Poller
Am 21. Juni 2010 wurden insgesamt 36 Poller an 14 Einfahrten zur Salzburger Fußgängerzone in Betrieb genommen, um nicht berechtigten Autofahrern die Zufahrt nun effizient zu verwehren.
Entstehung
Seit Jahren wurde in der Stadt Salzburg eine Diskussion über die Überwachung der Einhaltung des Park- und Einfahrtverbots in der Fußgängerzone geführt. Da gab es Unbelehrbare, die mit ihrem Luxusauto bis buchstäblich vor die Terrasse des Café Tomasellis fuhren, um Kaffee zu trinken, Parkende in der Sigmund-Haffner-Gasse und Eilige, die vom Sigmundstor an den Salzburger Festspielhäusern einfach durch die Altstadt an den Rudolfskai fuhren, um dem stockenden Verkehr auszuweichen.
Dann entschloss sich der Magistrat, versenkbare Poller zu installieren. 612.000 Euro kostete die Errichtung der 36 Poller, die mittels Fernbedienung ein- und ausgefahren werden können. Verantwortlicher Projektleiter beim Magistrat ist Christian Morgner.
Geplant war eine Investition von rund 610.000 Euro. Diese Summe hat sich jedoch mittlerweile deutlich erhöht, da Nachrüstungen wie Warnschilder u.a. notwendig wurden.
Pro und Contra
Hr. Stierle von der Buchhandlung Stierle, Ecke Mozartplatz/Kaigasse, monierte, dass nun seine Kunden nicht mehr vor seinem Geschäft parken könnten, um sich ein Buch zu kaufen, die Besitzerin des Altstadthotels Weiße Taube sagte ein (ihr) Hotelsterben voraus, da kein Gast gewillt sei, 100 Meter zu Fuß zu gehen; und auch andere Unternehmen witterten "massive Umsatzeinbrüche, wenn die Kunden nicht mehr mit dem Auto in die Kaigasse fahren dürfen"; die Überwachung durch Polizisten an den Einfahrtsstellen wäre effektiver und günstiger, so eine weitere Argumentation der Gegner der Poller.
Auf der anderen Seite sprachen sich angesiedelte Unternehmen für eine "echte" Fußgängerzone aus, da so ihre Gäste z.B. in den bisher von mehr oder weniger starkem Verkehr umtosten "Schanigärten" mehr Ruhe hätten und dadurch mehr konsumierten. Unterstrichen wurde diese These durch die positiven Erfahrungen des jährlichen Kaiviertelfestes, während dessen Dauer tatsächlich (fast) kein Verkehr durch die Kaigasse rollt. Eine Überwachung durch die Polizei hätte den Nachteil, dass diese nicht zeitlich lückenlos erfolgen könne und in dem Moment, in dem der Beamte den Platz räumte, führen die Fahrzeuge wieder ohne Kontrolle ein.
Ergebnis
Mit Juni 2010 sollte nun damit Schluss sein. Wer nach 11 Uhr, dem Zeitpunkt, zu dem die Poller automatisch in die Höhe fahren, in der Innenstadt wäre, müsse mit einem Strafmandat von € 100.--, bei Wiederholung bis € 335.--, rechnen. Um eine Versorgung der Unternehmen sowie das Parken für Altstadtbewohner zu ermöglichen, hat das Magistrat 2.500 Ausnahmegenehmigungen und 2.700 Fernbedienungen für die Poller ausgegeben.
Der Start am 21. Juni erfolgte mehr oder weniger problemlos. Ein Lieferwagen einer auswärtigen Firma, der von der neuen Regelung nichts wusste, musste erfolglos bei der Einfahrt in die Linzer Gasse, Ecke Wolf-Dietrich-Straße umdrehen. Zwar verursachte er dadurch laut Aussage eines Unternehmers an dieser Ecke, Lärm und Abgase, aber es wird wohl in Summe immer noch weniger sein, als jene Fahrzeuge ...die im Sommer in die Linzer Gasse einfahren, ihren Irrtum bemerken, umdrehen und dadurch ein Verkehrschaos auslösen.... Eine Autofahrerin schien sich hinter ein Fahrzeug anhängen zu wollen, das mittels Fernbedienung einen Poller senken konnte. Allerdings, als sie über den Poller fuhr, hob sich dieser gerade wieder und beschädigte ihren Pkw.
