Pierer Mobility AG

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Begriffsklärung
Dieser Artikel informiert über die Zeit ab 1992 mit Stefan Pierer. Über das historische Motorenwerk KTM informiert der Artikel KTM-Motorfahrzeugbau KG, Kronreif & Trunkenpolz Mattighofen.
Übersicht über die Firmengruppe Pierer Industrie AG, zu der die KTM AG in der Pierer Mobility AG gehört. Stand Oktober 2024. In diesem Firmengeflecht ist die KTM AG nun in Konkurs. Die anderen Unternehmen sind davon nicht betroffen. Anmerkung: Die KTM Fahrräder gehören nicht zur KTM AG.

Die Pierer Mobility AG ist ein Unternehmen der "Pierer Industrie AG", zu der auch die KTM AG gehört, die im November 2024 ein Insolvenzverfahren einleiten musste. Zur besseren Übersicht wurden die Artikel der 1952 gegründeten KTM-Motorfahrzeugbau KG, Kronreif & Trunkenpolz Mattighofen und der aktuellen KTM-Gruppe getrennt.

Salzburgbezug

Grundsätzlich handelt es sich um die Firmengeschichte eines Unternehmens, das von einem Salzburger - Ernst Kronreif - und einem Mattighofener - Hans Trunkenpolz - gegründet wurde. Die Pierer Mobility AG hält aktuell (2024) 50 % an der Flachgauer Firma KISKA GmbH. Durch den Einstieg von Mark Mateschitz zusammen mit Stefan Pierer beim oberösterreichischen Feuerwehrausstatter Rosenbauer ergibt sich ein weiterer Salzburgbezug. Zu erwähnen wären noch Mitarbeiter im KTM-Werk in Mattighofen, die im Bundesland Salzburg leben.

20. Jahrhundert

1992 wurde das Unternehmen unter dem Sanierer Dipl.-Ing. Stefan Pierer neu strukturiert. 2008 war KTM der zweitgrößte Motorradhersteller Europas hinter BMW[1], nach 2012 für vier Jahre dann der größte europäische Motorradhersteller.[2]

21. Jahrhundert

2009 war KTM wegen Managementfehlern überschuldet und wurde vom Land Oberösterreich mit einer Bürgschaft von 33,6 Mio. Euro gestützt. Weiters bekam KTM 2009 eine Kurzarbeitsförderung in der Höhe von ca. 1,25 Mio. EUR.[3]

KTM Werk in Mattighofen

2024

Dramatische finanzielle Situation im Herbst 2024

2024 schlitterte KTM in eine Absatzkrise. Am 14. November 2024 wurde bekannt, dass 5 000 Beschäftigten am Standort Mattighofen von einschneidenden Maßnahmen betroffen sein werden. 300 Mitarbeiter in der Produktion wurden bis Jahresende gekündigt, womit sich der Personalabbau am Stammwerk von KTM seit Jahresbeginn auf über 1 000 summieren wird. Alle verbleibenden 4 700 Beschäftigten im Werk müssen im Jänner und Februar 2025 in Teilzeit. Sie arbeiten statt 38 nur 30 Wochenstunden, also über 20 Prozent weniger und bekommen entsprechend weniger Gehalt. 1 000 Mitarbeiter, die in der Produktion arbeiten, bleiben diese beiden Monate trotz Bezahlung Zuhause, denn die Produktion in diesen Monaten komplett gestoppt. Die anderen 3 700 Mitarbeiter sind in Verwaltung, Vertrieb sowie Forschung und Entwicklung tätig.

