| | ''Mein lieber Franz! Freudig überrascht empfing ich deinen lieben Brief. Ich hatte erst für morgen einen erwartet. Ich danke dir für denselben herzlichst, ebenfalls für die hübschen Blumen, die mir sagen, daß du auch inmitten der Arbeit liebevoll mir gedenkest. Ich werde sie sorgfältig aufbewahren und an ihrem Anblick mich öfters erfreuen. Denke dir, heut Nacht träumte ich, du seist gekommen, und empfand innige Freude darüber. Wie schön wird es sein, wenn dieser Traum zur Wahrheit wird. Hoffentlich liegen nur noch 6 kurze Wochen zwischen heute und dem Tage des Wiedersehens. – Kurze Wochen sage ich, denn mir verfließt die Zeit rasend schnell. Wenn ich zurückdenke scheint mir die Zeit vom 3. Juni'' [da hat er um ihre Hand angehalten; vgl. Brief vom 6. 12. Ihr Geburtstag ist der 1. 6.; die Verlobung war im September; in einem anderen Brief am 27. 8. 71 wird noch "Sie" geschrieben, nicht geduzt; Anm.] ''wie eine kurze Reihe von Wochen, nicht wie 5 Monate. Und auch die 5 Monate bis zum 10.April werden rasch verfloßen sein, wenn du nur etwas mehr Geduld haben wolltest. Denke nur, kommt erst Weihnachten, wo wir wenigstens einige Tage beisammen sein werden, so wird bis zu unserer Vereinigung für immer, keine so lange Trennung mehr stattfinden wie die nunmehrige, denn Mitte Februar hoffe ich die Großmutter zur Wiener Reise bewegen zu können, also sind nur 6 Wochen, und von Wien zurückgekehrt, bleiben mir ebenfalls nur noch 6 bis 7 kurze Wochen, um Alles für die Hochzeit und die Umsiedlung zu bereiten. Und wie viel wird es da noch zu besorgen geben! Darum empfehle ich dir, anstatt immer wieder am "Wort der Frau" zu rütteln, lieber heilsame und nützliche Betrachtungen über das Thema Geduld anzustellen und dir einige Sentenzen zu Gemüt zu führen, z.B. Geduld überwindet Alles, oder mit Geduld und Zeit wird aus dem Maulbeerblatt ein Atlaskleid u. so fort. Ich erinnere mich, dir schon einmal Ähnliches angerathen zu haben als Beruhigungsmittel bei Anfällen von Ungeduldsfieber. – Für heute schließe ich mit dieser Ermahnung, ich werde morgen um 7 oder ½ 8 Uhr in die Kirche gehen, so bleibt mir eine ruhige Zeit um Vormittags den Brief zu vollenden. Heute Nacht, du lieber, vielleicht träume ich wieder von dir! Wie froh macht es mich doch, zu wißen, daß du mich lieb hast! Gute Nacht! – | | ''Mein lieber Franz! Freudig überrascht empfing ich deinen lieben Brief. Ich hatte erst für morgen einen erwartet. Ich danke dir für denselben herzlichst, ebenfalls für die hübschen Blumen, die mir sagen, daß du auch inmitten der Arbeit liebevoll mir gedenkest. Ich werde sie sorgfältig aufbewahren und an ihrem Anblick mich öfters erfreuen. Denke dir, heut Nacht träumte ich, du seist gekommen, und empfand innige Freude darüber. Wie schön wird es sein, wenn dieser Traum zur Wahrheit wird. Hoffentlich liegen nur noch 6 kurze Wochen zwischen heute und dem Tage des Wiedersehens. – Kurze Wochen sage ich, denn mir verfließt die Zeit rasend schnell. Wenn ich zurückdenke scheint mir die Zeit vom 3. Juni'' [da hat er um ihre Hand angehalten; vgl. Brief vom 6. 12. Ihr Geburtstag ist der 1. 6.; die Verlobung war im September; in einem anderen Brief am 27. 8. 