Dienstbote: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Dienstboten''' waren einst, vor allem am Land, besitzlose Knechte und Mägde.
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[[Datei:Heimatschein v. Gemeinde Hintersee.jpg|thumb|[[Historische Personaldokumente#Heimatschein]] einer 1911 geborenen Dienstmagd, die in der Gemeinde [[Hintersee]] heimatberechtigt war]]
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'''Dienstboten''' waren einst, vor allem in der Landwirtschaft, besitzlose Knechte und Mägde. Rund 300 000 Dienstboten gab es in den [[1930er]]-Jahren noch in Österreich.
  
 
==Geschichte==
 
==Geschichte==
[[Franz Innerhofer]], Sohn einer Magd in [[Krimml]] im [[Oberpinzgau]], schildert in seinen Büchern den harten und trostlosen Alltag von Dienstboten im Salzburger Land, wie man ihn noch in der ersten Hälfte des [[20. Jahrhundert]]s erleben konnte.
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Der heute fast ganz in Vergessenheit geratene [[Georg Eberl]] aus [[Piesendorf]] hat in seinem Buch "Als ich noch Jungknecht war" das Leben als Dienstbote Innergebirg beschrieben. [[Franz Innerhofer]], Sohn einer Magd in [[Krimml]] im [[Oberpinzgau]], schildert in seinen Büchern den harten und trostlosen Alltag von Dienstboten im Salzburger Land, wie man ihn noch in der ersten Hälfte des [[20. Jahrhundert]]s erleben konnte. [[Theresia Oblasser]] beschreibt in ihrem Text "Kneaicht seii" (Knecht sein) in berührender Weise das Leben eines Knechtes auf dem Brandstätthof in [[Taxenbach]].
  
Darin schreibt er u. a. dass Pfarrer von der Kanzler in ihren Predigten gegen vorehelichen Geschlechtsverkehr wetterten und dabei nur die Dienstboten anschauten. Selbst die Kirche betrachtete sie nicht als ''Christen'' in dem Sinne, denn sie gingen nur zur Messe, weil sie von ihren Dienstherren dazu gezwungen wurden. Kirchgangverweigerung hätte dazu geführt, dass der Bauern die Person verhungern hätte lassen oder sie am selben Tag noch vom Hof verjagt hätte.
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Innerhofer schreibt u. a., dass Pfarrer von der Kanzel in ihren Predigten gegen vorehelichen Geschlechtsverkehr wetterten und dabei nur die Dienstboten anschauten. Selbst die Kirche betrachtete sie nicht als ''Christen'' in dem Sinne, denn manche Dienstboten gingen nur zur Messe, weil sie von ihren Dienstherren dazu gezwungen wurden. Die Teilnahme an der österlichen Beichte mussten die Dienstboten mittels Vorlage des [[Beichtzettel]]s nachweisen. Kirchgangverweigerung hätte dazu führen können, dass der Bauer die Person noch am selben Tag vom Hof verjagt.
  
Besonders die Frauen litten unter Rechtlosigkeit der Dienstboten. Mägde durften in den allermeisten Fälle nicht heiraten, weil sie als Arbeitskräfte notwendig waren. Nur heimlich konnten sie Liebschaften haben. Nahm beispielsweise eine Magd das Taschenmesser eines Knechts beim Jausnen, so konnte man davon ausgehen, dass der Knecht noch am selben Abend sie in ihrer Kammer besuchte.
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Besonders die Frauen litten unter der Rechtlosigkeit ihres Standes. Mägde durften in den allermeisten Fällen nicht heiraten, weil sie als Arbeitskräfte notwendig waren. Nur heimlich konnten sie Liebschaften haben. Nahm beispielsweise eine Magd das Taschenmesser eines Knechts beim Jausnen, so konnte man davon ausgehen, dass der Knecht noch am selben Abend sie in ihrer Kammer besuchte. Auf jeden Fall wurden bei Liebesbeziehungen immer die Frauen verantwortlich gemacht. Kamen so genannte ''[[Ledige Kinder]]'' zur Welt, starben viele bereits im Säuglingsalter (eine Statistik zwischen [[1901]] und [[1910]] zeigt eine fast 50prozentige Sterberate auf). Bis zum letzten Tag in der Schwangerschaft mussten die Mägde arbeiten, und viele der Dienstboten-Kinder wurden ''ausgestiftet'', das heißt, meist schon nach dem Wochenbett in Pflege gegeben. Solche Kinder wurden schon im Kindesalter als billige Arbeitskräfte zu Bauern in den Dienst geschickt. Die Schule konnte meist nur sporadisch besucht werden und im Alter von 12 Jahren endete die Schulpflicht. Kinder von Dienstboten wurden häufig als geringwertig betrachtet, wie eine Eintragung eines Lehrers in [[Zederhaus]] in der Schulchronik zeigt:
  
