Hagenauer - der Triester Zweig
Dieser Artikel behandelt den Triester Zweig der Familie Hagenauer.
Einleitung
Ignaz Joachim von Hagenauer war im Auftrag seines Vaters (Johann Lorenz) von Salzburg nach Triest gereist, um dort eine Filiale des Salzburger Stammhauses zu gründen. Triest gehörte damals zu Österreich (1382 bis 1918 habsburgisch-österreichisch) und war dessen bedeutendster Handelshafen, einer der Stützpunkte der k.u.k. Kriegsmarine sowie Sitz des Statthalters des Österreichischen Küstenlandes. Ebenso war Triest eine reichsunmittelbare Stadt, also direkt und unmittelbar dem Kaiser untergeben. In Triest wurde das 1775 durch Ignaz Joachim von Hagenauer (Ignaz II.) gegründete Handelshaus von großem Erfolg bekrönt. Ignaz (II.) war auch in die 1773 gegründete Triester Freimaurer-Loge "la Concordia" eingetreten und baute die Geschäfte des Handelshauses vorerst erfolgreich aus. 1785 heiratete er Maria-Elisabeth von Thys (* 1760 in Lüttich) im Klagenfurter Dom. Elisabeth von Thys war die Tochter des Johann Reiner von Thys und der Catharina Theresia Coletta de Willems (Tochter des Bankiers Michael de Willems). Johann von Thys, ebenfalls ein Freimaurer, war ein belgischer Feintuchfabrikant aus Eupen (den damaligen Habsburgischen Niederlanden). Auf Grund eines von Königin Maria Theresia vergebenen günstigen Darlehens hatte er 1762 eine Filiale seiner belgischen Feintuchfabrik in Klagenfurt eröffnet, die erste Fabrik dieser Art in Österreich. Iganz (II.) von Hagenauer bekam in der napoleonischen Zeit finanzielle Schwierigkeiten mit seinem Handelshaus, von denen er sich aber wieder erholen sollte. Im Jahr 1814 gründete er zusammen mit vier Geschäftspartnern die Versicherungsgesellschaft "Assicuratori Marittimi" in Triest, deren Direktor er wurde. Diese Versicherungsgesellschaft ließ den Seehandel von Triest nach den Jahren der napoleonischen Krise wieder aufleben. Nach einigen wirtschaftlichen Rückschlägen wurde das Handelshaus der Hagenauer wieder zum "Ersten Haus in Triest". Elisabeth von Hagenauer schenkte ihrem Mann zehn Kinder, wobei nur vier der Kinder, Johann Lorenz (III.), Josef Paul, Maria Regina und Amelie, die Geburt überlebten. Josef Paul hatte später Maria Theresia Rovis geheiratet, Maria Regina den Gutsbesitzer und Gewerker (Bergwerk Misling) Franz Anton Bonazzi Edler von Bonazza, Amelie und Johann Lorenz sollten jedoch unverheiratet bleiben.
Die Söhne übernehmen das Unternehmen
Ignaz II. starb 1824 und so übernahmen das Triester Handelshaus (u. a. Triester Ostindien-Compagnie) seine zwei Söhne Johann Lorenz (III.) und Josef Paul, die das Unternehmen stetig erweiterten. Der ältere der beiden Brüder, Johann Lorenz III. de Hagenauer (auch Giovanni Hagenauer), wurde schließlich Präsident der österreichischen Lloyd (Lloyd Austriaco), die die größte Schifffahrts-Gesellschaft der österreichischen Monarchie mit ihrem Sitz in Triest war. 1848 wurde er Abgeordneter der konservativ-austroloyalen Partei in Triest (Partei Graf Stadion) sowie Vize-Präsident des ersten constituirenden österreichischen Reichstags. Der jüngere Bruder Josef Paul hatte 1832 gegen den Willen seiner Familie Maria Therese Rovis (die unter dem Namen ihrer Zieheltern Rovis aufgewachsen war) geheiratet und setzte mit ihr die Triester Linie fort. Maria Therese war keine geborene Rovis, sondern die illegitime Tochter des Grafen Johann Baptist Thurn-Hofer und Valsassina (Herr auf Schloß Duino) und der Gräfin Polyxena von Brigido. Obwohl die beiden 1814 (fünf Jahre nach der Geburt ihrer vorehelichen Tochter Therese) geheiratet hatten und Therese Zeit ihres Lebens unterstützen sollten, wurde sie dennoch nie als Gräfin Thurn-Hofer und Valsassina legitimiert. Therese von Hagenauer schenkte ihrem Mann drei Kinder, Ersilia Caecilia (* 1836 in Triest; † 1911 in Wien als Freifrau von Beck; Nachkommen sind die Freiherren von Allmayer-Beck), Camilla (* 1838 in Triest; † 1914 in Triest als Freifrau von Buchta) und Ignaz III. (* 1841 in Triest; † 1898 in Triest).
