Abstürze amerikanischer Bomber im Pinzgau 1944

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Die Abstürze zweier amerikanischer Bomber im Pinzgau ereigneten sich am 16. November 1944.

Einleitung

Noch immer liegen einige Wrackteile zweier amerikanischer Bomber vom Typ B-24 Liberator aus dem Zweiten Weltkrieg in den Pinzgauer Bergen. Beide Flugzeuge waren am selben Tag abgestürzt, das eine am Hundshorn in Lofer, das andere auf der Schwalbenwand in Saalfelden am Steinernen Meer.

Gendarmerieberichte

Posten Lofer, 16. November 1944

Im "Kleinen Tal" der Scheffsnother Alm südlich des Großen Hundshorns ist in ca. 1 300 m Höhe ein amerikanisches viermotoriges Bombenflugzeug vermutlich wegen Motordefekt an eine Felswand geprallt und abgestürzt. Durch Bombenexplosion und Feuer wurde es völlig zertrümmert. Aus diesem Flugzeug ist im Luftraum über dem Hirschbichl der amerikanische Fliegersoldat Harvey D. Wright, Erk.Nr. C-694997 T4344 infolge Nichtöffnens des Fallschirmes tödlich abgestürzt.

Posten Saalfelden, 16. November 1944

Gegen 14 Uhr überflogen eine größere Anzahl feindlicher Flugzeuge aus Bayern kommend den Ort Saalfelden. Ein viermotoriger Bomber stürzte auf der so genannten Schwalbenwand, ca. 1 000 m südöstlich oberhalb der Ortschaft Gerling (Saalfelden am Steinernen Meer) ab. Die Besatzung ist schon in der Gegend von Saalbach und Maishofen ausgestiegen. Das Flugzeug wurde von der Wehrmacht bewacht.

Historischer Hintergrund

Ab dem Oktober 1943 flogen die amerikanischen Luftstreitkräfte (15. USAAF) von ihren Stützpunkten in Süditalien im Raum Foggia fast Tag für Tag mit Hunderten von Bombenflugzeugen Einsätze gegen Ziele im Großdeutschen Reich und Südosteuropa. Ihr Auftrag bestand in der Bombardierung und Zerstörung von militärischen Anlagen, Produktionsstätten, Versorgungseinrichtungen und Verkehrswegen. Bevorzugte Objekte waren Flugfelder, Eisenbahnlinien und Bahnhöfe, Fabriken und Raffinerien.

In dichten Schwärmen tauchten sie vormittags über dem Alpenhauptkamm auf und zogen brummend und weitestgehend unbehindert über die Täler in Richtung Norden. Von ihren Einsätzen zurückkehrend überflogen sie am frühen Nachmittag erneut den Pinzgau.

Gerüchte

Noch 60 Jahre später kursierten nur vage Gerüchte über die tatsächlichen Ereignisse. Die Bauern rund um Lofer berichteten hinter vorgehaltener Hand von drei toten amerikanischen Soldaten und Leichenfledderei.

In Saalfelden konnte man erfahren, ein Bauer hätte zwei mit dem Fallschirm auf seinem Feld gelandete amerikanische Soldaten mit einer Heugabel erstochen.

MACR

Über jeden Verlust eines Flugzeuges erstellten die US-Luftstreitkräfte einen genormten Bericht, genannt Missing Air Crew Report, abgekürzt MACR. Diesen MACR zufolge verlor die US-Air Force alleine am 16. November 1944 unter Berücksichtigung aller Kriegsschauplätze 35 Maschinen.

Die Soldaten der Besatzung sind darin namentlich mit ihren Personaldaten festgehalten, ebenso die Anschriften ihrer nächsten Verwandten. Weiters enthält jeder MACR Angaben über Typ, Anzahl sowie Seriennummern der Motoren und der Bewaffnung.

In unseren beiden Fällen waren die Flugzeuge standardmäßig mit vier Doppelsternmotoren mit je 14 Zylindern und einer Leistung von 1.200 PS je Motor versehen sowie mit 10 überschweren Maschinengewehren vom Typ Browning Kaliber 50 (12,7mm) bewaffnet. Die Besatzung bestand pro Maschine aus 10 Soldaten.

MACR Nr. 9856

Vermisst wird das Bombenflugzeug vom Typ B-24-J mit der Seriennummer 42-51842. Es gehörte zur 15. US-Luftarmee, 465. Bombergruppe, 783. Geschwader. Am 16. November ist es von der Luftwaffenbasis Pantanella, nahe Foggia in Süditalien, zu einem Bombeneinsatz mit dem Ziel München/Munitionsfabrik gestartet. Der Himmel war bewölkt. Über Funk wurden Probleme mit Motor Nr. 3 auf Grund eines Treffers durch Flak gemeldet. Zuletzt wurde die Maschine um 13:05 Uhr über den Deutschen Alpen gesehen. Sergeant Oscar Baumgardner beobachtete den Absturz im Bereich der Scheffsnother Alm, 3 Meilen südöstlich von Lofer; 8 Soldaten sprangen mit dem Fallschirm ab. Die 10 Männer der Besatzung sind MIA (Missed In Action), – im Einsatz vermisst.

