KZ-Nebenlager Uttendorf-Weißsee
Das KZ-Nebenlager Uttendorf-Weißsee war während des Kraftwerkbaues in der NS-Zeit am Weißsee zumindest zwischen dem 26. August 1944 (erste Erwähnung) und dem 3. Dezember 1944 (Schließung des Lagers) in Betrieb.
Einleitung
Das im Besitz der Deutschen Reichsbahn befindliche Lager Uttendorf-Weißsee war ein eigenständiges Nebenlager des Stammlagers Dachau. Die durchschnittliche Belagszahl wird mit 450 Mann angegeben. Die Häftlinge verfügten auf dieser Hochgebirgsbaustelle mit Meter hohen Schneelagen nur über die "dünne Kluft" wie in Dachau (Peter Fritz). Die meisten hatten - ebenfalls laut Peter Fritz, ehemaliger Dachauer KZ-Häftling, eingesetzt im Nebenlager Uttendorf-Weißsee - "sog. Fluchtpunkte aus rotem Stoff an besonders prägnanten Körperstellen – etwa Brust und Rücken – aufgenäht. Zielscheiben auch für die schlechteren Schützen unter den SS-Schergen." Die Lebensbedingungen waren entsprechend und es ist von einer unbekannten Anzahl von Opfern, bedingt durch unzureichende Ernährung, Kleidung, Unterbringung, Unfälle und entsprechender Behandlung durch das Wachpersonal auszugehen.
Geschichte
Der Krieg war längst verloren. Dennoch mussten im eisigen Winter 1945 24 879 Zwangsarbeiter in Stadt und Land Salzburg für den "Endsieg" schuften. Unter anderem in mehreren Nebenlagern des KZ Dachau. Solche gab es in St. Gilgen (25 Personen), in Pabenschwandt (Gemeinde Plainfeld, zirka neun Personen) oder in Hallein. In Hallein waren in Baracken auf dem Gelände des Steinbruchs der Gebrüder Deisl bis zu 90 Menschen untergebracht.
Das größte Nebenlager von Dachau befand sich in Uttendorf, im Gebiet des Weißsees. Die Gefangenen waren wie in Kaprun im Kraftwerksbau eingesetzt. Dem "Arbeitskommando Weißsee" waren 450 Arbeiter zugeteilt. Parallel zur Großbaustelle in Kaprun (6 300 Zwangsarbeiter im Zeitraum 1939 bis 1945), wurde in Uttendorf eines der besonders dunklen Kapitel in diesem Land geschrieben.
Papier als Kälteschutz
Die Salzburger Historikerin Nicole Slupetzky recherchierte die Hintergründe auf wissenschaftlicher Basis. "Uttendorf/Weißsee war ab 1943 ein Nebenlager von Dachau. Unzählige Menschen starben. Wie viele genau, weiß niemand. In lokalen Chroniken taucht das Nebenlager nicht auf." Die Menschen schufteten hier im Auftrag der Deutschen Reichsbahn (DRB).
Die Qualen begannen nicht erst mit der Ankunft im Lager Weißsee, sondern auf dem Weg dorthin. Mit Viehwaggons wurden die Gefangenen nach Uttendorf verfrachtet. Dort kamen sie halb verhungert und verdurstet an. Egal, wie der gesundheitliche Zustand war, die Wachmannschaften trieben die Zwangsarbeiter weiter zur Rudolfshütte. Der Weg führte über eine 17 Kilometer lange Straße. Von dort wurden die Häftlinge entweder mit der Materialseilbahnin das Lager Weißsee gebracht oder sie mussten noch einen dreistündigen Fußmarsch überstehen. Wie in Dachau selbst waren auch für die Arbeiter am Weißsee Drilliche aus Leinen und dünne Leder- oder Holzschuhe üblich, die Holzschuhe für Einsätze im Hochgebirge aber völlig ungeeignet.
Deshalb stellte die DRB den Arbeitern Lederschuhe zur Verfügung. Zusätzlich bekamen manche Gefangene Fäustlinge, Pullover und Mäntel. Politischen Gefangenen aus Österreich wurde als "Kälteschutz" maximal Zeitungspapier erlaubt. Manchmal wurden Häftlinge tageweise an Baustellen im Tal eingesetzt.
Die größte Qual stellte die Arbeit im Steinbruch auf dem Berg dar. Riesige Felsbrocken mussten geschleppt werden. Martin Wolff, KZ- Insasse im Lager Weißsee, beschrieb seine Erlebnisse so: "Im Steinbruch ist die Hölle los. Ausgehungert, bei großer Kälte in Eis und Schnee, brechen viele Häftlinge vor Ermattung zusammen. Jeden Tag haben wir mehrere Tote, denn wer kraftlos zusammenbricht, bleibt liegen und erfriert. Andere, die diese Marter nicht ertragen können, fliehen von der Arbeitsstelle. Da die Bewachung im Gebirge nicht so streng ist, kann man verhältnismäßig leicht fliehen. Aber man hat keine Chance, durch Eis und Schnee in diesem Gebirge den Weg in die Freiheit zu finden. Die Fliehenden werden wahrscheinlich ausnahmslos in der Eiswüste umkommen, das ist klar."