Joseph Paul starb aber bereits im Jahr 1851, 26 Jahre vor seinem älteren Bruder Johann Lorenz. So nahm Johann Lorenz III. die Familie seines verstorbenen Bruders Josef Paul in seinem Triester Schloss der "Villa Murat" auf, die ein ehemaliger Besitz des Königs von Neapel (Napoleons Schwager) war. Da Ignaz (III.) ja schon als Zehnjähriger seinen Vater verloren hatte, wurde er nun unter die strengen Fittiche seines Onkels Johann Lorenz (III.) genommen. Ignaz (III.) studierte Rechts-Wissenschaften und hatte während seiner Studentenzeit durch seinen "bourgeoisen Lebensstil" und Spielschulden ein beträchtliches Vermögen (mehrere Besitzungen) der sehr begüterten Triester Linie verloren. Als fertiger Jurist trat der "Pferdevernarrte" Ignaz III. auf den "ausdrücklichen Wunsch" seines Onkels Johann Lorenz III. in die österreichische k.k. Armee bei der Kavallerie ein und wurde Offizier. Die von seinem Onkel Johann Lorenz (III.) erhofften Veränderungen traten bei Ignaz aber auf Grund seiner skandalträchtigen Liaisons, Duell-Forderungen und erneuter Spielschulden vorerst nicht ein. Ignaz Schulden wurden durch den Verkauf von Immobilien und Kunstgegenständen beglichen, wobei Familien-Mitglieder aus Wien etliche Stücke erwarben. Schließlich wurde aber nicht mehr wie zuvor bei höchsten militärischen Stellen interveniert und Ignaz schied aus der Armee aus. Vielleicht nahm man auch Rücksicht auf die Karriere der beiden Schwäger von Ignaz, Anton von Beck und Heinrich von Buchta. Anton von Beck sollte später Hofrat und Direktor der k.u.k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien werden. Buchta (v. Buchtitz) machte hingegen Karriere bei der k.k. Kriegsmarine und wurde als k.k. Vizeadmiral Seebezirkskommandant von Triest.
Der unmittelbare Vorgesetzte des Vizeadmirals Freiherr von Buchta war der Marinekommandant und Chef der Marinesektion des k.u.k. Reichskriegs-Ministeriums, Admiral Freiherr von Spaun. Hermann Freiherr von Spaun war nicht nur mit der Triester Hagenauer-Linie befreundet sondern, und hier schließt sich wieder der Kreis, auch der Onkel von Simon (II.) Baron von Hagenauer aus der Wiener Linie (später Direktor einer Triester Versicherung). Der Sohn von Anton von Beck, der spätere österreichische Ministerpräsident Max Wladimir Freiherr von Beck, hatte sich 1872/73 während seines Freiwilligenjahres im k.u.k. Niederösterreichischen Dragoner-Regiment "Friedrich August König von Sachsen" Nr. 3 (3-er Dragoner) mit Simon Baron von Hagenauer sehr angefreundet, der mit ihm gleichzeitig seinen Präsenzdienst im selben Regiment in Wien ableistete.
Schließlich starb Johann Lorenz III. (eigentlich Johann Lorenz Demeter) von Hagenauer 1877 unverheiratet in Triest. Sein Neffe Ignaz (III.) hatte aber zu einem geordneten Leben zurückgefunden und 1888 in Triest die zwanzig Jahre jüngere Engländerin Ersila Barbara Richardson geheiratet, die ihm neben den beiden Töchtern später noch einen Sohn schenken sollte. Ignaz erwarb ein Reitgut, das er mit einer Reitschule für die höhere Triester Gesellschaft ausbaute. Auf diesem Gut wuchsen seine drei Kinder Wanda (*1885 in Triest, vermählt mit Caesar Caramelli), Ilda (*1887 in Triest, 1. Ehe mit Decius d´Elia, 2. Ehe mit Sig. Palumbo) und Pyrrhus (*1890 in Triest; †1961 in Cormons) auf. Jedoch starb Ignaz (III.) von Hagenauer bereits im Jahr 1898 auf seinem Reitgut in Triest.