Skurrile Zwischenfälle
In den ersten Wochen konnte man fast täglich in den Medien von neuen Zwischenfällen bei Pollern erfahren. Alle Zusammenstöße waren auf falsches Verhalten der Autofahrer zurück zu führen. "Man muss sich wirklich fragen, wo einige Leute ihren Führerschein gemacht haben" meinte der im Magistrat Salzburg für die Poller zuständige Koordinator Christian Morgner nach einer Serie von sechs Zwischenfällen allein am Montag, 5. Juli 2010, in einem Gespräch mit den Salzburger Nachrichten (Ausgabe 6. Juli 2010).
Da fuhr ein Autofahrer zwar mit Berechtigung ein, vergaß aber nach Eingabe des Codes an der Pollereinfahrt seine Autotüre zu schließen. Prompt rammte er damit den als Fahrbahnteiler plazierten Waschbetontrog. Ein anderer Verkehrsteilnehmer wähnte sich wohl als Lieferant, als er bei gesenktem Poller einfuhr, nicht daran denkend, dass bei der Ausfahrt dieser schon geschlossen sein könnte. So war es. Also fuhr er flugs hinter einem berechtigen Fahrzeug aus mit dem Pech, auf dem wieder ausfahrenden Poller fest zu sitzen (erheblicher Sachschaden am Auto). Nachdem Tage zuvor einer Autofahrerin die Fahrerflucht nach einem Zusammenstoß mit einem Poller misslang (sie wurde dabei fotografiert), konnte am Montag, 5. Juli, ein Autofahrer (bislang) unbekannt nach einer Pollerbeschädigung entkommen.
Ende August rammte ein Autofahrer die Beton-Blumentröge neben einer Poller-Einfahrt, um sich unberechtigte Zufahrt in die Altstadt zu verschaffen.
Fahrerflucht
Im Oktober 2010 häuften sich Unfälle mit Pollern, bei denen die Autofahrer die Fahrerflucht ergriffen. Einige wurden trotzdem von Zeugen gemeldet, andere kommen um die kolportierten Kosten von rund 8.000 Euro bei Poller-Totalschaden herum (obwohl diese mittlerweile von Versicherungen akzeptiert wurden). Leo meinte dazu, "...Fahrerflucht? Wahrscheinlich ist es diesen Autofahrern so peinlich, dass sie unerkannt den Ort des Geschehens wieder verlassen möchten...".
Totalschaden an einem Jaguar
Der Jaguar der Salzburger Mäzenin und Unternehmerin Gertraud Ruckser-Giebisch wurde in der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 2010 von Unbekannten aufgebrochen und gestartet. Mit dem Fahrzeug, das in der Kaigasse geparkt war, versuchten die bisher unbekannten Täter an mehreren Ausfahrten über die Poller zu gelangen. Ob ein Diebstahl oder nur die Beschädigung geplant war, ist ebenfalls unbekannt.
Videokameras filmen Poller-Flüchtlinge
Nach 125 Unfällen bis Ende 2010 und davon 25, bei denen die Verursacher unerkannt das Weite gesucht hatten, entschloss sich die Stadt Salzburg, im Frühjahr 2011 um 40.000 Euro Videokameras zu installieren. Immerhin hatten die Fahrerflüchtigen einen Schaden von 60.000 Euro hinterlassen.
Mann wurde von Poller ausgehoben
Just in jenem Moment als ein Poller wieder seine 80 Zentimeter in die Höhe fuhr, ging ein 71-Jähriger Wiener Tourist darüber. Er wurde vom Poller in die Luft gehoben, stürzte und verletzte sich. Der Vorfall ereignete sich im Dezember 2010.
Zufahrtsgenehmigungen werden gefälscht
Wie tief der Stachel bei manchen Autofahrern sitzen muss, nicht mehr in gewohnt freier Art in die Innenstadt fahren können, zeigt sich auch darin, dass Zufahrtsgenehmigungen gefälscht werden. Diese werden dann zusammen mit von Freunden "ausgeliehenen" Fernbedienungen zur widerrechtlichen Einfahrt genutzt. Wer erwischt wird, wird allerdings angezeigt.
