Oberlechner-Grab am Petersfriedhof: Unterschied zwischen den Versionen

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<small>Zwei Disticha von Hermannus Hugo (einem flämischen Jesuiten, der von 1588 bis 1629 lebte), aus „Pia desideria“ (Fromme Sehnsüchte), erschienen 1624 in Antwerpen. S. 382 und 390:</small><ref>Samt versförmiger Arbeitsübersetzung, beigestellt vom Artikel(erst)verfasser.</ref>  
 
<small>Zwei Disticha von Hermannus Hugo (einem flämischen Jesuiten, der von 1588 bis 1629 lebte), aus „Pia desideria“ (Fromme Sehnsüchte), erschienen 1624 in Antwerpen. S. 382 und 390:</small><ref>Samt versförmiger Arbeitsübersetzung, beigestellt vom Artikel(erst)verfasser.</ref>  
  
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Version vom 6. März 2010, 02:25 Uhr

Einer der ältesten (auf dem Gräberfeld stehenden) und bemerkenswertesten Grabsteine des Salzburger Petersfriedhofs ist der des Dominicus Oberlechner.

Künstlerisch ist er unscheinbar, doch in seiner Umgebung ungewöhnlich durch die aus insgesamt sechs Sprachen zusammengesetzten Aufschriften.

Beschreibung

Die Vorderseite des auf quadratischem Grundriss stehenden Grabsteines trägt die Widmung an den verstorbenen Sohn, die linke und die rechte Seitenfläche kurze Sinnsprüche in lateinischer, französischer, altgriechischer und englischer Sprache, die Rückseite ein italienisches Gedicht in Sonettform.

Vorderseite

Vorder- und rechte Seite

Die Grabschrift der Vorderseite lautet (samt Übersetzung der lateinischen Worte in das Deutsche):

Hier ruht die Hülle des Wohlgebornen
Herrn
Dominicus Oberlechner
Stadtphysikus Sohns;
juris Candidati präcellentis
[des Rechts ausgezeichneten Kandidaten (d.h. wohl: Studenten nach Absolvierung des ersten Studienabschnitts)]
auf der Universität zu Wien,
welcher
im 23. Jahre d. 27. November 1821
entschlief.
Hienieden die Freude seiner Aeltern!
Jenseits schauend die Quelle
des Rechtes.

Rechte Seitenfläche

Ο θάνατος το τέλος ἐστι τῆς λύπης, Der Tod ist das Ende des Leides
τοῦ ἔξορισμοῦ, τῶν πονῶν der Verbannung, der Mühen
καὶ und
ἡ αρχή τῆς αιδίου εὐδαιμονίας. der Beginn der Glückseligkeit des Hades.


All, what is, lives. Alles, was ist, lebt.
Nothing is annihilabl Nichts ist vernichtbar.
Even Moulderung is transition Sogar Verwesung ist Übergang
to new life. zu neuem Leben.
Rück- und linke Seite

Linke Seitenfläche

Zwei Disticha von Hermannus Hugo (einem flämischen Jesuiten, der von 1588 bis 1629 lebte), aus „Pia desideria“ (Fromme Sehnsüchte), erschienen 1624 in Antwerpen. S. 382 und 390:[1]

Protinus aligeris raperer super aethera velis, Vorwärts ich würde gerafft mit geflügelten Segeln über den Äther,
Nostra nec has iterum viseret ala plagas. nimmer besäh’n diese Schläg’   unsere Flügel auch.
Iam flagrat, et studio nimis inflammata videndi, Schon lodert, und allzusehr entflammt des Sehens mit Eifer,
Mens desiderio deficit aegra suo! krank nicht hält der Geist   stand dem Begehren sein!


La vie de l’homme sur la terre   Das Leben des Menschen auf der Erde
est une guerre perpetuelle. ist ein endloser Krieg.
Il n’y a d’autre port, Es gibt keinen anderen Hafen,
d’autre moyen kein anderes Mittel
de tranquillité der Ruhe
que la seule mort! als allein den Tod!


Rückseite

Die Rückseite trägt ein Gedicht in italienischer Sprache, dessen melancholischer Schönheit man sich schwer entziehen kann:

Humana Beltade Menschliche Schönheit,
Appunto d'un Fiore genau wie eine Blüte
Non dura gia più: schon dauert sie nicht mehr.
Sì tosto ella cade, So bald fällt sie,
Sì presto ella muore, so schnell stirbt sie,
Che quasi non fù. dass fast sie nicht war.
Di nostra gioventù Unserer Jugend
Dura sì poco il verde, Grün dauert so wenig,
Che quando a noi si mostra all’hor si perde.  dass es, wenn es sich uns zeigt, sogleich sich verliert.

Es handelt sich um die vierte und letzte Strophe des Sonetts „La Rosa Morale“ von Bernardo Morando.[2]

Anmerkungen

Für einen im Jahr 1821 gesetzten Grabstein erscheint es als ungewöhnlich, dass er zwei Zitate (lateinisch und italienisch) aus der längst verblassten religiösen Barockliteratur trägt; dies verknüpft mit stoisch anmutenden Lobpreisungen des Todes.

Fußnoten

  1. Samt versförmiger Arbeitsübersetzung, beigestellt vom Artikel(erst)verfasser.
  2. Bernardo Morando (1589–1656), ein Ordensmann und Autor. Das Sonett ist dem in der Barockzeit auflagenstarken Roman „La Rosalinda“ (1. Aufl. Piacenza 1650), I, 72, entnommen. In dem Roman stoßen einem frommen katholischen (italienisch-englischen) Liebespaar so viele Widrigkeiten zu, dass es, daraus den Willen des Himmels erschließend, auf eine Heirat verzichtet: Er tritt in ein Mönchs-, sie in ein Nonnenkloster ein. Vgl dazu Emanuele Arata: La resistibile ascesa di un narratore secentista: „La Rosalinda” di Bernardo Morando (1999/2000). Die im Artikel angesprochene melancholische Schönheit entspricht freilich nicht der Absicht des Autors, der vielmehr der irdischen Vergänglichkeit die Vorzugswürdigkeit der Weltentsagung gegenüberstellt.