Die Triester Linie um 1900
Um 1900 lebten gerade noch vier männliche Nachkommen aus dem Adelsgeschlecht der Hagenauer; drei in Wien und nur mehr einer in Triest. In Triest war dies der 1890 geborene Pyrrhus von Hagenauer, dessen Salzburger Urgroßvater Ignaz II. die Triester Linie begründet hatte. Pyrrhus wuchs am Reitgut seines Vaters Ignaz III. in Triest auf, wobei er im Alter von acht Jahren seinen Vater verloren hatte. Nach dem Gymnasium in Triest trat Pyrrhus, der die Leidenschaft seines Vaters für Pferde geerbt hatte, in die österreichische k.u.k. Armee bei der Kavallerie ein. Er galt seinerzeit als einer der besten und leidenschaftlichsten Reiter der Donaumonarchie und gewann viele Trophäen bei Military-Rennen und Reitturnieren. 1914 hatte Pyrrhus im Dom von Görz (Gorizia) die Älteste von drei Schwestern geheiratet, die aus Cormòns in Friaul stammende Baroness Carlotta Marie Locatelli (* 1889; † 1963), Tochter des George dei Locatelli Baron zu Eulenburg und Schönfeld und der Maria Henriette Gräfin von Boos zu Waldeck und Montfort. Die Locatelli waren ebenfalls ein sehr altes Geschlecht, das bereits 1229 ein Adelsdiplom von Kaiser Friedrich II. erhalten hatten und 1647 von Kaiser Ferdinand III. in den Freiherrenstand erhoben wurden. George dei Locatelli Baron zu Eulenburg und Schönfeld war damals der letzte männliche Spross dieses Geschlechts.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der späteren Beschlagnahme einiger Locatelli-Güter in Friaul durch die italienische Armee im Jahr 1916, war Carlotta mit ihren Eltern und beiden Schwestern auf das Salzburger Gut der Großeltern gezogen, der Grafen von Boos zu Waldeck und Montfort. Pyrrhus von Hagenauer wurde zu dieser Zeit in den "Ranglisten des kaiserlich und königlichen Heeres 1916" als Rittmeister im Dragonerregiment Nr. 5 genannt. Sein ältester Sohn, Georg VII. (Carlo Giorgio) von Hagenauer, kam 1917 in Salzburg (im Gegensatz zu seinen später geborenen Geschwistern) als österreichischer Staatsbürger auf die Welt. Pyrrhus selbst hatte aber nicht nur die Triester Linie der Hagenauer fortgesetzt, sondern auf Grund der Adoption durch seinen Schwiegervater Georg Nikolaus auch die Linie der Freiherren Locatelli von Eulenburg und Schönfeld. Da sein Adoptiv-Vater der letzte männliche Locatelli mit fünf Schwestern und drei Töchtern war, drohte die Linie der Barone Locatelli auszusterben und die Besitzungen der Locatellis auseinander zu brechen. George Nikolaus Freiherr Locatelli von Eulenburg und Schönfeld war Herr auf Cormons, Angoris, Villanuova, Borganano und Aquileja, in der Grafschaft Görz (Gorizia). Der durch Arrogation als Sohn angenommene Pyrrhus sollte im Jahr 1919 nun zum Haupterben dieser umfangreichen Locatelli-Besitzungen werden. Seine beiden Schwägerinnen Marie Valerie (* 1892) und Margherita Charlotte Marie (* 1897; † 1932) waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht vermählt. Die Jüngste, Margherite Charlotte Freiin von Locatelli, hatte erst im darauffolgenden Jahr (1920) Fortunat-Michael Graf von Wolkenstein Freiherr zu Rodenegg in Salzburg geheiratet, mit dem sie allerdings fünf Söhne haben sollte.
