Wilhelm von Trauttmansdorff

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Wilhelm von Trauttmansdorff, auch: Trautmannsdorf (* ca. 1506/1507; † 4. Oktober 1586 Hohensalzburg) war von 1560 bis 1580 Salzburger Domdechant, bis er vom Domkapitel in aufsehenerregender Weise gestürzt wurde.

Leben

Werdegang und Wirken

Wilhelm von Trauttmansdorff stammte aus der steirischen Linie des Hauses Trauttmansdorff. Er wurde bereits im Jahr 1517, also noch im Kindesalter, vom damaligen Domdechant Andreas von Trauttmansdorff zum Salzburger Domherrn nominiert. Die Aufnahme in das Domkapitel, zu der nach den Statuten die Vollendung des 24. Lebensjahrs erfordert war, erfolgte erst im Jahr 1530.

Von 1527 bis 1535 besuchte Trauttmansdorff die Universitäten Wien, Erzhzm. Österreich unter der Enns, Ingolstadt (Herzogtum Bayern), Padua, Republik Venedig und Pavia, Herzogtum Mailand. 1532 unternahm er eine Wallfahrt nach Jerusalem (heute Israel) und wurde dort Ritter des Heiligen Grabes.

1547 wurde er Kapitelsenior, 1552 Kapitelanwalt und 1560 Domdekan. Vor der Übernahme des Dekanats, das die dauernde Anwesenheit in Salzburg verlangte, reiste er im Dienste des Erzstiftes mehrmals nach Rom und vertrat dieses auf Reichstagen, beim Bayerischen Kreis, bei den Tagen des Schwäbischen Bundes, beim Kaiser in Prag. 1547 fungierte er als Gesandter des Domkapitels auf dem Konzil von Trient, als dort die Privilegien der deutschen Domstifte beschnitten werden sollten. In Salzburg war Trauttmansdorff Mitglied des Hofrates und des Geheimen Rates.

Zwar musste ein Domherr unverheiratet sein, doch war es nicht ungewöhnlich, dass Trauttmansdorff Familienvater war. Er hatte zwei Söhne, Georg und David Kirchberger, von deren Mutter nichts bekannt ist. Trauttmansdorff sorgte gut für seine Kinder: Beide Söhne studierten und erlangten das Doktorat, der ältere, Dr. iur. Georg Kirchberger, wurde als Sekretär des Domkapitels angestellt; eine Tochter Trauttmansdorffs heiratete den Amtmann des Domkapitels in Ottakring bei Wien, Pechacker.

In religiöser Hinsicht war Trauttmansdorff offenbar gemäßigt. Er widerstrebte den Beschlüssen des Konzils von Trient, die die Spaltung zwischen Katholiken und Protestanten unumkehrbar machten, und ließ die Verhandlungen mit den Jesuiten scheitern, die nach dem Wunsch des Erzbischofs das zu gründende Salzburger Priesterseminar übernehmen sollten.

So wirkte Trauttmansdorff als maßgebliche Persönlichkeit des Domkapitels bis ins hohe Alter tatkräftig, aber auch vielfach selbstherrlich und nicht uneigennützig im Dienst des Erzstiftes.

Die Krise von 1579/1580

Nachdem Fürsterzbischof Johann Jakob Kuen von Belasy im Jahr 1579 einen Schlaganfall erlitten hatte und in seiner Regierungsfähigkeit beeinträchtigt war, erschien es notwendig, ihm einen Koadjutor zur Seite zu stellen – wovon allerdings der Fürsterzbischof selbst nichts wissen wollte. Für diese Funktion interessierten sich Angehörige der benachbarten Herrscherhäuser: Der Wittelsbacher Ernst von Bayern und der junge österreichische Erzherzog Maximilian.

Domdechant Trauttmansdorff – der schon wegen seines hohen Alters als Koadjutor nicht in Betracht kam - trat nun hinter dem Rücken des Domkapitels in Verhandlungen zuerst mit der bayrischen und dann mit der österreichischen Seite ein, um in deren Sinne eine Koadjutorsbestellung herbeizuführen, wobei er auch auf den Vorteil seiner Familie bedacht war. Im Zuge dessen verfasste er für den Wiener Hof eine Denkschrift, in der er die Amtsführung des Fürsterzbischofs - besonders dessen Nepotismus und Laxheit in Religionssachen - kritisierte.

Dieses Ränkespiel blieb dem Domkapitel nicht verborgen; es wurde von diesem als hochverräterische Schmälerung seiner Rechte aufgefasst und führte zu einer Abfolge dramatischer Ereignisse.

