Ferdinand Piëch
Dipl.-Ing. Prof. Dr. h.c. Ferdinand Piëch (* 17. April 1937 in Wien; † 25. August 2019 in Rosenheim, Bayern[1]) war ein Ingenieur, Perfektionist und Visionär[2] Er war der Enkel von Ferdinand Porsche, dessen Tochter Louise den Wiener Anwalt Anton Piëch heiratete.
Leben
Ferdinand Piëch wurde als Sohn von Louise Porsche und Anton Piëch geboren. Sein Bruder ist Hans Michel Piëch. Von 1952 bis 1958 besuchte er das Schweizer Internat Lyceum Alpinum Zuoz im Engadin in der Schweiz. Nach dem Studium des Maschinenbaus an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich begann er 1963 seine Karriere unter seinem Onkel Ferry Porsche in Stuttgart. Dort leitete er ab 1965 die Entwicklungsabteilung und wurde 1971 Technischer Geschäftsführer. Seinen Hauptwohnsitz hatte er lange Zeit in Salzburg.
Er gründete ein eigenes Konstruktionsbüro, indem wesentliche Automobil- und Motor-Entwicklungen getätigt wurden. Anschließend war er maßgeblich für zahlreiche Innovationen und die Etablierung der Marke Audi als Premiumhersteller verantwortlich. Von 1993 bis 2002 war Piëch Vorstandsvorsitzender von Volkswagen sowie bis 2015 unter anderem Aufsichtsratsvorsitzender des Volkswagen Konzerns (VW) und Geschäftsführer der größten europäischen Autovertriebsgesellschaft, der Porsche Holding, in der Stadt Salzburg.
Vorgestellt ist eine Beitragsreihe in den Salzburger Nachrichten. Das Salzburgwiki hat hier den Originaltext übernommen. Dieser kann wiederholende Teile zu obigem Lebenslauf enthalten, sollte aber im Sinne eines Zeitdokuments nicht korrigiert werden.
Macht, dein Name ist Piëch. Wenn ein langgedienter Manager aus dem Volkswagenkonzern sagt, "früher, als wir noch mehr Angst vor ihm hatten", dann klingt das nach einer längst ausgestorbenen Gattung von Chef. Doch wer den mächtigsten Automanager der Welt, Ferdinand Piëch, je persönlich erlebt hat, hat zumindest eine Ahnung davon bekommen, dass dieser Mann einem wirklich Angst machen kann. Er sagt nicht viel, das wenige aber oft mit beißender Schärfe.
Als sich dieses Jahr Magna anschickte, Opel zu kaufen, was dem Patriarchen aus Salzburg gar nicht passte, raunte Piëch Magna-Chef Siegfried Wolf bei einem Treffen in Wien giftig zu: "Ich höre, Sie wollen Ihre Aufträge an uns zurückgeben." Wolf konterte übermütig, dass es sich ja nur um sechs Prozent des Umsatzes handle. Opel ging zwar bekanntermaßen nicht an Magna, doch Ende 2009 wurden Porsche-Aufträge an Magna aufgelöst.
2009, mit 72 Jahren, in einem Alter, in dem die meisten schon mindestens ein Jahrzehnt in der Pension hinter sich haben, steht der VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch nach einem unglaublichen Machtkampf innerhalb der eigenen Familie vor der Vollendung seines Lebenswerks – eines integrierten Automobilkonzerns, der von Kleinwagen über Luxusautos bis hin zu Lkw alles bietet und der die Nummer eins der Welt werden soll. In einer strategischen Meisterleistung hat der "Alte", wie sie ihn im Konzern nennen, es geschafft, dass Volkswagen den Sportwagenbauer Porsche schluckt, obgleich der Plan seines Cousins Wolfgang Porsche genau umgekehrt gewesen war. Natürlich kam Piëch dabei die Wirtschaftskrise zu Hilfe. Der "Nicht-Namensträger", wie sein Cousin Wolfgang Porsche Ferdinand Piëch bisweilen herabwürdigend zu betiteln pflegt, hat die Familienstämme nicht nur zum Verkauf des profitabelsten Autobauers der Welt an VW gebracht, sondern gleich auch noch dazu, die größte europäische Autovertriebsgesellschaft, die Porsche Holding in Salzburg, einzusetzen. Beide Unternehmen standen beziehungsweise stehen noch im Besitz der Familien Piëch und Porsche. Doch schon bald werden sie im integrierten Autokonzern Volkswagen aufgehen, dessen Lenker Piëch eben ein Ziel hat: Größter Autobauer der Welt zu werden. 2018 soll es so weit sein. Dann wird Piëch 81 Jahre alt sein. Ermutigend, wenn man auch im fortgeschrittenen Alter noch solche Pläne hat. Aber wer Piëch kennt, kann davon ausgehen, dass er das Ziel ohnehin früher erreichen wird.