Das Locatellí-Weingut Angoris, das Kaiser Ferdinand III. 1644 dem Reichsfreiherren Oberst Johann Baptist Locatelli di Eulenberg e Schönfeld als Dank für seinen 18jährigen Militärdienst vermacht hatte, war mit seiner Villa ebenso wie der Stadtpalast in Cormons während des Ersten Weltkrieges von den italienischen Behörden 1916 beschlagnahmt worden. Das auf diesem Weingut stehende Schloss "Villa Angoris" (1735 erbaut) wurde für die Dauer des Krieges in ein Feldlazarett mit über 250 Betten umgewandelt und der Besitz erst im Juni 1919 zurückgegeben. Da Pyrrhus´ (Adoptiv-) Vater Georg Freiherr von Locatelli bereits im Februar 1919 in Salzburg gestorben war, erhielten die Besitzungen nun die Haupterben Pyrrhus und Carlotta, die für den Fortbestand der Linie durch ihren Sohn Georg VII. gesorgt hatten. Pyrrhus schied bald darauf aus der Armee aus, kümmerte sich um die Güter und baute das besonders herabgekommene Gut Angoris nach dem Krieg wieder auf.
1919 - Triest kommt endgültig zu Italien
Als das bereits seit 1918 zu Italien gehörende Triest im Jahr 1919 durch den Vertrag von Saint-Germain gemeinsam mit Istrien und Ostfriaul auch formell dem Königreich Italien zugesprochen wurde, waren die Besitzungen von Pyrrhus Barone dei Locatelli de Hagenauer nun automatisch italienisch geworden. Dem noch im ersten Welt-Krieg und in Salzburg 1917 geborenen Ältesten, Barone Carlo Giorgio, folgten die beiden jüngeren Geschwister, Baronessa Helene (* 1920; † 2014 in Cormons) und Barone Alexander (*1924). Diese wurden allerdings auf dem zurückerstatteten Weingut Angoris in Cormòns (Friaul) nun als italienische Staatsbürger geboren. Im September 1923 wurde die Villa Locatelli (neben der Kirche von San Giusto) in Cormòns an den Orden der "barmherzigen Brüder" (Fatebenefratelli) verkauft. Im selben Jahr erhielt Pyrrhus de Hagenauer durch die königliche Consulta Araldica per Dekret des Königreichs Italien die Anerkennung des italienischen Freiherrenstandes als titolo di barone del S.R.I. di Schönfeld ed Eulenburg. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hatte Pyrrhus das Gut Angoris aus Furcht einer möglichen erneuten Beschlagnahme der Güter (wie im Ersten Weltkrieg) bereits 1937 verkauft (Anm.: 1968 wurde das Gut Angoris von einer bürgerlichen namensgleichen Familie Locatelli aus Mailand erworben, die jedoch nicht mit der ursprünglichen Besitzerfamilie der Freiherren von Locatelli verwandt ist). 1942 starb jedoch der älteste Sohn von Pyrrhus, Barone Carlo Giorgio, im Alter von 25 Jahren an den Folgen einer schweren Lungenentzündung. Nach der Landung alliierter Truppen in Süditalien im Juli 1943 und der italienischen Kapitulation am 8. September durch König Viktor Emanuel III. wurde Norditalien von deutschen Truppen besetzt. Baron Pyrrhus war als Reservist und ehemaliger Kavallerie-Offizier der österreichischen k.u.k. Armee zur Wehrmacht eingezogen worden. 1944 hatte man "Rittmeister Pyrrhus Baron von Hagenauer" als Adjutant der Aufklärungsabteilung des Panzer-Regiments 33 eingesetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er Bankier und Verwalter der verbliebenen Besitzungen. Pyrrhus starb 1961 in Cormòns und sein jüngster Sohn Alexander Barone dei Locatelli de Hagenauer, der letzte lebende Hagenauer der italienischen Linie, heiratete im Jahr 1962 Gabriella Gräfin Barsotti Verzani da Verzano aus Lucca (Toskana, Italien). Alexander setzte durch die Adoption seines Stiefsohnes Georg Albert die Triester Linie der Hagenauer fort und starb im Jahr 1987. Heute leben die Nachkommen der Baroni dei Locatelli de Hagenauer in Florenz.
Quelle
- alle Quellenangaben siehe Hauptartikel Hagenauer