Am Dienstagabend, 13. November 2024, hatte KTM mitgeteilt, dass mit der indischen Mitaktionärin von Pierer, Bajaj AG, sowie mit Finanzgläubigern über eine Überbrückungsfinanzierung in dreistelliger Millionenhöhe verhandelt werde. Eine flaue Auftragslage und hohe Lagerbestände erzwangen zudem Einschränkungen in der Produktion. Vom AMS mitfinanzierte Kurzarbeit war aufgrund der jüngsten Gesetzesverschärfungen nicht möglich. Der Plan, 1 000 Mitarbeiter für zwei Monate freizustellen und beim AMS anzumelden, stieß bei der Gewerkschaft auf heftigen Widerstand. Womit nur der kollektive Weg in die Teilzeit mit Lohnabstrichen für alle übrig blieb.[4]

KTM Teilezentrum in Mattighofen, Aufnahme Okt. 2012

Am Donnerstag, 21. November, wurde bekannt, dass KTM 2024 über 11 000 Fahrräder der Marke Husqvarna, einer Tochterfirma von KTM, darunter 5 000 bis 7 000 E-Bikes, an die Belegschaft verschenkt hatte. Die Überproduktion und damit verbundene Lagerkosten sollen der Auslöser gewesen sein, dass die Lagerware im Bereich Fahrrad an die Belegschaft "unentgeltlich ausgehändigt" wurde. Garantie- und Gewährleistungsansprüche wurden laut einem internen Papier, das den "SN" vorliegt, ausgeschlossen. Eine Suche Mitte November 2024 auf einschlägigen Marktplätzen in Österreich warf einige Privatverkäufe von Husqvarna-E-Bikes aus. Die Fotos zeigen fabrikneue, teils noch verpackte Fahrräder. Österreichweit findet sich das meiste Angebot - 42 Stück - in Oberösterreich. Die Preisangebote für die neuwertigen Fahrräder lagen zwischen 1.500 und 2.500 Euro. Jedoch hatte die "Pierer Mobility AG" im Rahmen des Bestellprozesses den Weiterverkauf der neuen E-Bikes untersagt und die Fahrräder ausschließlich zur Eigennutzung freigegeben. Die Fahrradhändler sind über dieses Vorgehen von KTM erzürnt.[5]

Aus dem Nachhaltigkeitsbericht der "Pierer Mobility AG" geht hervor, dass "als Anerkennung für das Engagement und die Loyalität" schon im Sommer 2023 rund 5 600 Summerbikes an Mitarbeiter verschenkt wurden.

Zur Gruppe gehören auch die Marken Gasgas E-Bicycles und Felt. Ende 2023 trennte sich das Unternehmen von der Marke R Raymon. Auch die Trennung von Felt sei geplant, heißt es im Geschäftsbericht 2023. Die "KTM Fahrrad GmbH" - mit der gleichnamigen KTM-Fahrradmarke - gehört nicht zu "Pierer Mobility AG" und agiert eigenständig.

Allein im ersten Halbjahr 2024 ging der Umsatz von Pierer Mobility von 1,4 auf 1,007 Mrd. Euro zurück. Das operative Ergebnis (Ebit) drehte tief ins Minus (195 Mill. Euro). Die Aktie verlor über 80 Prozent an Wert. Experten machen vor allem die hohen Lagerbestände bei KTM stutzig. Das deute auf zu hohes Risiko und Managementfehler hin. Ende 2020 machten sie 300 Millionen Euro aus, Ende Juni 2024 waren es 938 Mill. Euro.[6]

25. November: Pierer Industrie AG begibt sich unter Schutzschirm

Die Dachgesellschaft der Industriegruppe von Stefan Pierer, die Pierer Industrie AG, zu der die KTM AG gehört, teilte am Montag, den 25. November 2024 mit, dass sie entschieden habe, ein europäischen Restrukturierungsverfahren nach der sogenannten Restrukturierungsverordnung einzuleiten. Ohne das Strecken von Fälligkeiten einiger Anleihen und Schuldscheindarlehen würde die Gesellschaft zahlungsunfähig.[7]

26. November: KTM muss ein Insolvenzverfahren einleiten

Vor der am Dienstag, den 26. November 2024 angesetzten Betriebsversammlung in der KTM-Zentrale in Mattighofen teilte KTM vor 14 Uhr mit, dass KTM wegen eines Finanzbedarfs im hohen dreistelligen Millionenbereich ein Insolvenzverfahren einleiten muss. Der Finanzierungsbedarf der KTM AG beläuft sich nach derzeitigem Stand auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag. Das Management geht nunmehr nicht davon aus, dass es gelingen wird, die notwendige Zwischenfinanzierung zeitgerecht sicherzustellen.