Was hebt Ferdinand Piëch aus den Reihen seiner eigenen Autodynastie, aus der Reihe der Automanager dieser Welt heraus? "Er ist der einzige Automanager, der selbst ein Auto bauen kann", antwortet ein langjähriger Mitarbeiter. Man habe einmal ein Problem mit Türen gehabt, Legionen an Technikern seien nicht hinter die Ursache gekommen. Piëch fand es heraus. Er fährt seine Autos selbst zum Service, um mit den Mechanikern reden zu können. Als VW Anteile von Scania kaufte, hat einer seiner Manager ihn gefragt, ob er nun auch alles über Lkw lernen müsse. Piëch griff wortlos und langsam in die Innentasche seines Sakkos und holte einen Führerschein für alle Lkw-Arten bis hin zum Bus heraus. Den hat er als damaliger Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns so nebenbei gemacht.
Bei Aufsichtsratssitzungen schreibt Piëch, der öffentlich zu seiner Legasthenie steht, alles selbst mit. Er sei stets hellwach, sagen die Manager. Einmal habe er bei einer Präsentation nach Folie Nummer 50 trocken angemerkt, die passe aber nicht zur ersten Folie.
Selbst jene, die ihn beruflich lang kennen, sagen, Piëch lasse einen emotional nicht einmal in seine Nähe kommen, Nähe gebe es nur auf fachlicher Ebene. Manager, die ihm nicht genügen, feuert er mit Eiseskälte. Die Liste ist lang. Wenn er einen Raum oder Saal betritt, weichen die Menschen vor ihm links und rechts zur Seite. Das zu beobachten, ist stets beeindruckend. Selbst seine Kritiker sprechen anerkennend von seiner Aura. Die pflegt der öffentlichkeitsscheue Piëch auch, indem er öffentlich oft nur Halbsätze sagt, die der freien Interpretation viel Raum lassen. So meinte er kürzlich, zwölf sei eine bessere Zahl als zehn. Viele Kommentatoren lasen daraus, Piëch würde sich nicht mit nun zehn Marken im VW-Konzern begnügen, er wolle zwölf. Und manche verstiegen sich gar zu dem Vergleich, dass zwölf eine magische Zahl sei, weil es zwölf Apostel gab, König Arthurs Tafelrunde zwölf Ritter zählte und das Jahr zwölf Monate hat. Wer auf dem Olymp steht, und sei es nur jener der Autobranche, hat es also in den magischen Olymp nicht weit. Übrigens: Piëch hat eigenen Angaben nach zwölf Kinder.
Die Beschreibungen von Piëch ähneln einander: kalt, detailversessen, technisch brillant. Nur wenn jemand über sein Verhältnis zu seiner Frau Ursula spricht, klingt es anders. "Er ist unglaublich nett, zuvorkommend und höflich zu ihr", erzählt ein langgedienter Mitarbeiter Piëchs. Es scheine, als genieße er ihre warme, herzliche, offene Art, die so konträr zu ihm selbst ist. Piëch scheint generell Achtung und Respekt vor Frauen zu haben. In seiner Autobiografie (Hoffmann und Campe) beschreibt er eine Autopanne bei Schönbrunn, da dürfte er etwa vier Jahre alt gewesen sein. "Der Wagen hängt so komisch schief, weil er aufgebockt ist; ich steh daneben, Hände in den Hosentaschen, und bin stolz auf meine Mutter. Sie kann ganz allein Rad wechseln."