Zu den übermächtigen Gegnern Trauttmansdorffs – und der österreichischen Kandidatur - gehörten nicht nur die übrigen Domherren (mit Ausnahme des Domherrn Nikolaus von Trauttmansdorff), sondern auch der päpstliche Nuntius in Oberdeutschland, Felizian Ninguarda, der auf der bayrischen Seite stand. Der Fürsterzbischof ließ ihnen weitgehend freie Hand.

Der Sturz

Trauttmansdorff wurde am 14. März 1580 während einer Sitzung des Domkapitels zur Rede gestellt – Wortführer waren der Dompropst Georg von Kuenburg und der Domherr Siegmund Friedrich Freiherr von Fugger - und (mit Zustimmung des Fürsterzbischofs) gefangen gesetzt. Dr. Kirchberger wurde gezwungen, den Briefwechsel herauszugeben, der die Wahrheit der erhobenen Vorwürfe belegte.

Dem Domdechant wurde der Prozess gemacht, wobei es tunlich erschien, den Hauptanklagepunkt zwischen einer Anzahl anderer zu verstecken. Zu den Vorwürfen gehörten:

  • Er habe den Chor- und Gottesdienst und die katholische Religion in der ganzen Zeit seines Dekanats vernachlässigt und so dem Erzstift die Strafe Gottes zugezogen.
  • Im Dom und Chor habe er gar keine Ordnung gehalten und sich nicht darum gekümmert, ob die Stiftungsmessen gelesen würden.
  • Er habe Unwürdige zu Priestern gemacht und Chorvikare ohne Wissen des Kapitels entgegen seinem Eid seines Nutzens wegen ein- und abgesetzt.
  • Auf der Salzburger Provinzialsynode 1569 habe er die Ablegung des Glaubensbekenntnisses verweigert, 1573 habe er es nur bedingungsweise abgelegt.
  • In der Seminarfrage habe er alles nach eigenem Gutdünken machen wollen und die anderen Verordneten ganz beiseite geschoben und verdächtigt.
  • Dazu habe er Präzeptoren und Alumnen aufgenommen, die nicht reinen Glaubens und allen unbekannt waren, und schließlich sogar materiellen Schaden angerichtet, ohne daß wirklich etwas geschehen wäre.
  • Im geheimen Rat habe er allein geherrscht und befohlen, im Hofrat habe er die Parteien, die sich an ihn wandten, begünstigt und so die Gerechtigkeit käuflich gemacht.
  • Dem Kapitel habe er nichts mitgeteilt, selten Sitzungen abgehalten, oft gegen den einhelligen Willen der Kapitulare gehandelt, wichtige Schriften geheimgehalten und das Kapitelsiegel in schwerwiegenden Angelegenheiten ohne Zustimmung und Wissen des Kapitels gebraucht.
  • Er habe ohne Kenntnis des Fürsterzbischofs Diener aufgenommen und reich entlohnt, hingegen verdiente Leute entfernt.
  • Die Einkünfte des Kapitels habe er ohne Ordnung und Treue verwaltet und nur zu seinem und nicht des Kapitels Nutzen verwendet.
  • Die Kapitelprotokolle habe er nicht ordentlich führen und verlesen lassen, sondern sie bei sich behalten und Kapitelbeschlüsse darin eigenmächtig verändert.
  • Innerhalb des Kapitels habe er Zwietracht gesät und die jungen Domherren nicht mit den Statuten bekannt gemacht, außerdem die Bibliothek verschlossen und den Eintritt verweigert.
  • Ferner seien die Untertanen des Domkapitels ohne Wissen der Herren vielfach belastet worden, oft gegen die ausdrücklichen Befehle und Verbote des Kapitels.
  • Für seine eigenen Bauten habe er ohne Erlaubnis des Kapitels Holz fällen lassen, hingegen die Kapitelhäuser nicht entsprechend Instand gehalten.

Die Prozessführung und Urteilsfindung lag in den Händen von vier delegierten Richtern: Dem Bischof von Chiemsee Christoph Schlattl, dem Kanzler Dr. Simon Paurs und den Hofräten Dr. Martin Pegius und Dr. Georg Rotmayr.

