Kinder galizischer Kriegsflüchtlinge in einer notdürftig ausgestatteten Baracke
Flüchtlingsfamilien vor einer Lagerbaracke.
Lehrlings-Erholungsheim
Bessarabiendeutsche 1940 im Lager Grödig.

Das Lager Niederalm war zunächst Teil III des Lager Grödigs und unterstand einer militärischen Leitung, dann für anderer Verwendungen vorgesehen. Es befand sich im Flachgau im Anifer Ortsteil Neu-Anif.

Geschichte

Errichtung

Schon am Anfang des Ersten Weltkriegs begann man in k.u.k. Österreich mit der Errichtung von Kriegsgefangenenlager. Neu-Anif bestand damals noch nicht, es gab nur den Namen Niederalm als Ortsbezeichnung als Teil von Anif. Das Lager III wurde südöstlich des bereits bestehenden k.u.k. Kriegsgefangenenlager Grödig I errichtet, südöstlich des Bahnhofs Grödig der Salzburger Lokalbahn (Rote Elektrische) in Richtung des kleinen Gois-Hügels sowie gegen den Überackerhof und Niederalm.

Während dem Ersten Weltkrieg und noch einige Zeit danach war das Lager III für Flüchtlinge aus den Gebieten der östlichen Donaumonarchie (Galizien und der Bukowina) vorgesehen. In diesem Lager III gab eine Theaterbaracke, eine Bibliothek mit Lesehalle, eine katholische, evangelische und eine orthodoxe Kirche sowie einen jüdischen Tempel und einen muslimischen Gebetsraum und eine eigene Feuerwehr. Sie konnte allerdings 1916 einen Großbrand im Lager nicht verhindern. Die Lagerkinder wurden in einer russischen, einer ukrainischen und einer jüdischen Schule unterrichtet.

Für Wöchnerinnen gab es auch eine vorzüglich eingerichtetes Säuglings- und Wöchnerinnenheim.[1]

Flüchtlinge

Am 8. Juli 1916 langten in Salzburg rund 17 000 Flüchtlinge aus der Bukowina ein, die in mehreren Zügen der Dampftramway nach Grödig transportiert wurden und dort im zwischenzeitlich fast gänzlich leeren Gefangenenlager III untergebracht wurden. Unter den Angekommenen befanden sich mehr als die Hälfte Kinder, zumeist noch im Alter unter 14 Jahren. Unter den Flüchtlingen befanden sich auch deutsche Kolonisten aus der Umgebung von Luck (Wolhynien).[2]

Anfang Oktober 1916: "Vom Flüchtlingslager in Niederalm bei Salzburg. Seit Wochen schon wurde an der Vergrößerung des Flüchtlingslagers in Niederalm bei Salzburg mit Hochdruck gearbeitet. Die Zahl der Baracken ist jetzt eine derart ansehnliche, dass rund 30 000 Personen untergebracht werden können [Anm.: im gesamten Lager Grödig.]. Gegenwärtig sind 11 000 Personen, größtenteils Flüchtlinge aus der Gegend von Luck, Brest-Litowsk und der Bukowina in den einzelnen Baracken untergebracht."[3]

Ende Oktober 1916 kamen 6 000 Flüchtlinge aus der Bukowina an und wurden mittels Sonderzügen der Dampftramway in das Niederalmer Flüchtlingslager gebracht. Die Flüchtlinge führten außer einer Menge verschiedener Habseligkeiten auch einige Hundert Stück Ziegen und Schafe mit sich.[4]

Im April 1918 sank die Zahl der Flüchtling im Barackenlager Niederalm auf 2 000 Flüchtlinge. Die war sehr zum Leidwesen der Tabakregie, dem Kantineur, einem dem Marketender, dem gleiche Menge Tabak zugewiesen wurde als zur jener Zeit, als das Lager noch mit 12 000 Flüchtlingen besetzt war.[5]

Eine andere Quelle berichtet später, dass im Lager Niederalm 4 480 Flüchtlinge waren, davon 4 101 Ukrainer.[6]. Diese Zahlenangaben sind sehr unterschiedlich. Es ist möglich, dass es sich bei der Angabe in der erste Quelle um einen Druckfehler (17 000 statt nur 1 700) handelt.

Hygiene und Krankheiten

Die Salzburger Wacht berichtete in ihrer Ausgabe vom 21. März 1917 über die sanitären Verhältnisse im Flüchtlingslager in Niederalm. Entgegen verschiedenen im Umlauf befindlichen Gerüchten über die Verbreitung epidemischer Krankheiten im Flüchtlingslager wurde der Zeitung von amtlicher Seite mitgeteilt, dass die Verhältnisse in diesem Lager, hinsichtlich des Auftretens ansteckender Erkrankungen, gegenwärtig als geradezu ungewöhnlich günstig bezeichnet wurde. Außer ganz wenigen leichten Varizellenfällen ohne jede Bedeutung gab es weder Infektionskrankheiten, noch solcher Krankheiten verdächtige Personen.[7]