Die Eigenschaften nett und höflich würden andere wiederum wohl kaum in Verbindung mit Piëch bringen. Als er 2008 im Prozess um Lustreisen und Bordellbesuche von VW-Betriebsräten aussagte, korrigierte er einen Anwalt, der die Edelkarosse Lamborghini als Lambordschini ausgesprochen hatte. "Jeder, der sich einen Lamborghini kauft, kann den Namen aussprechen wie er will, Wer sich ihn aber nicht leisten kann, soll es richtig sagen. "
In Salzburg, wo er einen Gutteil seiner Zeit lebt, bewegt sich Piëch wie jeder andere normale Bürger. Man sieht ihn und seine Familie beim Essen in Gasthäusern und Restaurants. Wer ihn nicht kennt, wird an nichts erkennen, dass er der mächtigste Automanager der Welt ist; keine Bodyguards, keine Allüren, keine Sonderwünsche.
Man darf gespannt sein, was der begnadete Techniker und Stratege noch für Überraschungen parat hat. Auch wenn er im Stil längst veralteter Manager agiert, ist es ihm zuzutrauen, Antworten darauf zu finden, wie moderne Mobilität von morgen ausschaut. Wie sagt ein Vertrauter über ihn: "Er gewinnt immer."
2010
Ferdinand Piëch verkündete, seiner Frau Ursula sein industrielles Erbe übergeben zu wollen. Piëch war mit sieben Prozent an Porsche beteiligt und mit zehn an der Porsche Holding, die wiederum die Mehrheit an Porsche und VW hält. Die Privatstiftungen "Ferdinand Alpha" und "Ferdinand Beta" verwalten sein Vermögen, das nach seinem Tod auf seine Frau vererbt wird.
2015 Abgang
Am 10. April 2015 meldete das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", dass der VW-Patriarch und Aufsichtsratsboss Ferdinand Piëch völlig überraschend von Vorstandschef Martin Winterkorn abrückt. Er sagt dem "Spiegel" über seinen beruflichen Ziehsohn diesen einen Satz: "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn." Die Aussage versetzt den Wolfsburger Weltkonzern in Schockstarre.
Wer die Sprengkraft des "Distanz"-Zitats verstehen wollte, musste wissen, dass Piëch fast ein Vierteljahrhundert lang das Machtzentrum des Konzerns bildete. Er war selber VW-Großaktionär, führte den Konzernvorstand von 1993 bis 2002, lenkte zuvor als Audi-Chef die Premiummarke der Wolfsburger. Und nach seiner Zeit als Konzernchef wechselte er als Chefaufseher in den Aufsichtsrat.
Und nun brach Piëch mit seinem beruflichen Ziehsohn. In Wolfsburg überlegten Insider, ob Winterkorn hinschmeißt. "Dann würden sie ihm hier ein Denkmal bauen", sagte einer. Trotz, Wut, Fassungslosigkeit, Irritation, Verunsicherung - Wolfsburger Melange in diesen Tagen. Denn in all den vielen Jahren zuvor förderte Piëch seinen Vertrauten.
Das Tandem führte den einst angeschlagenen Konzern gen Weltspitze, machte aus einem Übernahmekandidaten den heutzutage größten deutschen Konzern, der zuletzt 18 Milliarden Euro Betriebsgewinn einfuhr - eine eigene Liga im Dax. Weltweit verkauft nur noch Toyota mehr Fahrzeuge als das Unternehmen VW, das zwölf Marken unter seinem Dach versammelt hat. Winterkorn habe Tausende Arbeitnehmer "reich und glücklich gemacht", sagt einer in jenen ersten Tagen der Konfusion. Ein anderer kann nur den Kopf schütteln über das "Orakel" Piëch.
Auch in der Öffentlichkeit stand Winterkorn nicht allein da. Schon am Wochenende konnte er sich vor Rückendeckung kaum retten, Arbeitnehmer und das Land Niedersachsen als Großaktionär stellten sich hinter den VW-Chef. Auch Piëch-Cousin Wolfgang Porsche, Sprecher seines Familien-Zweigs, kritisierte die Attacke als "Privatmeinung". Doch was waren die Beistandsbekundungen hinter verschlossenen Türen wert?
In der Autowelt wusste jeder: Der Machtmensch Piëch hatte schon viele Top-Manager, auch Vorstandschefs, mit solchen kurzen Sätzen über die Medien angezählt. Am Ende mussten sie alle gehen, Piëch entschied noch jeden Machtkampf für sich. In seiner Autobiografie schreibt er: "Wenn ich etwas erreichen will, gehe ich auf das Problem zu und ziehe es durch, ohne zu merken, was um mich herum stattfindet." Er plane für die "innere Unvermeidlichkeit des Erfolges" stets genau, "auf welche Schlüsselperson ich den Schlachtplan einrichte". Nun also im Fokus: Martin Winterkorn, 67 Jahre, Deutschlands bestbezahlter Dax-Manager und mächtigster Auto-Boss. Er war der härteste Gegner, den Piëch sich suchen konnte. Ein Endgegner?