=====Fensterln=====
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''...Am [[6. November]] [[1923]] starb der 13jährige Schüler Johann E., Ziehkind in Lamm. Er war ein Büffel, Trotzkopf und Strolch, um den nicht schade war. Zur Berechtigung sei angeführt, daß er mehrmals in der Woche in der 1. Klasse unter die Bank Haufen machte. Vom Urinieren sei gar nicht gesprochen...''
Unter '''Fensterln''' verstand man am Land früher nächtliche Freierbesuche beim Schlafzimmerfenster der Mädchen im heiratsfähigen Alter. Für gewöhnlich befand sich das Schlafgemach der Bauerntöchter oder auch der Mägde in ersten Stock und vielfach waren gerade die in Frage kommende Fenster vergittert. Manchmal erkannte man das richtige Fenster, weil die Fensterkreuze  verbogen waren.  
 
  
Das Auskundschaften des richtigen Fensters erforderte einige Erfahrung, denn wenn man das falsche Fenster erwischte, konnte es schon passieren, dass man von einer heftigen Schimpfkanonadade des Bauern oder der Bäuerin empfangen wurde.  
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Dienstbotenfeiertage waren ein Dorn im Auge mancher Bauern und Gemeindeverantwortlichen. Im Gemeindeausschussprotokoll in [[Ramingstein]] liest man [[1930]] und [[1931]]: ''... Seitens des Gemeindeamtes sind die nicht selten stattfindenden [[Winkeltänze]] während der Erntezeit auf das strengste zu verbieten und gegen Zuwiderhandeln mit entsprechenden Strafen vorzugehen. Tanzverbot vom 15. Juni bis zum 15. September...''
  
Es gab aber auch Bauersleute, die sich insgeheim sehr erhofften, dass sich für die To(ö)chter oder Mägde bei deren Fenster Bewerber einfanden (vor allem, wenn es jemand war, der auch den  Bauersleute recht war).  
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Am [[3. Februar]] [[1923]] fand ein [[Gut Brandlhof#1923: Ein seltenes Fest der Dienstbotenehrung|ein seltenes Fest der Dienstbotenehrung]] auf Gut Brandlhof statt.
  
Oft war zum Besuch eine Leiter notwendig und es galt, eine solche am Hof nächtens zu finden. Das Fenserln  begann mit einem leisen Klopfen an das Kammerfenster und einem möglichst zärtlichen aber leisen Ruf des betreffenden Mädchennamens. Hatte das Mädchen am Kontakt kein Interesse, so stellten es sich meistens schlafend. Nicht selten wurden aber solche Treffen schon bei früheren Zusammenkünften, wie oder Hochzeiten, Wallfahrten ausgemacht.  
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== Wechseltage ==
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Der übliche Wechseltag von einem Hof zum anderen war [[Maria Lichtmess]], für besonders Fleißige konnte dies aber schon am [[Michaelitag]] geschehen. Dazu wurden von den Heimatgemeinden der Dienstnehmer sogenannte Dienstbüchl ausgestellt, ohne die ein Wechsel nicht möglich war. In manchen Gegenden hieß dieses Dokument Leikaufschein, der zu Michaeli dem neuen Bauern ausgehändigt wurde. Damit hatte der Dienstbote sich und seine Arbeitskraft für ein Jahr dem Bauern verkauft.<ref>Quelle SALZBURGWIKI-Artikel Michaelitag und dortige Quellen</ref>
  
Es ergab sich ab und zu, dass sich während des Fensterns ein weiterer "Bewerber" einfand. Im Flachgau war es üblich, dass nach dreimaligen Ausspruch "Platz"  die Leiter frei gegeben wurde. Oder es kam zu einer Rauferei, bei der eben der Stärkere das Recht erzwang, weiterhin auf der Leiter bleiben zu können.  
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== Besondere Fälle ==
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Der unehelicher Sohn der Theresia Rieß, einer ledigen Dienstmagd, Rupert I. [[Rieß]], heiratete am [[19. November]] [[1894]] in [[Rauris]] die 23‑jährige Gertraud Schlick, eheliche Tochter des Joseph Schlick, gewesener Bauers am Weiner-Lehen, wo er als Knecht arbeitete.
  
