieges in England, wo sie sich dann aber noch während des Krieges in Cambridge niederlassen konnte. Drei Jahre nach Kriegsende wurde Dr. Margules die britische Staatsbürgerschaft verliehen. Er starb 66-jährig am 10. Februar 1951 in Cambridge, seine Ehefrau 95-jährig im Jahr 1992.
Ihre Töchter Josefa Nina und Gabriele Ella lebten in den USA. Die ältere war Psychologin, sie starb 2012. Die jüngere war Künstlerin und starb 2016. Die Psychologin Josefa Nina Lieberman hinterlässt eine informative und berührende Biografie über ihren Vater: »He came to Cambridge: Rabbi David Samuel Margules« (1982).
Zum Andenken an Dr. Margules wurden am 27. Jänner 2020 am Josef-Mayburger-Kai 38 und am 15. Juli 2020 vor der Synagoge je ein Stolperstein verlegt.
Quellen
- www.stolpersteine-salzburg.at, abgefragt am 12. November 2019
- SN Lokalbeilage von 28. Jänner 2020, S. 12f: Stein soll Schüler aufrütteln (Barbara Haimerl)