Dessen Bilanz nach über acht Jahren an der Konzernspitze liest sich beeindruckend: In der Ära Winterkorns, der seine Macht von Piëch nur geliehen hat, legten die Auslieferungen um 64 Prozent zu, der Umsatz um 86 Prozent, das operative Ergebnis vervierfachte sich. Bei seinem Amtsantritt 2007 zählte der Konzern 329 000 Mitarbeiter. Heute sind es auch dank vier neuer Marken mit fast 600 000 Menschen beinahe doppelt so viele. Für sie sind es Tage des Kopfschüttelns und der Unsicherheit. "Was treiben die da oben bloß?"
Offiziell passierte tagelang nichts, doch im Hintergrund glühten die Drähte. Dann sickerte durch: Am Donnerstag, sechs Tage nach Winterkorns öffentlicher Demontage, wollten sich die mächtigsten Aufsichtsräte mit Piëch zusammensetzen. In dessen Heimat Salzburg traf sich dieses Präsidium am Nachmittag des 16. April zur Krisensitzung. Auch Winterkorn flog mit nach Österreich, wollte dort um seine berufliche Zukunft kämpfen.
Hinter verschlossenen Türen machte Piëch nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur klar, dass er den Vorstandsboss absetzen will. Doch in dem Sextett hatte er alle gegen sich. 5:1 stand es am Ende. Piëch habe inhaltlich nicht überzeugen können, verlautete später aus dem Sechserkreis. Seine erste Niederlage in einem Machtkampf? Am Abend rätselte die Öffentlichkeit noch, erst für den nächsten Tag wurde eine Mitteilung angekündigt. Parallel saß Winterkorn wieder in Wolfsburg, schaute ein Fußballspiel des VfL gegen Neapel. Neben ihm: der oberste Betriebsrat Bernd Osterloh.
Was dieses Bild schon andeutete, bestätigte VW am nächsten Tag: Winterkorn hatte Piëchs Machtprobe überlebt, wurde vom Präsidium als der "bestmögliche" VW-Chef gepriesen. Es war mehr als eine Ehrenrettung für Winterkorn. Ausgerechnet an Piëchs 78. Geburtstag, am 17. April, wurde dem Vorstandschef sogar eine Vertragsverlängerung über 2016 hinaus in Aussicht gestellt.
Doch was war mit Piëch? Von dem Patriarchen gab es kein Wort der Versöhnung. Die Gründe für seine Attacke? Weiter unklar. Zwar hatte der Autobauer Probleme in den USA und die Kernmarke VW-Pkw rund um Golf und Passat fuhr zu schmale Renditen ein. Die Herausforderungen waren auch so groß wie nie: Alternative Antriebe, strikte Abgas-Vorgaben und der digitale Wandel hin zur vernetzten Mobilität. Doch entstand der Bruch zwischen Winterkorn und Piëch tatsächlich an diesen Themen?
Die Welt wollte Antworten von einem der beiden - und blickte nach Shanghai. Dort sollte Winterkorn zwei Tage später am Sonntag zur Automesse auf dem wichtigsten VW-Markt auftreten. Vor den Messen lädt VW Hunderte Gäste zu riesigen Partys mit Lasershow und glänzenden Autos, am Ende hält Winterkorn immer eine Rede. Doch dieses Mal nicht. Grippaler Infekt, hieß es aus Wolfsburg, der Chef sei gar nicht erst nach Asien geflogen. Bei so einem Timing fiel es nicht schwer, sich auch andere Gründe für die Absage auszudenken.
VW wollte indes zurück zur Tagesordnung, Normalität demonstrieren. Doch es nützte nichts. Weil Piëch weiter schwieg, schossen sich am Wochenende erste Medien auf den Patriarchen ein, spekulierten über seine Entmachtung. Nun mussten die Winterkorn-Verteidiger sich auch hinter Piëch stellen. Einen Abgang des VW-Übervaters konnte niemand gebrauchen. Doch die Dynamik war längst entfesselt.