71 wird noch "Sie" geschrieben, nicht geduzt; Anm.] ''wie eine kurze Reihe von Wochen, nicht wie 5 Monate. Und auch die 5 Monate bis zum 10.April werden rasch verfloßen sein, wenn du nur etwas mehr Geduld haben wolltest. Denke nur, kommt erst Weihnachten, wo wir wenigstens einige Tage beisammen sein werden, so wird bis zu unserer Vereinigung für immer, keine so lange Trennung mehr stattfinden wie die nunmehrige, denn Mitte Februar hoffe ich die Großmutter zur Wiener Reise bewegen zu können, also sind nur 6 Wochen, und von Wien zurückgekehrt, bleiben mir ebenfalls nur noch 6 bis 7 kurze Wochen, um Alles für die Hochzeit und die Umsiedlung zu bereiten. Und wie viel wird es da noch zu besorgen geben! Darum empfehle ich dir, anstatt immer wieder am "Wort der Frau" zu rütteln, lieber heilsame und nützliche Betrachtungen über das Thema Geduld anzustellen und dir einige Sentenzen zu Gemüt zu führen, z.B. Geduld überwindet Alles, oder mit Geduld und Zeit wird aus dem Maulbeerblatt ein Atlaskleid u. so fort. Ich erinnere mich, dir schon einmal Ähnliches angerathen zu haben als Beruhigungsmittel bei Anfällen von Ungeduldsfieber. – Für heute schließe ich mit dieser Ermahnung, ich werde morgen um 7 oder ½ 8 Uhr in die Kirche gehen, so bleibt mir eine ruhige Zeit um Vormittags den Brief zu vollenden. Heute Nacht, du lieber, vielleicht träume ich wieder von dir! Wie froh macht es mich doch, zu wißen, daß du mich lieb hast! Gute Nacht! – |
| − | ''12. Nov: ½ 9 Uhr früh. Guten Morgen! Hast du gut geschlafen? Ich war wirklich um 7 Uhr in der hl. Messe und habe für uns Beide gebetet. Mit dem Träumen von dir aber war es Nichts diese Nacht, ich werde das Versäumte mit offenen Augen nachholen, was oft genug vorkommt. Thust du es auch? Heute über 6 Wochen hoffe ich dich in Salzburg begrüßen zu dürfen! Heute Nachmittag ist wieder Konzertprobe im Landtagsaale. Es wird "Athalie"'' [nach Racine, Anm.] ''von Mendelssohn einstudiert. Professor Maier spricht den verbindenden Text, die Musik ist wunderschön. Ich liebe Mendelssohn, ich finde seine Musik liegt auch dem Verständnis des musikalisch wenig Unterrichtetem mehr. Ich war meines Erinnerns nicht mehr im Landtagssaal seit jenem Conzert am 1. Juni. Die Probe muß am 30. o. 31. Mai gewesen sein. Ich erinnere mich, daß ich damals wol bemerkte, daß deine Blicke häufig auf mir ruhten und du warst mir sehr aufmerksam gegen mich vorgekommen, aber ahnungslos wie ich war, machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber. Ich hegte ja damals die Meinung um mich bekümmert sich Niemand. Aber nun weiß ich ja daß sich Jemand um mich bekümmert und nicht nur dies, sondern daß mich dieser Jemand auch noch lieb hat. Und daß ich dieses weiß macht mich so glücklich. – Am 16 November sind es zwei Jahre, daß Großmutters Leiden mit der Hand anfing. Es begann damals eine rechte Schule des Lebensernstes für mich, und wenn ich darüber nachdenke, so muß ich mir sagen, daß ich nicht ohne Vortheil dieselbe durchmachte. Bis dahin war ich mir nur vorübergehend der ernsten Seite des Lebens bewußt geworden, und ich war in der Lage gewesen meine moralische Kraft zu erproben. In den langen Leidenswochen mußte ich lernen meinen Mut und meine Thatkraft aufrecht zu halten, und es wäre mir damals leichter gewesen selbst körperlich zu leiden, als den fortgesetzten Anblick des Leidens zu ertragen, und dabei so viel als möglich die mir sonst eigene Heiterkeit zu bewahren. Freilich meinte ich damals oft, so harmlos lustig wie ich gewesen, könne ich nimmer werden. Dann kam unser Aufenthalt im Weinbründl und die Zeit wo, du weißt es ja, in mir der Wunsch und der Glaube lebte L. Z.'' [Ludwig Zellner? Anm.] ''denke mit mehr als nur freundschaftlichem Interesse an mich. Du erinnerst dich wol daß ich dir sagte, auch diese Zeit innerer Erregung sei nicht ohne Vortheil für mich gewesen. Ich fand damals nicht recht Worte, diese sonderbare Behauptung zu erklären, ich will es heute versuchen. Es zeigte sich bald, daß ich keinen Grund hatte, dem Gedanken nach L. in solcher Weise nachzuhängen, doch wollte ich nicht so rasch dran glauben. Im täglichen Verkehr mit der ganzen Familie Z. kam mir freilich