Diese vier Räte beschränkten sich auf die Erörterung der Hauptvorwürfe und sahen aufgrund des Briefwechsels Folgendes als erwiesen an:

Trauttmansdorff habe

  • mit Herzog Albrecht V. von Bayern wegen dessen Sohnes Herzog Ernst und dann mit dem Kaiser wegen Erzherzog Maximilians verhandelt, den er zum Koadjutor oder Administrator machen wollte; dafür habe er zunächst für seinen Sohn Dr. Georg Kirchberger die Ratswürde und die Pflege Burghausen mit 150 Gulden Gehalt und 50 Gulden Zulage von Bayern und dann für beide Söhne Georg und David Kirchberger die Nobilitierung und die Pfalzgrafenwürde vom Kaiser erlangt;
  • Außenstehenden Geheimnisse des Fürsterzbischofs und des Stiftes offenbart;
  • den Erzbischof in seiner und seiner Verwandten Ehre angegriffen und den Kaiser veranlasst, beim Papst die Absetzung des Fürsten und die Bestellung eines Koadjutors aus dem Haus Österreich zu betreiben;
  • das ehrwürdige Metropolitankapitel, dem er als Dekan und Kanoniker in doppeltem Eid verpflichtet war, der freien Wahl berauben und so ein bisher mit großem Eifer und vieler Mühe bewahrtes Kleinod vom Erzstift bringen wollen; das Eindringen eines fremden Fürsten ins Stift hätte dieses, das Kapitel, den Erzbischof und alle Stiftsuntertanen in höchste Gefahr und äußerstes Verderben und die Häuser Österreich und Bayern in ärgste Zwietracht gebracht.

Das Urteil, das die vier Richter fanden und das vom Fürsterzbischof, wenn auch zögernd, genehmigt wurde, war hart: Trauttmansdorff wurde - wegen Meineides, Simonie und Verrates - des Dekanats, des Kanonikats, aller sonstigen Pfründen und selbst des Priesteramtes entkleidet sowie zu ewigem Gefängnis auf eigene Kosten verurteilt. Überdies wurde die Beschlagnahme seiner Güter zur Wiedergutmachung des dem Kapitel und anderen zugefügten Schadens ausgesprochen.

Schon am 21. April 1580 wurde das Urteil dem Angeklagten in Gegenwart des ganzen Kapitels und dreier Zeugen auf der Festung Hohensalzburg verkündet.

Trauttmansdorff beklagte sich sofort über die Härte des Spruchs und darüber, dass man ihm nicht Gelegenheit gegeben habe, sich zu verantworten. Er wollte sein Vorgehen in der Koadjutorssache erklären und zum Verhör vor den Fürsterzbischof geführt werden. Dies versagte ihm das Gericht, da er durch seine eigene Handschrift mehr als genug überführt sei.

Nachspiel

Zum neuen Domdechant wurde Siegmund Friedrich Freiherr von Fugger gewählt. Der Fürsterzbischof gab seinen Widerstand gegen die Bestellung eines Koadjutors mit Nachfolgerecht auf, und der Papst genehmigte dessen Wahl durch das Domkapitel. Dieses kam weiteren Einflussnahmen zugunsten des österreichischen Kandidaten zuvor und wählte am 18. Juli 1580 den bisherigen Dompropst Georg von Kuenburg zum Koadjutor; nicht ohne ihm in der Wahlkapitulation unter anderem abzuverlangen, Trauttmansdorff auf keinen Fall ohne Zustimmung des Kapitels, die außerdem nur von einer Peremptorialversammlung gegeben werden könne, aus der Haft zu entlassen.

Die Familie Trauttmansdorff und Erzherzog Maximilian versuchten, Kaiser Rudolf II. zu einem Einschreiten zugunsten des Gefangenen zu bestimmen, der ja durch sein Eintreten für die österreichische Sache in seine missliche Lage geraten war. Aber der Kaiser unternahm nichts Entscheidendes.

Wilhelm von Trauttmansdorff blieb weiter auf der Festung in Haft. Besuche durfte er nicht empfangen, wahrscheinlich sah er sogar seine eigenen Söhne nicht wieder.

1586 starb Fürsterzbischof Johann Jakob. Einige Monate nach ihm erlag Wilhelm von Trauttmansdorff einem Schlaganfall; er wurde im Kreuzgang von St. Peter beigesetzt. Wieder wenige Monate später wurde Georg von Kuenburg von derselben Krankheit ereilt.

Im Jahr 1586 starb auch Georg Kirchberger. Trauttmansdorffs zweiter Sohn David Kirchberger wurde später vom Domkapitel als Domschreiber angestellt.

Quellen und Literatur

  • Johann Riedl: Salzburg's Domherren. Von 1514-1806, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde (MGSL) 7 (1867), S. 122-278, insb. S. 202–207.
  • Hans Wagner: Der Verrat des Domdekans Wilhelm von Trauttmannsdorff. Eine Salzburger Haupt- und Staatsaktion aus dem Jahr 1580, in: MGSL 109 (1969), S. 139-174, gestützt insb. auf seine Dissertation
  • Hans Wagner: Das Salzburger Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung 1400-1550, Phil. Diss. Wien 1949 (ungedruckt), S. 228  ff.