Nicole Slupetzky: "Ob Sturm oder Schnee, um fünf Uhr früh war Tagwache. Nach kurzem Frühstück - Brot - mit etwas Margarine - musste jeder zur Arbeitsstelle marschieren. Oft bis zu 20 Minuten. Täglich zwölf bis dreizehn Stunden Arbeit waren die Regel. Beim Abendappell kontrollierten Wachposten sogar die Schuhe. Fehlte ein Nagel, wurde der Häftling aufgeschrieben. Wer zu viele Nägel verlor, bekam Schläge mit dem Ochsenziemer." Untergebracht waren die Zwangsarbeiter in drei Baracken neben der Rudolfshütte.
Camp lag 2 300 m ü. A. hoch
Das Lager befand sich in hochalpinem Gelände, in 2 300 m ü. A.. Schon in den ersten Plänen von 1939 schien ein Barackenlager auf. Diese Pläne sahen neben der alten Rudolfshütte Platz für Unterkünfte für 350 bis 400 Arbeiter vor. Ein Teil der Arbeiter, die diese Baracken aus dem Boden stampften, wurde täglich vom Tal mit der sogenannten "Bleichert" auf den Berg befördert. Diese Materialseilbahnwurde auch für Personentransporte genutzt. Das bestätigen Zeitzeugen. Die Seilbahn bestand aus primitiven, großen Kisten, in denen bis zu sechs Mann Platz fanden.
Zum Teil wurden Zwangs arbeiter auch in der Rudolfshütte untergebracht. Slupetzky: "Die Hitlerjugend und andere NS-Organisationen nutzten die Hütte weiterhin für Alpinkurse. Auch Zivilisten konnten hier übernachten. Zu den prominentesten Gästen gehörten Luis Trenker und Heinrich Harrer. Der bereitete sich hier auf seine Himalayareise vor, die mit der Flucht nach Tibet endete."
Bei den aus dem KZ Dachau stammenden Arbeitern habe es sich überwiegend um Franzosen und Belgier gehandelt, aber auch um Polen und politische Häftlinge aus Österreich. Bewacht hätten die 450 Arbeiter, "abweichend von der sonst üblichen Praxis", sowohl Mitglieder der SS als auch Wehrmachtsangehörige. "Die Arbeiter wurden in Gruppen von zehn bis 15 Mann aufgeteilt und einem bewaffneten deutschen Vorarbeiter unterstellt, der dafür zuständig war, dass die Arbeiten zügig voran gingen."
Die Geschichte der Kraftwerksbauten im Uttendorfer Stubachtal reicht bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs zurück. 1913/14 fiel der Startschuss für den Bau der Tauernmoossperre. Die Kraftwerksgruppe sollte so rasch wie möglich realisiert werden. Ziel war es, mit Wasserenergie aus dem Stu-bachtal die Bahnstrecke Salzburg-Wörgl zu elektrifizieren. Zwischen 1926 und 1929 wurde der Bau durch die Österreichischen Bundesbahnen vorangetrieben. 1938 änderten sich die Besitzverhältnisse. Die ÖBB wurden in die Reichsbahn eingegliedert. Auch die neuen Herren forcierten den Ausbau der Kraftswerksanlagen.
Juden "versuchsweise"
Die Baustellen im Stubachtal unterstanden zwar der Deutschen Reichsbahn (DRB), die Arbeiten wurden jedoch von einer Arbeitsgemeinschaft durchgeführt. Für öffentliche Bauträger, wie die DRB, war es zumeist üblich, private Firmen für den Bau zu engagieren. Nicole Slupetzky: "Die Arbeitsgemeinschaft Stubachwerke bestand aus mehreren Einzelfirmen, wobei die Union-Baugesellschaft Universale - Hoch- Tiefbauaktiengesellschaft maßgeblich beteiligt war und dasGesamtprojekt leitete." Im Gegensatz zu Kaprun, wo es zwei "Judenlager" für den Bau der Kraftwerke gab, verzichtete die Arbeitsgemeinschaft Stubachwerke zunächst auf jüdische Arbeiter, erklärte sich aber bereit, 30 Juden "versuchsweise" zu beschäftigen.
- siehe auch: NS-Zwangsarbeit in der Landwirtschaft im Pinzgau
Quellen
- KZ-Nebenlager im Pinzgau
- "Salzburger Nachrichten", 3. Jänner 2012, Heinz Bayer