Am 22. April spran g sogar Altkanzler Gerhard Schröder dem Patriarchen zur Seite, der "unermesslich viel getan" habe für den Konzern. Doch schon am folgenden Donnerstag überschlugen sich die Ereignisse: Nach übereinstimmenden Informationen des NDR, der "Welt" und der dpa unterlief Piëch den Präsidiums-Beschluss, sägte hinter den Kulissen weiter an Winterkorns Stuhl, damit der noch vor der Hauptversammlung am 5. Mai aus dem Amt scheidet.
Kurz nach den brisanten Insiderinformationen dementierte Piëch über verschiedene Medien und sagte: "Wir haben uns letzte Woche ausgesprochen. Und uns auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Ich betreibe die Ablösung von Martin Winterkorn nicht." Heute klingt es wie der letzte Versuch, nach verlorenem Kampf nicht reuig von der Bühne gescheucht zu werden.
Piëch war in der Defensive, als es am Samstag, dem 25. April, 15 Tage nach Beginn des Ausnahmezustandes zum Showdown kam. Um kurz vor 13:00 Uhr ging es los am Braunschweiger Flughafen. Mit dabei: Piëch, seine Ehefrau und Aufsichtsrätin Ursula sowie ein enger Berater. In einem Büro auf dem Airport-Gelände stieg die entscheidende Sitzung des Präsidiums. Stundenlang rangen die führenden Aufsichtsräte um Lösungen. Volkswagen stand an einem historischen Scheideweg.
27 Jahre lang wirkte Piëch als Vorstandschef (zunächst bei Audi und dann bei VW) und Chefkontrolleur im Konzern. Sein Wort war Gesetz. Manager sagen, die eigentliche Konzernzentrale sei Salzburg. Volkswagen ist Piëchs Lebenswerk. Porsche-Gründer Ferdinand Porsche war sein Großvater, er legte mit dem VW-Käfer die Keimzelle für den heutigen Weltkonzern VW.
Für Piëch hatte das Präsidium eine Brücke gebaut: Mit der Ehrenerklärung für Winterkorn und der parallelen Versicherung, die Doppelspitze mit Piëch sei noch immer ihr Wunsch, hatten die Aufsichtsräte dem Patriarchen ein Friedensangebot gemacht. Doch der riss die Brücke wieder ein. "Er oder ich" - nach diesem Prinzip handelte Piëch stets. Und so kam am Ende der Hammer: Der 78-Jährige schmiss sein Amt als Chefkontrolleur hin, auch seine Frau gab ihren Aufsichtsratsposten auf. "Vor Piëchs Entscheidung haben sicherlich alle den größten Respekt", sagte einer aus dem engsten Führungszirkel.
Die Fünf aus dem Präsidium konnten am Ende nicht anders, sie konnten keine Rücksicht mehr nehmen auf den Patriarchen. Damit hielten sie am Ende auch nach außen nicht mehr hinterm Berg. "Die Diskussion der vergangenen zwei Wochen ist schädlich gewesen für Volkswagen", sagte Niedersachsens Regierungschef Stefan Weil (SPD) am Samstagabend. Und Aufsichtsratsvize Berthold Huber, der kommissarisch Piëchs Amt führte, beschrieb den Vertrauensverlust zum Patriarchen als endgültig, er habe "sich in den letzten Tagen als nicht mehr lösbar erwiesen"[3].
Am Ende blieb tragische Ironie: Zwei Wochen nach Piëchs Zitat "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn" war es schließlich der Konzern und damit das Lebenswerk des Patriarchen, das auf Distanz zu Piëch war.
Mit dem Verkauf eines Großteils seiner Stammaktien besiegelte er im März 2017 seinen Ausstieg aus dem Volkswagen-Imperium.
2017: 80 Jahre
Der in Salzburg wohnende Ferdinand Piëch feierte 2017 seinen 80. Geburtstag.
Der "Automanager des Jahrhunderts" war Geschichte bei Volkswagen - lange Zeit völlig unvorstellbar.
Den Ausbau des VW-Imperiums sah Piëch als eine Art Lebenswerk. Lange Zeit regierte er erfolgreich von seinem Wohnort Salzburg aus, er war die oberste Instanz, ein VW-"König". Der "Alte" wurde er genannt. Doch das Kapitel ist beendet, nach heftigen internen Machtkämpfen. Denn Piëch ist praktisch raus aus VW und der Dach-Holding Porsche SE. Er verkaufte den weitaus größten Teil (rund 14 Prozent) seines milliardenschweren Aktienpakets, vor allem an seinen jüngeren Bruder Hans Michel Piëch (75). Er ist der neue starke Mann im Familienclan.