Umfrage der Salzburger Nachrichten August 2010
"Wie denken Sie generell über die Poller? Hat die Altstadt an Attraktivität gewonnen?"
| Zielgruppe | hat gewonnen | hat nicht gewonnen | weiß nicht |
|---|---|---|---|
| Touristen | |||
| Stadt Salzburger | |||
| Betriebe und Gastronomen |
Rückblick auf das erste Betriebsjahr
Es wurden 900.000 Durchfahrten und 196 Unfälle registriert. Für die Errichtung des Poller-Systems wurden 587.000 Euro investiert, für Nachbesserungen um 60.000 Euro stattete man die „Gefahrenbereiche“ mit Warnschildern, Haltelinien, Stopptafeln, Drehleuchten, Induktionsschleifen und Ampeln aus. Etwa 80 Prozent der 2010 passierten rund 125 Unfälle mit Pollern decken die Versicherungen ab. Einige Unfälle sind noch strittig. Bei der Stadtgemeinde werden 60.000 Euro als uneinbringliche Forderungen abgeschrieben, die rund 25 Fälle von Fahrerflucht verursacht haben.
Die positive Auswirkung der 14 versenkbaren und 22 fix installierten Poller: Die Fußgängerzone wird laut Planungsstadtrat Johann Padutsch (Bürgerliste) um „bis zu 900 Fahrten täglich“ entlastet.
Aufgrund der Anzahl und Kosten der Unfälle werden 2011 "stärkere" Poller angeschafft werden. Bis Jänner 2011 gab es folgende Fakten: Je 6.000 Durchfahrten geschah ein Unfall, was an und für sich nicht viel wäre. Aber Experten machten auf den extrem dichten Pollerverkehr, nämlich durchschnittlich 4.000 Ein- und Ausfahrten (hoch gerechnet also 750.000 Durchfahrten pro Jahr - und dies in einer Fußgängerzone einer UNESCO-geschützten Altstadt!). Da bei den meisten Unfällen auch die Hydraulik kaputt gegangen ist, die alleine 3.500 Euro kostet, musste jeweils der gesamte Poller ausgetauscht werden (8.000 Euro pro Poller). Nun arbeitet die Herstellerfirma Siemens an einer besseren Armierung der Poller.
Typisch salzburgerisch!
Frustration machte sich im Jänner 2011 beim Projektleiter Christian Morgner breit. Er hält in einem Interview mit den Salzburger Nachrichten, Ausgabe 19. Jänner 2011, fest ...dass die Unfälle nicht Schuld des Systems sind... und weiter "Das Problem sind die Autofahrer. Sie verhalten sich verkehrswidrig, wenn sie illegal in die Altstadt einfahren. Das ist, wie wenn jemand ein Rotlicht bei einem Bahnübergang ignoriert und drüberfährt. Da ist auch nicht das Rotlicht schuld, sondern der Autofahrer. Vor allem frustriert Morgner die Beharrlichkeit, mit der Unberechtigte in der linken Altstadt parken wollten. Dies sei wohl etwas speziell Salzburgerisches. Doch hält Morgner fest, dass er nichts bereue und es ein Erfolg sei, wenn es beispielsweise vor dem Café Tomaselli oder auf anderen Plätzen deutlich weniger Autos gäbe.
Künstlerische Verarbeitung
Die Poller inspirierten auch ein Poller-Lied.
Poller in anderen Gemeinden
Seit 1. Mai 2011 regeln Poller in der Marktgemeinde Mondsee (OÖ, Mondseer Land) die Zufahrt zum Marktplatz, der Teil einer neuen Fußgängerzone ist. Einsatzfahrzeuge und Ärzte haben Zufahrts-Codes, Hochzeitskutschen sowie "Hochzeitskonvois" können den Weg über die Herzog-Odilo-Straße und über die Seeallee über - dann ausnahmsweise - gesenkten Poller zur Basilika Mondsee nehmen.
Quellen
- Salzburger Nachrichten vom 21., 22. Juni, 6. Juli, 7. August, 1. September, 21. Oktober 2010, 19. Jänner, 17. und 18. Juni 2011 und 13. Jänner 2011 online
- Kronenzeitung, Salzburg-Krone, 27. Dezember 2010
- "Salzburger Woche", Ausgabe "Flachgauer Nachrichten", 5. Mai 2011