MACR Nr. 9853

Vermisst wird das Bombenflugzeug vom Typ B-24-J mit der Seriennummer 44-41084. Es gehörte zur 15. US-Luftarmee, 464. Bombergruppe, 778. Geschwader. Am 16. November ist es von der Luftwaffenbasis Pantanella, nahe Foggia in Süditalien, zu einem Bombeneinsatz mit dem Ziel München/Verschiebebahnhof gestartet. Der Himmel war bewölkt, die Sicht betrug 20 Meilen. Zuletzt wurde die Maschine um 12:44 Uhr im Raum Ammergau/Deutschland gesehen. Die Maschine verlor ständig an Höhe und scherte aus der Formation aus. Die Umstände des Verlustes sind unbekannt. Die 10 Männer der Besatzung sind MIA (Missed In Action), – im Einsatz vermisst.

Berichte von Besatzungsmitgliedern

Sergeant Louis Rebottaro

Louis Rebottaro aus Tecumseh im US-Bundesstaat Michigan war Bordschütze des am Hundshorn abgestürzten Flugzeuges. 1995 verfasste er folgenden Bericht:

Mit 17 Jahren meldete ich mich von der Schulbank meines Gymnasiums weg freiwillig zum Kriegsdienst. Mein Vater verweigerte mir aber seine Zustimmung, sodass ich erst während meines letzten Schuljahres im Alter von 18 Jahren zu den Luftstreitkräften einberufen wurde.

Bei der Musterung brachte ich meinen Wunsch vor, Flugzeugpilot zu werden. Zwar bestand ich die dazu erforderliche Aufnahmeprüfung, jedoch hatte man damals keinen Mangel an Piloten und so wurde ich zum Bordschützen eines B-24 Liberator Bombenflugzeuges ausgebildet.

Im Oktober 1944 wurde mein Verband nach Süditalien verlegt, von wo aus die Bombereinsätze gegen das Großdeutsche Reich geflogen wurden. Mein Kriegsdienst dauerte nicht länger als drei Wochen, denn schon bei meinem dritten Feindflug wurden wir abgeschossen.

Am 16. November 1944, nur wenige Tage nach meinem 19. Geburtstag, bombardierten wir eine Munitionsfabrik in München. Während des Rückfluges über die Alpen erhielten wir einen Flaktreffer, woraufhin unser Flugzeug außer Kontrolle geriet. Den Abschuss habe ich erst bewusst zur Kenntnis genommen, als schon alles vorüber war. Es war so, als würde die ganze Welt sich zu drehen beginnen.

Mit Ausnahme des Piloten sprangen wir alle mit Fallschirmen ab. Der Pilot sprang als letzter ab, doch war das Flugzeug dann schon so nah über Grund, dass sich sein Fallschirm nicht mehr öffnete. Unser Flugzeug krachte in eine Felswand und explodierte.

Am Boden wurden wir von deutschen Gendarmen aufgegriffen und gefangen genommen. Wir erfuhren, dass unser Flugzeug an einem Berg zerschellt und der Pilot dabei getötet worden war. Als Beweis zeigten uns die Deutschen seine blutige Uniform.

Mit Zwischenstationen in Salzburg und Frankfurt am Main wurden wir in ein Kriegsgefangenenlager in Polen überstellt, von wo man uns bald wegen der nahenden Russen nach Berlin verlegte. Zu Beginn des Mai 1945 befreiten die Russen unser Lager.

Leutnant Luke L. McLaurine, Jr.

Luke McLaurine aus Memphis im US-Bundesstaat Tennessee war Bombenschütze des auf der Schwalbenwand abgestürzten Flugzeuges. 2007 verfasste er folgenden Bericht:

Am 16. November 1944, flogen wir einen Einsatz gegen die Eisenbahnhöfe im Süden Münchens. 24 Flugzeuge von unserer Basis in Gioia del Colle, nahe der Stadt Bari in Süditalien, nahmen daran teil. Um 2 Uhr morgens begannen wir mit unseren Vorbereitungen, um 8 Uhr starteten wir.

Das uns zugeteilte Flugzeug war eben erst aus den USA angekommen und hatte noch keinen Einsatz geflogen. Unser Pilot war Ralph Routon, John Fuhrman der Kopilot, Marlin Fuller der Navigator. Ich war der Bombenschütze, ein 19 Jahre junger Leutnant auf seinem 21. Einsatz.