Vor fünf Jahren war das noch ganz anders - als Ferdinand Piëch 75 wurde. 2012 war das, Volkswagen eilte von Rekord zu Rekord. Piëch feierte seinen Geburtstag als Firmenpatriarch mit vielen Gästen in einem Nobelhotel in Dresden. Wenig später, bei der Hauptversammlung, wurde seine Ehefrau Ursula in den VW-Aufsichtsrat gewählt, Piëch selbst vom Gremium für fünf weitere Jahre im Amt als Aufsichtsratschef bestätigt - VW als Dynastie. Und quasi als verspätetes Geburtstagsgeschenk übernimmt die VW-Tochter Audi den italienischen Motorradhersteller Ducati - ein lang gehegter Traum des früheren Audi-Chefs Piëch.
Sein Ziel war es immer, Volkswagen zur Nummer eins in der Welt machen - mit allem, was auf Straßen fährt, von Kleinwagen bis zum Laster. "Ich bin nicht gern Zweiter", sagte Piëch einmal in einem Interview. Er war der mächtigste Mann bei VW. Ein Kleinanleger brachte es bei einer Hauptversammlung auf den Punkt: "Göttervater". Vor dem Urteil des genialen Konstrukteurs mit Detailliebe zitterten die Ingenieure in Wolfsburg, so gehen die Legenden. Der als autoritär geltende Chef fackelte nicht lange, der Respekt vor ihm war groß. 1999 wählte ihn eine internationale Fachjury zum "Automanager des Jahrhunderts".
Mit einzelnen Sätzen machte Piëch Unternehmenspolitik und bestimmte die Schlagzeilen. Kurz vor Beginn der IAA 2009 zum Beispiel sagte er: "Zwölf ist eine gute Zahl." Damals zählte das VW-Imperium noch neun Marken - es dauerte nicht lange, dann waren es zwölf.
Das alles ist Geschichte. Das Verhältnis zwischen Piëch und den Spitzen bei VW und der Dach-Holding Porsche SE ist zerrüttet. Zum Geburtstag allerdings schlug VW versöhnliche Töne an. "Ferdinand Piëch hat das Automobil, unsere Industrie und den Volkswagen-Konzern in den vergangenen fünf Jahrzehnten maßgeblich geprägt", sagte ein VW-Sprecher. "Sein Lebenswerk ist gekennzeichnet von mutigem Unternehmertum und technologischer Innovationskraft. Volkswagen und der Automobilstandort Deutschland haben ihm viel zu verdanken."
Und VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh sagte: "Ferdinand Piëch war als Vorstandsvorsitzender der richtige Mann zur richtigen Zeit." Sein Fokus auf Technik und Qualität habe die Marke Volkswagen enorm nach vorne gebracht. Mit der Unterstützung der vier-Tage-Woche zu seiner Zeit als Vorstandschef habe er sich große Verdienste um den Erhalt zehntausender Arbeitsplätze erworben. "Kurz: Ferdinand Piëch hat sich große Verdienste um Volkswagen erworben. Das gilt auch, wenn ich mich manchmal über ihn ärgere."
Ferdinand Piëch als Machtzentrum aber ist weg. Und damit auch seine Führungskultur. Als Miteigentümer habe er "in einer eigenen Welt" gelebt, so hört man es nun aus dem Konzern. Das kann man nicht verstehen ohne seinen Lebensweg. Sein Großvater ist Ferdinand Porsche, Begründer der Dynastie, legendärer Autokonstrukteur, maßgeblich an der Entwicklung des VW-"Käfer" beteiligt.
1937 wird Piëch in Wien geboren, als Kind des Anwalts Anton Piëch und dessen Frau Louise, Tochter von Ferdinand Porsche. Nach dem Besuch eines Schweizer Internats studiert er Maschinenbau, seine Diplomarbeit schreibt er über die Entwicklung eines Formel-1-Motors.