Die Gespräche am Kammerfenster zweifellos oft überaus reizvoll und beglückend, eben so schön, wie es in der Liebe ablaufen kann. Und es erforderte von den Burschen einigen Mut, Fenstern zu gehen. 
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==Weitere Artikel im SALZBURGWIKI im Zusammenhang mit Dienstboten==
Bösartige oder enttäuschte Freier ließen ab und zu die Leiter beim Kammerfenster angelehnt, denn es es galt als Schande, wenn am Morgen noch eine Leiter beim Kammerfenster lehnte. Man konnte ja auch vermuten, dass sich der Bursch noch in der Mädchenkammer befand.
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* [[Fensterln]]
 
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* [[Anbandeln]]
Erst später, wenn die Beziehung schon offizielleren Charakter hatte, wurde das Haus durch die Haustüre betreten.
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* [[Ledige Kinder]]
 
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* [[Schlenkern]]
Als mit dem Beginn der allgemeinen Motorisierung auch vielfach auch schon die Burschen Autos hatten, hat sich das Kennenlernen sehr rasch in gemeinsame Besuche von Kinos oder Discos u. sonstige Veranstaltungen verlagert. 
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* [[Nachtroas]]
 
 
 
 
  
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==Literatur==
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* [[Franz Innerhofer|Innerhofer, Franz]]: ''Schöne Tage'', 1974, 2012 Neuauflage im Salzburger [[Residenz Verlag]]
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* Walleitner, Josef: ''Volkskundliche Studie zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Dienstboten im Ober-Pinzgau'',  Salzburg 1946, Habilitationsschrift aus Patristik und Kirchengeschichte an  der  [[Katholisch-Theologische Fakultät an der Universität Salzburg|Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Salzburg]]
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*  Walleitner, Josef: ''Der Knecht. Volks- und Lebenskunde eines Berufsstandes im Oberpinzgau.'' Salzburg, [[Otto Müller Verlag]], 1947<ref>Quelle [http://www.zvab.com/displayBookDetails.do?itemId=229337607&b=1  www.zvab.com]</ref>
  
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==Quellen==
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* ''Salzburger Geschichten'', Herausgeber [[SalzburgerLand Tourismus Gesellschaft]], Datum unbekannt
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* [[Theresia Oblasser]]: ''bi nit va dao bi va weit hea'', Gedichte aus den [[Hohen Tauern]], S. 149–151, [[Verlag Anton Pustet]], Salzburg, 2011
  
wird noch ergänzt
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== Einzelnachweise ==
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<references/>
  
Rund 300.000 Dienstboten gab es in den [[1930er]] Jahren noch Österreich.
 
 
==Quelle==
 
* ''Salzburger Geschichten'', Herausgeber [[SalzburgerLand Tourismus Gesellschaft]], Datum unbekannt
 
  
 
[[Kategorie:Geschichte]]
 
[[Kategorie:Geschichte]]
[[Kategorie:Kulturgeschichte]]
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[[Kategorie:Wirtschaft]]
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[[Kategorie:Wirtschaft (Geschichte)]]
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[[Kategorie:historischer Beruf]]
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[[Kategorie:Landwirtschaft]]
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[[Kategorie:Landwirtschaft (Geschichte)]]

Aktuelle Version vom 26. November 2025, 11:30 Uhr

Historische Personaldokumente#Heimatschein einer 1911 geborenen Dienstmagd, die in der Gemeinde Hintersee heimatberechtigt war

Dienstboten waren einst, vor allem in der Landwirtschaft, besitzlose Knechte und Mägde. Rund 300 000 Dienstboten gab es in den 1930er-Jahren noch in Österreich.

Geschichte

Der heute fast ganz in Vergessenheit geratene Georg Eberl aus Piesendorf hat in seinem Buch "Als ich noch Jungknecht war" das Leben als Dienstbote Innergebirg beschrieben. Franz Innerhofer, Sohn einer Magd in Krimml im Oberpinzgau, schildert in seinen Büchern den harten und trostlosen Alltag von Dienstboten im Salzburger Land, wie man ihn noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erleben konnte. Theresia Oblasser beschreibt in ihrem Text "Kneaicht seii" (Knecht sein) in berührender Weise das Leben eines Knechtes auf dem Brandstätthof in Taxenbach.