Der Vorstand der KTM AG fasste daher am Dienstag den Beschluss, den Antrag auf Einleitung eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung über das Vermögen der KTM AG und ihrer Tochtergesellschaften "KTM Components GmbH" und "KTM F&E GmbH" zu stellen. Die Verfahren gäben die Möglichkeit, weiterhin das Vermögen unter Aufsicht zu verwalten und die KTM-Gruppe eigenständig zu sanieren, so das Unternehmen weiter. Alle sonstigen Tochtergesellschaften der KTM AG, insbesondere sämtliche Vertriebsgesellschaften, sind davon nicht betroffen. Ziel des Verfahrens sei es, innerhalb von 90 Tagen mit den Gläubigern einen Sanierungsplan zu vereinbaren. Durch eine Redimensionierung der Gruppe soll nicht nur der Bestand der KTM-Gruppe nachhaltig gesichert, sondern auch die Basis geschaffen werden, erstarkt aus dem Verfahren zu kommen.

Eine Redimensionierung der Produktion soll dazu führen, dass der Lagerüberbestand bei KTM und ihren Händlern in den kommenden zwei Jahren angepasst wird. Dadurch wird es in den Jahren 2025 und 2026 zu einer Reduzierung der Betriebsleistung an den österreichischen Standorten im Ausmaß von insgesamt über einer Milliarde Euro kommen. Daher erwartet sich die Gesellschaft für das laufende Geschäftsjahr 2024 aus den vorher genannten Gründen ein negatives Jahresergebnis im sehr hohen dreistelligen Millionenbereich. Zum Halbjahr 2024 hatte die KTM-Mutter Pierer Mobility ein operatives Minus von 195 Millionen Euro geschrieben. Was schon bei Veröffentlichung dieser Zahlen irritierte, waren die enorm hohen Lagerbestände, die KTM aufgebaut hat. Ende 2020 machten sie 300 Millionen Euro aus, Ende Juni 2024 waren es 938 Millionen Euro. Parallel war die Nettoverschuldung um 89 Prozent auf 1,47 Milliarden Euro sprunghaft angestiegen. Die hohe Eigenkapitalquote sank von 31 auf 22 Prozent.[8]

Wie finanzierte Stefan Pierer die Übernahme von Rosenbauer?

Erst vor wenigen Monaten, im Sommer 2024, stellte Stefan Pierer an die 60 Mill. Euro auf, um gemeinsam mit Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz den in Schwierigkeiten befindlichen Feuerwehrausrüster Rosenbauer in Oberösterreich zu übernehmen. Im Zusammenhang mit dem im November eingeleiteten Insolvenzverfahren wirft diese Aktion Fragen auf. KTM-Chef Stefan Pierer und Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz übernehmen gemeinsam mit Raiffeisen Oberösterreich die Mehrheit (50,1 Prozent) beim oberösterreichischen Weltmarktführer, der unter einer hohen Schuldenlast leidet. Angesichts der Nöte und drohenden Einschnitte bei KTM müsse man diskutieren, ob Pierers Investments bei Rosenbauer, aber auch bei dem defizitären Autozulieferer Leoni nötig gewesen wären.

Das Konsortium wird 50,1 Prozent von Rosenbauer übernehmen - je ein Drittel dieses Anteils entfällt auf Pierer, Mateschitz sowie Raiffeisen Oberösterreich und die Invest Unternehmensbeteiligungs AG, die als Private-Equity-Fonds der Raiffeisengruppe agiert. Für die Mehrheitsübernahme sind insgesamt rund 180 Mill. Euro nötig, die Pierer, Mateschitz und Raiffeisen zu etwa gleichen Teilen aufbringen. Das bedeutet, dass auf Pierer rund 60 Mill. Euro entfallen.[9]

