1000 Kraniche
1 000 Kraniche ist ein Musiktheaterstück, das seine Uraufführung im Rahmen des 100 Jahre Salzburger Festspiele-Jubiläums am 2. August 2020 um 15 Uhr in der Universitätsaula in der Altstadt der Stadt Salzburg feierte.
Regisseur des Jugendstücks "1 000 Kraniche" im Gespräch mit den Salzburger Nachrichten
Das Musiktheater "1000 Kraniche" erzählt von Hiroshima: mit einer Puppe und einem Hut namens Oppenheimer. Die Salzburger Nachrichten haben mit dem Regisseur Sybrand van der Werf gesprochen.
"1 000 Kraniche" in einem halb leeren Saal
Die Hälfte der Plätze wird leer bleiben. Das sieht die Pandemiesitzordnung heuer so vor. Wenn sich Sybrand van der Werf das Bild vorstellt, das sich in einem mit Lücken durchsetzten Saal der Großen Universitätsaula ergibt, denkt er aber nicht nur an das Jahr der Coronabeschränkungen. "Man könnte sich vorstellen, wie es wäre, wenn auf jedem dieser leeren Stühle ein Opfer säße. Dieses Gefühl wollen wir ein wenig zu vermitteln versuchen", erzählt der niederländische Regisseur im Interview.
Mit einem Team aus Schauspielern, Musikern und Puppenexperten inszeniert er eine Uraufführung im Jugendprogramm der Salzburger Festspiele. Das Musiktheater "1000 Kraniche" basiert auf der Geschichte von Sadako Sasaki. Sie war eines der vielen Opfer des ersten Atombombenangriffs der USA auf Hiroshima in Japan im Jahr 1945. Und sie wurde zu einer Symbolfigur.
Mehr als 1 000 Kraniche aus Papier faltete die an Leukämie erkrankte Schülerin in der Hoffnung, dass sich dann eine alte japanische Legende erfüllen könnte und die Götter ihr einen Herzenswunsch gewährten. Sie starb 1955, im Alter von zwölf Jahren. Bis heute werden unzählige Papierkraniche gefaltet und aus aller Welt in den Friedenspark von Hiroshima geschickt, wo jeden Sommer eine Gedenkfeier für Sadako Sasaki abgehalten wird.
Origami als Zeichen für den Frieden
Auch im Stück "1 000 Kraniche" sind Origami-Figuren in allen Größen und Farbtönen Teil der Bühnenausstattung. Im Zentrum der Produktion stehen aber Puppenspielerin Katharina Halus, Mezzosopranistin Kanako Shimada sowie die beiden Musiker Konstantin Dupelius und Gustavo Strauß. Die Idee, aus der Geschichte von Sadako Sasaki ein Stück zu erarbeiten, stamme von Katharina Halus, erzählt Sybrand van der Werf. Zum heurigen 100-Jahr-Jubiläum der Salzburger Festspiele sollte sich das Motto "Frieden" durch alle Produktionen des ursprünglich geplanten Programms ziehen. Als Regisseur sei der Niederländer ins Spiel gekommen, "weil ich schon viel mit mobilen Produktionen gearbeitet habe". Als Teil einer großen Jugendinitiative der Salzburger Festspiele sollte das Figurentheaterstück in der Vor-Corona-Version mit einer transportablen Bühne in Stadt und Land Salzburg gezeigt werden.
Jetzt arbeite das Team intensiv daran, das Setting an die Große Aula anzupassen. Trotz aller Abstandsregeln soll sich die Unmittelbarkeit einer fahrbaren Bühne möglichst gut ins Publikum übertragen. "Ich mag es, wenn das Theater nah dran ist", sagt der Regisseur. Zwischen Bühne und Publikum entwickle sich im Idealfall ein magnetisches Feld. "Dann geht es nicht mehr um Konzepte, sondern um Leute."
"Man lässt sich ganz in die Welt der Puppen ziehen"
Teil des Bühnenkonzepts ist es unterdessen, dass Figurenspiel und Gesangsrolle miteinander interagieren. "Musiktheater und Puppenspiel passen gut zusammen", sagt der 42-jährige Regisseur, der Erfahrung aus beiden Welten mitbringt. "Das hat damit zu tun, dass in beiden Emotion über eine technische Ebene vermittelt wird. Beim Figurentheater ist das die Puppe, aber auch in der Oper sind die Sänger stärker in ein Räderwerk zwischen Orchester, Dirigent und Bühne eingebunden als etwa in einem Theaterstück." Im Figurentheater werde außerdem ein Phänomen greifbar, für das der Philosoph Samuel Taylor Coleridge im 19. Jahrhundert den Begriff "willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit" geprägt hat. "Ein Wirkungsprinzip der Kunst ist es, dass man sich als Zuschauer emotional auf eine Wirklichkeit einlässt, obwohl man offensichtlich sieht, dass sie gespielt oder gemacht ist. Im Figurentheater funktioniert das zu 200 Prozent: Man kann sehen, wie die Spieler ihre Puppen bewegen. Trotzdem lässt man sich ganz in diese Welt ziehen."
Auch ein Objekt könne auf diese Art zur handelnden Person werden. J. Robert Oppenheimer, der Erfinder der Atombombe, werde etwa "auf der Bühne nicht als Puppe zu sehen sein", erzählt der Regisseur, "sondern als Hut. Auch er war ein kleiner Mensch in einer großen Welt."
Das Arbeiten mit Erzählperspektiven sei ihm ebenfalls wichtig: "Wir wollen auch klarstellen, dass wir Sasakis Geschichte nur mit unserem Blick erzählen können."
Heuer wird der 75. Gedenktag an den Atomangriff von Hiroshima begangen. Dennoch sei das Thema aktuell, sagt van der Werf. "Die Atomwaffen sind ja nicht verschwunden. Sie sind immer noch da. Und am Tag nach jedem neuen Atomtest, den ein Land durchführt, schreibt der Bürgermeister von Hiroshima nach wie vor einen Brief mit der Aufforderung, aufzuhören."
Sadako Sasaki sei mit ihrer Willenskraft zu einem Vorbild geworden. "Ihre Botschaft war: Wenn du glaubst, dass du etwas ändern kannst, dann versuche es. Das macht sie zu einer Symbolfigur, ähnlich wie heute Greta Thunberg."
Übersicht
- Musiktheater (Sadako Sasaki)
- Sybrand van der Werf (Regie und Bühne)
- Rainer Obrinkmann (Dramaturgie)
- Kanako Shimada (Mezzosopran)
- Katharina Halus (Schauspiel)
- Konstantin Dupelius (Klavier und Elektronik)
- Gustav Strauß (Violine)
Weblink
- www.salzburgerfestspiele.at, weitere Bilder
Quelle
- www.sn.at, Salzburger Nachrichten vom 8. August 2020, ein Beitrag von Clemens Panagl
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