Innerhofer schreibt u. a., dass Pfarrer von der Kanzel in ihren Predigten gegen vorehelichen Geschlechtsverkehr wetterten und dabei nur die Dienstboten anschauten. Selbst die Kirche betrachtete sie nicht als Christen in dem Sinne, denn manche Dienstboten gingen nur zur Messe, weil sie von ihren Dienstherren dazu gezwungen wurden. Die Teilnahme an der österlichen Beichte mussten die Dienstboten mittels Vorlage des Beichtzettels nachweisen. Kirchgangverweigerung hätte dazu führen können, dass der Bauer die Person noch am selben Tag vom Hof verjagt.

Besonders die Frauen litten unter der Rechtlosigkeit ihres Standes. Mägde durften in den allermeisten Fällen nicht heiraten, weil sie als Arbeitskräfte notwendig waren. Nur heimlich konnten sie Liebschaften haben. Nahm beispielsweise eine Magd das Taschenmesser eines Knechts beim Jausnen, so konnte man davon ausgehen, dass der Knecht noch am selben Abend sie in ihrer Kammer besuchte. Auf jeden Fall wurden bei Liebesbeziehungen immer die Frauen verantwortlich gemacht. Kamen so genannte Ledige Kinder zur Welt, starben viele bereits im Säuglingsalter (eine Statistik zwischen 1901 und 1910 zeigt eine fast 50prozentige Sterberate auf). Bis zum letzten Tag in der Schwangerschaft mussten die Mägde arbeiten, und viele der Dienstboten-Kinder wurden ausgestiftet, das heißt, meist schon nach dem Wochenbett in Pflege gegeben. Solche Kinder wurden schon im Kindesalter als billige Arbeitskräfte zu Bauern in den Dienst geschickt. Die Schule konnte meist nur sporadisch besucht werden und im Alter von 12 Jahren endete die Schulpflicht. Kinder von Dienstboten wurden häufig als geringwertig betrachtet, wie eine Eintragung eines Lehrers in Zederhaus in der Schulchronik zeigt:

...Am 6. November 1923 starb der 13jährige Schüler Johann E., Ziehkind in Lamm. Er war ein Büffel, Trotzkopf und Strolch, um den nicht schade war. Zur Berechtigung sei angeführt, daß er mehrmals in der Woche in der 1. Klasse unter die Bank Haufen machte. Vom Urinieren sei gar nicht gesprochen...

Dienstbotenfeiertage waren ein Dorn im Auge mancher Bauern und Gemeindeverantwortlichen. Im Gemeindeausschussprotokoll in Ramingstein liest man 1930 und 1931: ... Seitens des Gemeindeamtes sind die nicht selten stattfindenden Winkeltänze während der Erntezeit auf das strengste zu verbieten und gegen Zuwiderhandeln mit entsprechenden Strafen vorzugehen. Tanzverbot vom 15. Juni bis zum 15. September...

Am 3. Februar 1923 fand ein ein seltenes Fest der Dienstbotenehrung auf Gut Brandlhof statt.

Wechseltage

Der übliche Wechseltag von einem Hof zum anderen war Maria Lichtmess, für besonders Fleißige konnte dies aber schon am Michaelitag geschehen. Dazu wurden von den Heimatgemeinden der Dienstnehmer sogenannte Dienstbüchl ausgestellt, ohne die ein Wechsel nicht möglich war. In manchen Gegenden hieß dieses Dokument Leikaufschein, der zu Michaeli dem neuen Bauern ausgehändigt wurde. Damit hatte der Dienstbote sich und seine Arbeitskraft für ein Jahr dem Bauern verkauft.[1]

Besondere Fälle

Der unehelicher Sohn der Theresia Rieß, einer ledigen Dienstmagd, Rupert I. Rieß, heiratete am 19. November 1894 in Rauris die 23‑jährige Gertraud Schlick, eheliche Tochter des Joseph Schlick, gewesener Bauers am Weiner-Lehen, wo er als Knecht arbeitete.

Weitere Artikel im SALZBURGWIKI im Zusammenhang mit Dienstboten

Literatur

Quellen

Einzelnachweise

  1. Quelle SALZBURGWIKI-Artikel Michaelitag und dortige Quellen
  2. Quelle www.zvab.com