Spitzkramerhäusl
Das Spitzkramerhäusl war ein Gebäude in Hof bei Salzburg im Flachgau.
Geschichte
Dieses Gebäude wurde als „Häusl beim Gut Strumegg“ um 1640 an der Stelle errichtet, wo sich heute der Kreisverkehr Baderluck befindet. 1762 umgebaut, musste es 1958 der neuen Trassierung der Wolfgangsee Straße weichen.
Hinter der Bezeichnung Spitzkramer verbirgt sich die Geschichte eines Zweiges der Flachgauer Hausindustrie, nämlich der Schlingen- und Spitzenklöppelei vom 17. Jahrhundert bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Es war eine zusätzliche Erwerbsmöglichkeit vorwiegend für Frauen, aber auch für Holzknechte, Kraxenträger, Taglöhner u.a.
Der Spitzkrämer war der Verleger, der den Heimarbeitern das notwendige, teilweise sehr teure Material (in Salzburg vorwiegend Klöppelzwirn aus Baumwolle oder Rosshaar, in anderen Regionen auch Seide und gespaltenes Stroh) zur Verfügung stellte und die erzeugte Ware auf den Wochen-, Saison- und Jahrmärkten im In- und Ausland absetzte (u.a. in München und Augsburg). Es wurden „Schlingen“ und Klöppelspitzen hergestellt. Salzburger und Mondseer Schlingen waren eine Besonderheit, die mit einer einfacheren Klöppeltechnik aus Leinen- und Baumwollfäden produziert wurden.
Die Krämerei mit der „weißen Ware“ hatte sich schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts in den Land- bzw. Pfleggerichten Hüttenstein (Sankt Gilgen) und Wartenfels (Thalgau) etabliert. Zu Beginn erzeugte man bis 1670 vorwiegend Schlingen, anschließend lief die Produktion von Schlingen und Klöppelspitzen parallel.
Nach den Forschungen von Dr. Monika Thonhauser weisen die Pfarrmatriken von Thalgau für die Jahre von 1682 bis 1698 zehn Spitzen -und Schlingenhändler aus. Für die Zeit von 1700 bis 1793 sind weitere acht verzeichnet.
Darunter finden sich für Hof unter der Jahreszahl 1695 ein Georg Gizner, Spizkhrammer in der Paderluckhen; Jacob Gizner, 1698 - 1726; Spitzkhrammer in der Paderluckhen; 1741 - 1784 Andreas Gizner, Spitzkhrammer und Rechenmacher in der Paderluckhen; (1757 - 1778 uxor Magdalena, Spitzkrammerin, Rechenmacherin).
Aber bereits 1675 suchte August Kirpichler in der Paderluckn um die Gerechtsame (Gewerbeberechtigung) für die „Worische Krammerei“ an. Es dürfte dabei der Handel mit Flachs (Werg), mundartlich „Weri“, gemeint sein. 1710 bezeichnet sich Michael Khirchpichler bereits als Spitz- und Schlingenhändler in der Paderlucken. Der Hofer Spitzenkrämer beschäftigte ungefähr 15 Klöpplerinnen.
Mit Anfang des 19. Jahrhunderts ging es mit der Spitzen-Hausindustrie zu Ende. Wiederbelebungsversuchen durch die Aktivität von Frauenvereinen waren keine größeren Erfolge beschieden. Seit 1970 ist Spitzenklöppeln zu einem Hobby für talentierte Frauen geworden, die mit Freude und Kreativität die alte Kunst am Leben erhalten.
In Bad Goisern in Oberösterreich existiert noch ein Haus mit der Aufschrift "Spitzkramerhaus 1731". Adresse: Josef-Putz-Straße 7.
Eine andere Geschichte
Im Spitzkrämerhaus wuchs bei der Hauseigentümerin und Ziehmutter Johanna Tanzberger der am 5. Juli 1891 als lediges Kind einer Bauernmagd in Hof geborene Stefan Schlager auf. Der spätere verdienstvolle Gendarmerie-Postenkommandant von Bad Gastein wurde 1938 von der Gestapo verhaftet und starb nach schweren Misshandlungen am 4. Dezember 1939 im KZ Mauthausen.
Quellen und Literatur
- Grundbuch Thalgau, EZ 102, Grundstückszahl 1142, KG Hof.
- Alois Roither: Bild des Spitzkramerhäusls. Roither (†) war Altbauer vom Strumegg-Gut in Hof.
- Stiftsarchiv St. Peter, Amt Seekirchen: Urbar Folio. 324.
- Monika Thonhauser: Die Spitzenhausindustrie im Raum St. Gilgen. In: MGSL 145 (2005), S. 189-286.
- Monika Thonhauser: Das Salzburgische Flache Land - eine textile Landschaft. Phil. Diss. Salzburg 2006.
- Josef Felber (†) u.a: Chronik-Heimatbuch Hof, hg. vom Gemeindeamt Hof bei Salzburg, Hof 1990. S. 96-99 (zu Stefan Schlager).
- Laurenz Krisch: Bad Gastein während der NS-Herrschaft. In: MGSL 147 (2007), S. 255-322, hier S. 276-277. (zu Stefan Schlager).