Verkehrsanekdote 1926

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Die nachstehende Verkehrsanekdote aus dem Jahr 1926 schildert die Logik der damaligen Polizei.

Die Anekdote

Der Fahrer ist stets der Schuldige'

Am 28. Juli d. J. [Anm. 1926] fuhr ich mit meiner Herrder­son [Anm. Motorrad mit Beiwagen], von Maxglan kommend, in der Stadt Salzburg ein. Als ich am Mozartplatz in eine schmale Gasse (S-Kurve, welche zur Salzachbrücke führt) ein­bog, gab mir der dort befindliche Wachmann, er trug die Nr. 5, auf mein Signal hin in vor­bildlicher Weise - diese Art Zeichengebung sind wir Wien er leider selten gewohnt - freie Fahrt. Bei der nächsten Biegung tauchte ein zweiter Posten auf, der mich herankommen ließ und dann auf kurze Distanz abstoppte.

"Bitte um Ihr Typenzeugnis, Führerschein etc.". Ich er­laubte mir die Frage, was er eigentlich von mir wolle und erhielt die überraschende Auskunft, daß die Durchfahrt verboten wäre. Nach genauer Abnahme meines Nationales forderte das Organ der Obrigkeit von mir sechs Schilling Strafe. Auf meinen Einwand, daß mir sein Berufskollege, 25 Schritte von uns entfernt stehend, freie Fahrt gegeben habe, ich also nicht im geringsten daran denke, die Strafe zu bezahlen, erklärte der Wachmann überlegen lächelnd: "Wenn Sie es nicht gleich zahl'n, wird es Sie halt bedeutend höher zu stehen kommen". Nun wurde mir die Sache zu dumm, ich stieg ab und ging zu Nr. 5 retour.

"Bitte ent­schuldigen Sie, Sie gaben mir doch vorhin freie Fahrt?!"..."Na und?", "Ihr Kollege vis-a-vis hat mich aufgeschrieben, angeblich ist hier die Durch­fahrt verboten und ich soll sechs Schilling Strafe zahlen". Zuerst ein starres Gesicht, welches sich allmählich in Lächeln auflöste. "Der hat ja gar keine Berechtigung, daß er Ihna aufschreibt, wiss'n 's dös san junge Leut' die kennen sich noch net aus. Gengans z'ruck und sagn's, das hab' i g'sagt". "Bitte wollen Sie aber nicht lieber mitkommen?" "Na das genügt schon".

Also zurück zu Nr. 114. "Herr Wachmann Sie haben ja kein Recht mich aufzuschreiben, es ist hier freie Durchfahrt". "Wer sagt das?" "Ihr Kollege Nr. 5". Meine Frau, die bisher ruhig im Beiwagen gesessen und bei der gerade ein Auto vorbei­fuhr, ging bei diesem Anblick aus ihrer Ruhe heraus: "Sie schreiben uns hier auf und lassen das Auto passieren?!"

Und jetzt kommt der Clou der ganzen Sache, merke gut auf, lieber Leser! Der Wachmann sagte nämlich: "Ja, Auto­mobile dürfen durchfahren, aber für Motorräder ist die Durchfahrt verboten".

So geschehen im Sommer 1926 in der Fremdenstadt Salzburg.

Ich will nur noch bemerken, daß das Publi­kum, welches sich bei diesem Vorfall in beträcht­licher Menge angesammelt hatte, für mich Partei nahm und es wurden Stimmen laut, wie: "Das ist kein Vorgehen gegen Fremde, das macht nur böses Blut, - net an Kreuzer zahl'ns, - die wiss'n ja selber net was sie tun soll'n" etc. Nr. 114 wurde rot, fing zu stottern an und drehte uns den Rücken. Ich habe natürlich nichts gezahlt und bin weiter gefahren. Das Vorgehen der Salzburger Polizeibehörde, an einer der verkehrsreichsten Kreuzung-en ein Wachorgan zu postieren, das in die Straßenfahr­ordnung noch nicht eingeweiht ist, bedarf nach dem vorher Geschilderten wohl keiner Kritik. Vielleicht nützen diese Zeilen, um den Be­hörden wieder einmal zu beweisen, daß nicht immer der arme Aufgeschriebene unbedingt der Schuldige sein muß und vielleicht wird doch einmal eine gesetzliche Aenderung erfolgen, wonach dem Lenker eines Kraftfahrzeuges in Anzeigefällen wegen Verletzung der Verkehrs­vorschriften, entgegen den bisherigen Gepflogen­heiten, die Möglichkeit einer Verteidigung ge­geben wird und sich das Urteil nicht einzig und allein auf die unter Diensteid abgegebene Aus­sage des Wachmannes stützt; ein Rekurs gegen ein solches Verdikt ist bekanntlich unzulässig.

Quelle

  • Motorradzeitschrift "Das Motorrad", Jahrgang 1926, Nr. 33