auch erst allmählich und später, die Überzeugung, daß ich nicht die Eigenschaften habe, für dieses Haus zu passen. Ich mußte auch lernen mich völlig zu beherrschen, denn ich war stolz genug, Niemand zu zeigen wie es mit mir war. Nur Lida wußte davon, die ich aber gerade in der Zeit ziemlich selten allein sah. So konnte ich auch, nachdem ich klar genug sah, daß L. entweder nie in solcher Weise wie ich gemeint, an mich gedacht hatte, oder daß er eingesehen hatte, daß wir nicht zueinander passen würden, den gewohnten freundlichen Ton gegen ihn festhalten, der hoffentlich fortbestehen wird, daß ich aber den Mut hatte, einer unerwiderten Neigung wegen nicht mich selbst für unglücklich zu halten, daß ich die Kraft hinzu[neh]men hatte, das nenne ich den Vortheil, von welchem ich sprach. Mit kurzen Worten, durch diese Sache ist mein Charakter fester, bewußter geworden. Daß ich nun geliebt werde und die Neigung erwidern kann, nehme ich als ein unverdientes Glück an und will nur suchen mich desselben nicht unwert zu zeigen. Ich will deine Liebe, du Lieber, Guter, zu verdienen suchen, indem ich so viel als möglich das sein werde, was du von mir erwartest, eine treue, liebende Gefährtin für dich, durch unser Leben. - | + | ''12. Nov: ½ 9 Uhr früh. Guten Morgen! Hast du gut geschlafen? Ich war wirklich um 7 Uhr in der hl. Messe und habe für uns Beide gebetet. Mit dem Träumen von dir aber war es Nichts diese Nacht, ich werde das Versäumte mit offenen Augen nachholen, was oft genug vorkommt. Thust du es auch? Heute über 6 Wochen hoffe ich dich in Salzburg begrüßen zu dürfen! Heute Nachmittag ist wieder Konzertprobe im Landtagsaale. Es wird "Athalie"'' [nach Racine, Anm.] ''von Mendelssohn einstudiert. Professor Maier spricht den verbindenden Text, die Musik ist wunderschön. Ich liebe Mendelssohn, ich finde seine Musik liegt auch dem Verständnis des musikalisch wenig Unterrichtetem mehr. Ich war meines Erinnerns nicht mehr im Landtagssaal seit jenem Conzert am 1. Juni. Die Probe muß am 30. o. 31. Mai gewesen sein. Ich erinnere mich, daß ich damals wol bemerkte, daß deine Blicke häufig auf mir ruhten und du warst mir sehr aufmerksam gegen mich vorgekommen, aber ahnungslos wie ich war, machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber. Ich hegte ja damals die Meinung um mich bekümmert sich Niemand. Aber nun weiß ich ja daß sich Jemand um mich bekümmert und nicht nur dies, sondern daß mich dieser Jemand auch noch lieb hat. Und daß ich dieses weiß macht mich so glücklich. – Am 16 November sind es zwei Jahre, daß Großmutters Leiden mit der Hand anfing. Es begann damals eine rechte Schule des Lebensernstes für mich, und wenn ich darüber nachdenke, so muß ich mir sagen, daß ich nicht ohne Vortheil dieselbe durchmachte. Bis dahin war ich mir nur vorübergehend der ernsten Seite des Lebens bewußt geworden, und ich war in der Lage gewesen meine moralische Kraft zu erproben. In den langen Leidenswochen mußte ich lernen meinen Mut und meine Thatkraft aufrecht zu halten, und es wäre mir damals leichter gewesen selbst körperlich zu leiden, als den fortgesetzten Anblick des Leidens zu ertragen, und dabei so viel als möglich die mir sonst eigene Heiterkeit zu bewahren. Freilich meinte ich damals oft, so harmlos lustig wie ich gewesen, könne ich nimmer werden. Dann kam unser Aufenthalt im Weinbründl und die Zeit wo, du weißt es ja, in mir der Wunsch und der Glaube lebte L. Z.'' [Ludwig Zeller? Anm.] ''denke mit mehr als nur freundschaftlichem Interesse an mich. Du erinnerst dich wol daß ich dir sagte, auch diese Zeit innerer Erregung sei nicht ohne Vortheil für mich gewesen. Ich fand damals nicht recht Worte, diese