Daten, Übersicht 2024

KTM-Werke mit Pierer Mobility AG Bezug

  • Werke in Mattighofen: im Südosten der Stadt: "KTM Sportmotorcycle AG" und "APTIV Mobility Service Austria GmbH"
  • Werke in Munderfing: KTM Teilezentrum, KTM Logistikzentrum Lagermax, KTM Motorenwerk und Teststrecke und "KTM Factory Racing", mit 2 000 Arbeitsplätzen; Kommunalsteuer jährlich über zwei Millionen Euro (geschätzt von Bürgermeister Martin Voggenberger)[10]

Das Teilelager der KTM Fahrrad GmbH in Schalchen[11] und die Fahrradproduktion im Stammwerk in Mattighofen sind nicht in Besitz der Pierer Mobility AG und auch nicht der KTM AG. Die KTM Fahrrad GmbH ist seit 1992 ein völlig eigenständiges Familienunternehmen, im alleinigen Besitz der Familie Urkauf.[12]

Pierer Mobility

Die KTM-Mutter Pierer Mobility hatte 2022 einen operativen Rekordgewinn von 235 Mill. Euro erwirtschaftet, 2023 waren es 160 Mill. Euro. Für Rechnungen gab ein Zahlungsziel von 90 Tagen, das zuletzt aber auch überschritten wurde.[13]

2024 verkaufte die "Pierer Mobility AG" im ersten Halbjahr 53 820 Fahrräder der Marken Husqvarna, Gasgas und Felt, davon 28 771 E-Bicycles und 25 049 Fahrräder. Das Minus zum Vorjahr betrug 23 Prozent. Ein Vergleich mit den Zahlen des Fahrradmarkts in Österreich: Von rund 421 000 Fahrrädern, die 2023 von der Fahrradindustrie an den Sport- und Fahrradfachhandel verkauft wurden, waren 52 Prozent E-Bikes.[5]

Von den insgesamt 5 000 Mitarbeitenden der Pierer-Gruppe sind 3 650 von der KTM-Insolvenz betroffen, 2 400 in Diensten der KTM AG, 450 der KTM Components GmbH und 800 der KTM FuE GmbH.[14]

Quellen

  1. Die in München, Bayern beheimatete deutsche Motorradfirma wurde 1916 gegründet und stellte schon 1929 "das schnellste Motorrad der Welt" her. Im Straßenrennsport brachte ihr jedoch erst die 1935 entstandene Konstruktion von Oberingenieur Schleicher den Durchbruch an die Spitze. 1938 errang Georg "Schorsch" Meier mit einer BMW 500 Kompressor Werk-Rennmodell den Europameistertitel und gewann 1938 die Senior TT als erster Ausländer auf einer nicht-englischen Maschine.
  2. en.wikipedia.org/wiki/KTM
  3. kontrast.at, Spendenliste für Sebastian Kurz, 4. Oktober 2017
  4. www.sn.at, 14. November 2024: "Weniger Gehalt, kein Job: Kahlschlag bei KTM lässt ganze Region zittern"
  5. 5,0 5,1 www.sn.at, 21. November 2024: "Krise bei KTM: Nach Überproduktion wurden Tausende E-Bikes an Mitarbeiter verschenkt", ein Beitrag von Marco Riebler
  6. www.sn.at, 22. November 2024
  7. www.sn.at, 25. November 2024
  8. www.sn.at, 26. November 2024: Stefan Pierer muss KTM in Insolvenz schicken: "Das ist mein Lebenswerk und dafür kämpfe ich"
  9. www.sn.at, 27. November 2024: "Kritische Fragen nach Pleite von KTM: Wie finanzierte Stefan Pierer die Übernahme von Rosenbauer?"
  10. "Salzburger Nachrichten", 16. November 2024, Lokalteil Seite 8 und 9
  11. www.google.at/maps
  12. Klarstellung: Wichtige Mitteilung der KTM Fahrrad GmbH
  13. www.sn.at, 28. November 2024
  14. www.sn.at, 26. November 2024