1963 beginnt seine Karriere bei Porsche, er wechselt später zur jetzigen VW-Tochter Audi. Dort wird er 1988 Vorstandschef. Der Aufstieg von Audi zum Oberklasse-Anbieter und Innovationstreiber im VW-Konzern ist ohne Piëchs Beteiligung kaum vorstellbar. Er schob den Fünf-Zylinder-Ottomotor und neue Leichtbauverfahren an.
1993 übernimmt Piëch als Vorstandschef VW, inmitten einer schweren Krise. Massenentlassungen drohen. Diese wendet der von Piëch eingestellte Personalvorstand Peter Hartz zusammen mit Betriebsrat und Gewerkschaft ab - unter anderem durch die Einführung der Vier-Tage-Woche, die erst Ende 2006 wieder gekippt wurde. Piëch bringt VW wieder auf Kurs - aber auch mit Hilfe des umstrittenen "Kostenkillers" Jose Ignacio Lopez. 2002 wechselt Piëch an die Spitze des Aufsichtsrats.
Von dort aus regiert er VW, doch 2015 kommt es zum Bruch. Auslöser ist ein mittlerweile legendäres Zitat Piëchs im "Spiegel": "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn" - dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn, seinem "Ziehsohn".
Über die Motive wird bis heute gerätselt. Eine Erklärung: Piëch wollte seine 19 Jahre jüngere Ehefrau Ursula als Nachfolgerin an der Spitze des Aufsichtsrats durchsetzen, Winterkorn aber wollte damals selbst diesen zentralen Posten. Es halten sich aber auch Gerüchte, Piëch sei höchst unzufrieden mit der Entwicklung von VW in den USA gewesen - auch vor dem Hintergrund der später bekannt gewordenen Diesel-Probleme.
Es folgt ein beispielloser Machtkampf. Eine Allianz aus Land, Betriebsrat und überraschend auch Piëchs Cousin Wolfgang Porsche stützt am Ende Winterkorn. Piëch tritt als Aufsichtsratsvorsitzender zurück. Seinen mehr oder weniger erzwungenen Abgang hat Piëch bis heute nicht verwunden, er sei nachtragend, so hört man aus seinem Umfeld.
Piëch kann aber immer noch Fäden spinnen. Er will bereits im Frühjahr 2015, und damit weit vor dem öffentlichen Bekanntwerden der Diesel-Manipulationen im Herbst - auf die Probleme hingewiesen haben. Und dies auch dem innersten VW-Machtzirkel mitgeteilt haben, dem Präsidium des Aufsichtsrats mit Leuten wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Betriebsratschef Osterloh. Diese weisen die Anschuldigungen scharf zurück. Weil warf Piëch vor, "fake news" zu verbreiten. Der VW-Vorstand prüft - immer noch - mögliche Schadenersatzansprüche gegen Piëch.
Wie aber geht es weiter bei VW - ohne Piëch? Nicht wenige in der Branche meinen: Sein Abgang kann Volkswagen gut tun. Denn die Autoindustrie befindet sich angesichts alternativer Antriebe und der Digitalisierung in einem grundlegenden Wandel. Andere Führungsmuster sind gefragt. VW-Chef Matthias Müller treibt einen "Kulturwandel" voran: weniger Zentralismus, mehr eigene Verantwortung für die Mitarbeiter, mehr interne Diskussionen.
Und die Familien Porsche und Piëch als Haupteigentümer von VW stehen vor einem Generationswechsel, eine jüngere, digital geprägte Generation kommt nach. Aber kann das riesige VW-Imperium mit mehr als 600 000 Beschäftigten weltweit dauerhaft Bestand haben, ist es überhaupt noch zu führen? "Volkswagen ohne Piëch ist wie Jugoslawien ohne Tito", zitierte kürzlich das "Handelsblatt" einen Insider - nach dem Tod Titos fiel das Staatengebilde in sich zusammen.
Quellen
- Salzburger Wirtschaft (Zeitung), 9. Jänner 2009
- Salzburger Nachrichten, Karin Zauner, 24. Dezember 2009 und 17. April 2017
- www.cicero.de
- Salzburger Landeskorrespondenz vom 27. August 2019
- www.n-tv.de, vom Tod
Einzelnachweise
- ↑ Quelle www.focus.de, abgefragt am 26. August 2019
- ↑ Quelle Parte in den Salzburger Nachrichten vom 31. August 2019.
- ↑ "Salzburger Nachrichten", 26. April 2015, online