sonderbare Behauptung zu erklären, ich will es heute versuchen. Es zeigte sich bald, daß ich keinen Grund hatte, dem Gedanken nach L. in solcher Weise nachzuhängen, doch wollte ich nicht so rasch dran glauben. Im täglichen Verkehr mit der ganzen Familie Z. kam mir freilich auch erst allmählich und später, die Überzeugung, daß ich nicht die Eigenschaften habe, für dieses Haus zu passen. Ich mußte auch lernen mich völlig zu beherrschen, denn ich war stolz genug, Niemand zu zeigen wie es mit mir war. Nur Lida wußte davon, die ich aber gerade in der Zeit ziemlich selten allein sah. So konnte ich auch, nachdem ich klar genug sah, daß L. entweder nie in solcher Weise wie ich gemeint, an mich gedacht hatte, oder daß er eingesehen hatte, daß wir nicht zueinander passen würden, den gewohnten freundlichen Ton gegen ihn festhalten, der hoffentlich fortbestehen wird, daß ich aber den Mut hatte, einer unerwiderten Neigung wegen nicht mich selbst für unglücklich zu halten, daß ich die Kraft hinzu[neh]men hatte, das nenne ich den Vortheil, von welchem ich sprach. Mit kurzen Worten, durch diese Sache ist mein Charakter fester, bewußter geworden. Daß ich nun geliebt werde und die Neigung erwidern kann, nehme ich als ein unverdientes Glück an und will nur suchen mich desselben nicht unwert zu zeigen. Ich will deine Liebe, du Lieber, Guter, zu verdienen suchen, indem ich so viel als möglich das sein werde, was du von mir erwartest, eine treue, liebende Gefährtin für dich, durch unser Leben. - |
| | ''Ich wurde hier unterbrochen, und ehe ich wieder zu schreiben beginne las ich auch das Vorstehende wieder durch. Es kommt dir vielleicht eigen vor, daß ich so schreibe, aber ich hatte mir vorgenommen, diesen Punkt einmal zu besprechen. Und damit genug davon. Weißt du, unser erstes und gemeinschaftliches Eigenthum sind vielleicht die Alpenblumen, die ich von jenem Alpenfeste am 8. September heimbrachte und davon einen Theil ich dir dann gab. Hast du sie noch? Nächsten Sommer werden wir wol mitsammen Blumen suchen, wenn du mich spazieren führst, oder auf geschäftlichen Ausflügen mitnimmst. Ob wir wirklich zu englischen Studien kommen? Wir wollen sehen! Du mußt schon deswegen bis zum April warten, damit ich in der englischen Conversation gewandter werde. Ich bilde mir ein, ich bemerke doch, daß ich etwas fließender englisch spreche, seit ich zu Miß Ung gehe. Auch englisch Lesen übe ich mich. Es ist nun 12 Uhr und ich schließe meine Zeilen, indem ich genau wie du rechne, wann ich wieder einen Brief erhalte. Lebe wol und behalte lieb deine Fanni. Großmutter grüßt.'' | | ''Ich wurde hier unterbrochen, und ehe ich wieder zu schreiben beginne las ich auch das Vorstehende wieder durch. Es kommt dir vielleicht eigen vor, daß ich so schreibe, aber ich hatte mir vorgenommen, diesen Punkt einmal zu besprechen. Und damit genug davon. Weißt du, unser erstes und gemeinschaftliches Eigenthum sind vielleicht die Alpenblumen, die ich von jenem Alpenfeste am 8. September heimbrachte und davon einen Theil ich dir dann gab. Hast du sie noch? Nächsten Sommer werden wir wol mitsammen Blumen suchen, wenn du mich spazieren führst, oder auf geschäftlichen Ausflügen mitnimmst. Ob wir wirklich zu englischen Studien kommen? Wir wollen sehen! Du mußt schon deswegen bis zum April warten, damit ich in der englischen Conversation gewandter werde. Ich bilde mir ein, ich bemerke doch, daß ich etwas fließender englisch spreche, seit ich zu Miß Ung gehe. Auch englisch Lesen übe ich mich. Es ist nun 12 Uhr und ich schließe meine Zeilen, indem ich genau wie du rechne, wann ich wieder einen Brief erhalte. Lebe wol und behalte lieb deine Fanni. Großmutter grüßt.'' |