Gegen Mittag – kurz vor dem Angriffziel München – bekam unser Flugzeug Motorprobleme, woraufhin wir aus dem Verband ausscherten, wendeten und versuchten zu unserer Basis in Italien zurückzukehren. Wir verloren ständig an Höhe und sanken schließlich von 3 000 m in eine Wolkenschicht auf etwa 1.500 m. Die Sicht war sehr schlecht und wir wussten, dass wir uns mitten in den Bergen befanden, wo wir ständig in der Gefahr schwebten an einen Hang zu prallen. Wir beschlossen, mit den Fallschirmen abzuspringen.

Ich sprang also ab und hing vielleicht 10 Sekunden lang am Fallschirm, als dieser sich schon in einem Baumwipfel an einem Berghang verfing. Mit dem Kopf voran stürzte ich in ein Schneefeld und blieb bewusstlos liegen. Nachdem ich wieder zu mir gekommen war, kroch ich auf allen Vieren aus dem Schnee.

Von weiter oben hörte ich die Stimmen des Piloten und des Kopiloten, die dem in einem Baum hängenden Navigator Anweisungen zuriefen. Es gelang ihm die Fallschirmgurte durchzuschneiden, woraufhin er 10 m tief zu Boden fiel. Der Aufprall nahm ihm den Atem, aber ansonsten war er wohlauf.

Auf einem Weg unterhalb unseres Landungsbereiches trafen wir auf zwei, ungefähr 12 Jahre alte Buben, die ein Gewehr bei sich hatten. Einer von ihnen rannte den Berg hinunter in den nächsten Ort und kam wenig später in Begleitung eines Soldaten zurück, der mit einem wesentlich größeren Gewehr bewaffnet war.

Wir vier wurden in das Dorf geführt und dort in ein Gefängnis gesperrt. Noch am selben Abend steckte man unsere anderen sechs Kameraden zu uns.

Zwei Tage später wurden wir auf einem Lastwagen nach München gefahren und von dort mit der Eisenbahn nach Frankfurt am Main überstellt, wo in der Zentrale der Deutschen Luftwaffe wir Offiziere von den gewöhnlichen Soldaten getrennt und einem Verhör unterzogen wurden. Der die Befragung leitende Offizier begrüßte mich mit den Worten: "Wie geht es Ed?" – "Welchem Ed?", fragte ich ahnungslos zurück. - "Ed Crump!" sagte er. Ed Crump war damals in meiner Heimatstadt Memphis der führende und Ton angebende Politiker. Der deutsche Offizier wusste offensichtlich schon eine Menge über mich und meine Herkunft. Ich verbrachte dort zehn Tage.

Am 22. November 1944, dem Tag des Erntedankfestes, erhielten meine Eltern in Memphis die Mitteilung, dass ich von einem Einsatz nicht mehr zurückgekommen und vermisst war.

Von Frankfurt brachte man uns vier Offiziere in ein Lager des Internationalen Roten Kreuzes. Dort wurden wir neu eingekleidet und ich traf auf einen Freund aus Memphis. Wir waren in derselben Pfadfindergruppe aufgewachsen und hatten nur ein paar Häuserblocks voneinander entfernt gewohnt. Ungefähr eine Woche lang hielt ich mich dort auf.

Kurz vor Weihnachten verlegte man uns im Eisenbahntransport in das Stammlager Luft 3 in Zagan, Polen. Ich erhielt die Nummer 8970 und ein Bett in einem Raum, der mit insgesamt 12 Gefangenen belegt war: 1 Belgier, 5 Amerikaner und 6 Briten waren darin bereits untergebracht. Einer der 6 Briten war ein 70 Jahre alter Offizier, der auf Kreta in Gefangenschaft geraten war.

Lauter Kanonendonner verriet uns, dass die Russen bereits sehr nahe sein mussten. Eines Nachts im Februar wurde das Lager aufgelöst. Zehn Tage lang marschierten die wahrscheinlich mehr als 9 000 Gefangenen nach Spremberg in der Niederlausitz. Es war bitter kalt. Geschlafen wurde zumeist in Scheunen oder im Straßengraben. Noch immer erinnere ich mich an die wohltuende Wärme einer Glasfabrik, in der viele von uns einmal übernachten durften.

Von Spremberg fuhr man uns in Kastenwagen weiter. 2 000 Mann kamen in das Stammlager 13 bei Nürnberg, 7 000 in das Stammlager 7A in Moosberg, Bayern. Ich war bei jenen in Nürnberg. Anfang April wurde auch dieses Lager aufgelöst und marschierten wir ebenfalls nach Moosberg. Am 29. April fanden über dem und rund um das Lager Kämpfe zwischen 3. US-Armee und deutschen Panzern statt. Wenig später wurden wir befreit. Man flog uns nach Le Havre, von wo wir auf Schiffen zurück in die USA gebracht wurden. Der beliebteste Spruch unserer Flugzeugmannschaft lautete: "Ich bin kein Kämpfer, ich liebe die Frauen."

Quelle