Protestantenvertreibung
Die Vertreibung der Protestanten fand unter Erzbischof Leopold Anton Freiherr von Firmian im Jahr 1732 statt.
Nach einer ruhigen Zeit unter dem gemäßigten Erzbischof Johann Ernst Graf Thun und Franz Anton Graf Harrach wurde die Lage der Evangelischen in den Salzburger Landen sehr ernst, als Firmina den erzbischöflichen Stuhl bestieg. Er rief aus Bayern die Jesuiten in das Land, um mit ihrer Hilfe das evangelische Glaubensbekenntnis auszurotten.
Auf den Marktplätzen oder auf freiem Feld veranstalteten die Jesuiten große Versammlungen, zu denen alle Einwohner kommen mussten. Das Fernbleiben wurde streng bestraft. Die Ketzergerichte mehrten sich, die Kerker füllten sich, hohe Geldstrafen wurden verhängt. Aber alle Bekehrungsversuche der Jesuiten hatten nur den Erfolg, dass die Evangelischen sich zu um so freudigerem Bekenntnis ihres Glaubens zusammenschlossen.
Am 10. Juli 1731 überreichten 16 Bauern dem Vikar von St. Veit im Pongau ein Schriftstück, in dem sie sich offen zum evangelischen Glauben bekannten und mitteilten, dass sich die Evangelischen beschwerdeführend an das »Corpus Evangelicorum« in Regensburg, die Vertretung der evangelischen Fürsten, gewandt und ihre Hilfe angerufen hätten. Der Vikar berichtete darüber dem Dechanten in Werfen und schilderte ihm die Urheber des Schriftstücks als Rebellen, die mit Aufruhr drohten.
Auch bei den evangelischen Fürsten suchte man die Evangelischen in den Salzburger Landen als Rebellen zu verdächtigen, um ihnen deren Teilnahme zu entziehen. Um einer Untersuchung durch die Reichsregierung zuvorzukommen, kündigte Firmian eine Kommission an, die die Beschwerden der Evangelischen untersuchen solle. Im Juli 1731 begann diese in Werfen ihre Arbeit, die sie im Lauf des Juli von Ort zu Ort fortsetzte.
Überall bekam die Kommission Klagen über harte Bedrückungen der Evangelischen zu hören. Firmian versprach den Evangelischen, er werde allen Beschwerden abhelfen, wenn sie sich nur gedulden wollten. Zugleich aber kündigte er ihnen an, dass Truppen kommen würden; sie kämen aber nur, damit etwaige schlimmere Folgen zu ihrem eigenen Besten verhütet würden. Die Ankündigung von Truppen gab den Anlass zu der berühmten Versammlung am 5. August 1731 in Schwarzach.
Etwa 150 Vertreter der Evangelischen kamen aus verschiedenen Gegenden in einer Schenke von Schwarzach zusammen. Vor der Eröffnung der Verhandlungen tauchte einer nach dem andern die Finger der rechten Hand in das Salzfass, das auf dem Tisch stand, hob sie in die Höhe und schwor, dass er bei dem evangelischen Glauben beharren und sich durch nichts davon abbringen lassen wolle. Man beschloss, evangelische Prediger zu verlangen und Gewissensfreiheit zu fordern, inzwischen aber sich ruhig zu verhalten. Die Versammlung beschloss ferner, eine Abordnung nach Regensburg zu der Vertretung der evangelischen Reichsstände zu entsenden und zu fragen, wo man sie aufnehmen werde, wenn sie um ihres Glaubens willen genötigt sein würden, die Heimat zu verlassen.
Firmian stempelte die gemeinsame Verabredung des »Salzbundes« von Schwarzach zum Verbrechen der Rebellion und wandte sich um militärische Hilfe nach Wien an den Kaiser und nach Bayern. 5000 Mann Fußvolk des Kaisers rückten in das Land und erhielten nur bei den Evangelischen Quartier. Die Bauern wurden entwaffnet und die Grenzen gesperrt. Als die Bedrückungen immer ärger wurden, wandten sich die Evangelischen noch einmal in einer Bittschrift an den Kaiser, um bei ihm ihr Recht zu suchen. Sie baten um eine Untersuchung ihrer Beschwerden durch eine aus beiden Glaubensbekenntnissen bestehende Kommission. Ehe die Antwort des Kaisers eintraf, unterzeichnete Firmian am 31. Oktober 1731 den berüchtigten Emigrationserlaß, der am 10.11. bekanntgemacht wurde. F. verfügte, die Nichtkatholiken hätten das Erzstift zu verlassen, die »Angesessenen«, d. h. Grundbesitzenden, in längstens drei Monaten, die »Unangesessenen«, wie Tagelöhner, Bergleute, Arbeiter und Handwerker, in acht Tagen. F.s Emigrationserlaß stand in offenem Widerspruch zu der Vereinbarung des »Westfälischen Friedens« von 1648, nach der ausdrücklich eine dreijährige Frist für die vorgesehen war, die sich von der Religion des Landesherrtt getrennt hielten und deshalb des Landes verwiesen werden durften. Unter Berufung auf diese Bestimmung des »Westfälischen Friedens« legten die evangelischen Reichsstände in Regensburg gegen den erzbischöflichen Erlaß Verwahrung ein und verlangten die Innehaltung der dreijährigen Frist bis zur Verweisung aus dem Land. Ihnen gegenüber wurde der Emigrationserlaß des Erzbischofs mit der Behauptung gerechtfertigt, daß die Evangelischen nicht wegen der Religion, sondern wegen aufrührerischer Umtriebe des Landes verwiesen würden. Kaiser Karl VI. war mit dem eigenmächtigen Vorgehen F.s in keiner Weise einverstanden; aber aus politischen Gründen mußte er auf den Erzbischof Rücksicht nehmen. Darum wagte er es nicht, den Emigrationserlaß rückgängig zu machen, sondern begnügte sich damit, F. zur Milde in der Anwendung und Durchführung seines Erlasses zu ermahnen. Schon nach 14 Tagen mußten die ersten Evangelischen unter militärischem Schutz das Salzburger Land verlassen und ihre Kinder unter 12 Jahren zurücklassen. Der erste Zug von 800 aus der Heimat ausgewiesenen Evangelischen kam am 27.12. in Kaufbeuren an. Den eigentlichen Mittelpunkt für die Züge der vertriebenen Salzburger bildete Ulm. Von dort aus ging der Zug durch württembergisches Gebiet hindurch und verteilte sich nach verschiedenen Richtungen. Man erwog den Gedanken einer Ansiedlung im Schwarzwald. Da kam Hilfe von Preußen. Nachdem Friedrich Wilhelm I. einen Kommissar nach Salzburg entsandt und dieser ihm eingehenden Bericht von der Not und Bedrängnis der Evangelischen in Salzburg erstattet hatte, unterzeichnete er am 2.2. 1732 das Immigrationspatent, das die Heimatlosen nach Ostpreußen einlud und die Vertriebenen unter den Schutz des preußischen Staates stellte. Am 29.4. 1732 kamen die ersten vertriebenen Salzburger in Potsdam an. Von dort ging es der neuen Heimat zu, dem ostpreußischen Litauen. - In der schmerzensreichen Entscheidung zwischen Glauben und Heimat haben sich weit über 20 000 Salzburger zum Verlassen der Heimat entschlossen.