Lagerkommando

Das Flüchtlingslager Niederalm stand unter dem Kommando von Lagerkommandant Dr. Franz Gehmacher, der dort Oberstabsarzt und Spitalsleiter war.[8]

Gerichtsprozess

Im März 1922 stand der Oberjäger des Lagers Niederalm, Josef Bertsch, wegen Mitwirkung an Schiebereien Regierungsrat Dr. Eduard Rambousek vor Gericht.[9][10]

Nachnutzung

 
Barackenholz Verkauf, Inserat

Während die Baracken des Russenlagers abgetragen wurden, nach das ehemalige Flüchtlingslager in Niederalm im August 1919 einen ungeahnten Aufschwung. Durch die Regierung wurden dort Obdachlose untergebracht und ein Lager für Heimkehrer eingerichtet.[11] Am 8. Jänner 1919 ereignete sich im Obdachlosenlager Niederalm ein Großfeuer Durch die tatkräftige Hilfe der freiwilligen Feuerwehr des Eisenhüttenwerkes in Grödig ist es damals gelungen, das Feuer auf seinen Entstehungsherd zu beschränken, sodass die um liegenden Baracken, welche von Obdachlosen bewohnt werden, gerettet werden konnten.[12]

Zur Behebung der ungeheuer großen Wohnungsnot in Salzburg wurden auf Betreiben von Bürgermeister Ott und der Stadtgemeinde Salzburg 13 der Landesregierung gehörige Baracken vom Niederalmer Flüchtlingslager für Wohnungszwecke zweckgewidmet. In jeder Baracke wurden Räumlichkeiten für 10 Wohnungen hergerichtet, sodass dann 130 Wohnung zur Verfügung standen.[13][14][15]

Zum Teil wurden die Baracken auch abgetragen und das Holz verkauft.

Lehrlingserholungsheim Niederalm-Grödig

Im Oktober 1919 wurde sechs villenartige Häuschen, es waren dies die aus Zement erbauten Schulbaracken des ehemaligen Flüchtlingslager, zu einem Lehrlingserholungsheim. im Lehrlingserholungsheim Niederalm–Grödig brachte das Amt für Volksgesundheit dort 540 Lehrlinge für jeweils vier Wochen zur Erholung unter. Besonders schwierig zu lösen war die Frage einer halbwegs ausreichenden Ernährung, die überhaupt nur durch die tatkräftige Unterstützung der amerikanischen Kinderhilfskommission möglich wurde. Gekocht wird im Lager selbst. Man hat einfach die Lagerküche wieder in Betrieb gesetzt. Die Baracken mussten erst her gerichtet werden und die schönen Schulhäuschen waren nicht gleich von der Lagerverwaltung zu haben. So kam es, dass zuerst die Lehrlinge in die großen Baracken einquartiert werden mussten, die achtzig bis neunzig Feldbetten fassten, was natürlich oft allerlei Unannehmlichkeiten verbunden war. Diese sind nun mit dem Beziehen der Schulbaracken verschwunden. In keinem der fünf Schlafsäle, die jedes dieser Häuschen besitzt, sind mehr als sechzehn Lehrlinge untergebracht. [16]

Nach 1938 war dort eine "Führerschule" für die Hitlerjugend.[17] Ab 1940 wurden wiederum Umsiedler und Flüchtlinge in den noch bestehenden Baracken untergebracht. In dieser Zeit erhielt die Barackensiedlung den Namen Schwabenlager.[18]

Augenzeugenberichten nach wurden die letzten Baracken um 1970 abgerissen.

Weblink

Quellen

Einzelnachweise

  1. ANNO, Salzburger Wacht, 4. Januar 1919, Seite 2
  2. ANNO, Volksfreund, 8. Juli 1916, Seite 4
  3. ANNO, Linzer Volksblatt, 6. Oktober 1916, Seite 4
  4. ANNO, Volksfreund, 4. November 1916, Seite 4
  5. ANNO, Salzburger Chronik, 1. Mai 1918, Seite 2
  6. ANNO, Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 4. Juli 1918, Seite 9
  7. ANNO, Salzburger Wacht, Ausgabe vom 21. März 1917, Seite 4
  8. ANNO, Salzburger Chronik, 24. September 1919, Seite 4
  9. ANNO, Salzburger Wacht, Ausgabe vom 23. März 1922, Seite 5
  10. ANNO, Salzburger Chronik, Ausgabe vom 12. November 1922, Seite 8
  11. ANNO, Salzburger Chronik, 26. August 1919, Seite 4
  12. ANNO, Salzburger Volksblatt, 24. Februar 1919, Seite 5
  13. ANNO, Salzburger Chronik, 3. September 1918, Seite 3
  14. ANNO, Salzburger Volksblatt, 3. September 1918, Seite 3
  15. ANNO, Salzburger Chronik, 8. Oktober 1918, Seite 3
  16. ANNO, Arbeiter Zeitung, 20. Oktober 1919, Seite 4
  17. ANNO, Salzburger Volksblatt, Ausgabe vom 15. Juli 1939, Seite 18
  18. ANNO, Salzburger Volksblatt, Ausgabe vom 7. Dezember 1940, Seite 11