Obersulzbachkees




Das Obersulzbachkees ist ein Gletscher im Nationalpark Hohe Tauern) im Bereich nördlich des Großvenedigers im Pinzgau in der Marktgemeinde Neukirchen am Großvenediger.
Geografie
Der heute allgemein als Obersulzbachkees bezeichnete Gletscher besteht aus sechs Teilgletschern (von Westen nach Osten):[1]
- Krimmlertörlkees
- Obersulzbachkees
- oberes und unteres Bleidächerkees
- Sulzbacherkees
- Venedigerkees
Die Keese befinden sich am Süd- und Südwestende des Obersulzbachtales am Alpenhauptkamm der Hohen Tauern an der Grenze zu Osttirol.
Geschichte
Das Gebiet dieser Keese ist durch die Erstbesteigung des Großvenedigers 1841 bekannt geworden, vor allem auch deswegen, weil Ignaz von Kürsinger dem damals vorhandenen wilden Eisbruch den Namen Türkischen Zeltstadt – die Eistürme sahen aus wie "die Zelte der Muslims" - gegeben hatte. Westlich an die Obersulzbachkeese schließt das Krimmler Kees an.
Die Obersulzbachkeese gehören zu den am Stärksten zerfallenden und zurück schmelzenden Gletschern. Von 1850 bis zur Gegenwart ist die Gletscherzunge um 3,2 Kilometer kürzer geworden, die Türkische Zeltstadt ist völlig verschwunden. Aus einem einstmals geschlossenen Talgletscher mit einer Zunge sind sechs Teilgletscher geworden.
Von 1850 bis 1880 gingen die Obersulzbachkeese in ihren Zungengebieten um 60 bis 70 Millionen Kubikmeter Eis zurück und gaben dabei 439 000 m² Boden frei. Zwischen 1990 und 2009 sind die Gletscher in mehrere Teile zerfallen. Insgesamt haben die Gletscher (zusammen mit der Türkischen Zeltstadt) seit 1850 eine Milliarde Kubikmeter an Masse verloren. Damit könnte man den Wörthersee (Kärnten) füllen.[2]
Forschung
Die Obersulzbachkeese sind ein traditionelles Forschungsobjekt. Der Eiszeitforscher Eduard Richter hatte den Gletscher erstmals 1880 kartographisch aufgenommen und eine großmaßstäbige Karte der Gletscherzunge hergestellt. Wolfgang Pillewizer nahm den Gletscher 1939 terrestrisch – photogrammetrisch auf. Innerhalb des Österreichischen Gletscherkatasters 1969 und des Gletscherinventars 1998 wurden die Keese wieder vermessen.
Seit Jahren wird der Abfluss in einem rund 20 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet, in dem die Gletscher ca. 80 Prozent der Fläche ausmachen, gemessen. Diese Messstelle wird vom Hydrografischen Dienst des Landes Salzburg betreut.
Zur Zeit der größten Wasserführung fließen pro Sekunde 15 Kubikmeter talwärts. Dabei handelt es sich fast nur Schmelzwasser ohne Niederschlagswasser. In den letzten 15 Jahren gab es im Juli nur zweimal so hohe Abflussmengen. Somit kommen solche Wasserführungen nur selten vor.
Aus glaziologischem Interesse, um den besonders starken Rückgang und Zerfall der Obersulzbachkeese zu erfassen, wurden im Jahr 2003, 2006 und 2008 Laserscanvermessungen (EGEO) gemacht. Der Gletscherschwund bzw. das Abschmelzen ist bisher zumeist nur von der klimatologischen Seite betrachtet worden, nun kommt die Komponente des Eiszerfalls aufgrund topographischer und subglazialer (Tunnel- und Höhlenbildung) Prozesse dazu, die den Zerfall beschleunigen. Zu den reinen Messungen der Abschmelzung muss nun auch diese Komponente erfasst werden. Mit dem Laserscan ist die Gesamtsumme der Veränderungen erfasst.
Problematik
Der Anstieg der Permafrostgrenze, der starke Rückgang des Gletschers und die damit zusammenhängende Freigabe von lockeren Moränenablagerungen sowie die Brüchigkeit des Gletschers selbst haben zur Sperrung von alten Wanderwegen zur Kürsinger- und Warnsdorfer Hütte geführt. Dies wurde nach einem schweren Unglück am 3. August 2001 notwendig. Dabei kamen in einer Gruppe deutscher Bergsteiger drei Personen durch herab stürzende Felsbrocken ums Leben.
Der Leiter des Hydrografischen Dienstes des Landes Salzburg, Johann Wiesenegger, erklärte im Sommer 2009 dazu, dass die Wanderkarten der Alpen umgeschrieben werden müssen. Denn die Klimaveränderungen im Salzburger Hochgebirge haben zur Sperrung und Verlegung vieler Wanderwege geführt.
Gletscherlehrweg
Bei 20 Stationen entlang des Gletscherlehrwegs Obersulzbachtal erfährt mal viel über die Rückzugstationen des Gletschers sowie über gletscherkundliche Erscheinungen.
Funde
Bereits im Spätsommer 2018 entdeckte die Bergrettung auf einen der Keese einen vorerst nicht identifizierbaren Metallkörper, der ca. drei bis vier Meter tief in einer Gletscherspalte lag. Seitens der Alpinpolizei wurden dem Entminungsdienst des Landesverteidigungsministeriums Lichtbilder übermittelt, wodurch der Metallkörper als nicht gefährlicher Flugzeug-Abwurftank des Zweiten Weltkriegs identifiziert werden konnte. Auf Grund des Wintereinbruches konnte die Bergung erst am 28. August 2019 von Beamten des Entminungsdienstes durchgeführt werden. Unterstützt wurden sie dabei von einem Hubschrauber des Österreichischen Bundesheeres, einem Bergführer der Bergrettung und einem Polizeibergführer.
Bilder
Obersulzbachkees – Sammlung von weiteren Bildern, Videos und Audiodateien im Salzburgwiki
Weblink
- Lage auf AMap (korrigierter neuer Link, Datenstand 5. November 2022)
Quellen
- Heinz Slupetzky
- Mag. B. Seiser, Dr. A. Fischer: Venedigerkees Massehaushalt 2012/2013, Jahresbericht des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 4. Dezember 2013, darin die Bezeichnungen der einzelnen Keese, abgerufen am 15. Dezember 2019 als pdf
- sience.orf.at
- E-Book rund um das Thema Gletscher - nützliche Informationen und interessante Fakten
- www.polizei.gv.at
- Austrian Map, Teil der Österreichischen Karte des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen (BEV), im Internet unter maps.bev.gv.at abrufbar. Hinweis: Da das BEV mit Anfang November 2022 sein Internet-Link-System umgestellt hat, sind noch nicht alle Salzburgwiki-Weblinks auf AMap korrigiert (Stand 8. Mai 2023).
Einzelnachweise
- ↑ siehe Quelle Venedigerkees Massehaushalt 2012/2013
- ↑ Quelle Salzburger Nachrichten, 31. Juli 2009: Gletschersee ist mindestens 42 Meter tief