| Zeile 7: |
Zeile 7: |
| | Andreas Rohracher kam in Lienz in Osttirol als eines von sechs Kindern des Franz Rohracher, Bürgermeister von Lienz, und dessen Ehefrau Anna, geborene Jaufer, zur Welt. | | Andreas Rohracher kam in Lienz in Osttirol als eines von sechs Kindern des Franz Rohracher, Bürgermeister von Lienz, und dessen Ehefrau Anna, geborene Jaufer, zur Welt. |
| | | | |
| − | ==== Sein geistlicher Werdegang ====
| + | === Sein geistlicher Werdegang === |
| − | Nach dem Besuch des Knabenseminars Cassianeum von [[1903]] bis 1911 in [[Brixen]], [[Südtirol]], war Rohracher von [[1911]] bis 1915 am Priesterseminar in Klagenfurt, [[Kärnten]]. Am [[25. Mai]] [[1915]] wurde er im Olivetanerstift in Tanzenberg<ref>[https://www.kath-kirche-kaernten.at/pages/bericht.asp?id=630; www.kath-kirche-kaernten.at], bei einer Kontrolle im August 2021 nicht mehr online]</ref> zum Priester geweiht. In Spittal an der Drau war er dann von 1915 bis 1918 Kaplan, von [[1918]] bis 1919 Ordinariatssekretär und Hofkaplan in Klagenfurt sowie von [[1919]] bis 1920 Vizeregens im fürstbischöflichen Priesterseminar in Klagenfurt. | + | Nach dem Besuch des Knabenseminars ''Cassianeum'' von [[1903]] bis 1911 in [[Brixen]], [[Südtirol]], war Rohracher von [[1911]] bis 1915 am Priesterseminar in Klagenfurt, [[Kärnten]]. Am [[25. Mai]] [[1915]] wurde er im Olivetanerstift in Tanzenberg<ref>[https://www.kath-kirche-kaernten.at/pages/bericht.asp?id=630; www.kath-kirche-kaernten.at], bei einer Kontrolle im August 2021 nicht mehr online]</ref> zum Priester geweiht. In Spittal an der Drau war er dann von 1915 bis 1918 Kaplan, von [[1918]] bis 1919 Ordinariatssekretär und Hofkaplan in Klagenfurt sowie von [[1919]] bis 1920 Vizeregens im fürstbischöflichen Priesterseminar in Klagenfurt. |
| | | | |
| | Von 1922 bis 1927 studierte er Theologie in Innsbruck (Promotion am [[14. Oktober]] [[1922]]), Rechtswissenschaften in Wien (Promotion Dr. iur. utr. am [[18. November]] [[1926]]) und Kirchenrecht in Rom, [[Italien]] (Promotion zum Dr. iur. can. am [[4. Juli]] [[1927]]). Es folgte eine Tätigkeit als Rechtskonsulent des Ordinariats der [[Bistum Gurk|Diözese Gurk-Klagenfurt]] sowie als Prodirektor der Philosophisch-Theologischen Diözesanlehranstalt in Klagenfurt (1927 bis 1931). 1931 wurde er Ordinariatskanzler und Domherr von [[Gurk]], 1932 Regens des Priesterseminars in Klagenfurt. | | Von 1922 bis 1927 studierte er Theologie in Innsbruck (Promotion am [[14. Oktober]] [[1922]]), Rechtswissenschaften in Wien (Promotion Dr. iur. utr. am [[18. November]] [[1926]]) und Kirchenrecht in Rom, [[Italien]] (Promotion zum Dr. iur. can. am [[4. Juli]] [[1927]]). Es folgte eine Tätigkeit als Rechtskonsulent des Ordinariats der [[Bistum Gurk|Diözese Gurk-Klagenfurt]] sowie als Prodirektor der Philosophisch-Theologischen Diözesanlehranstalt in Klagenfurt (1927 bis 1931). 1931 wurde er Ordinariatskanzler und Domherr von [[Gurk]], 1932 Regens des Priesterseminars in Klagenfurt. |
| Zeile 21: |
Zeile 21: |
| | Diese geschilderten Gegensätze − Enthusiasmus für die Soldaten / Einsatz für die Menschen und Widerstand − lassen eine Beurteilung der Beziehung Rohrachers zum [[NS-Regime]] zwar nicht eindeutig ausfallen (siehe spätere Entwicklungen), doch kommen Historiker zur Meinung, dass er kein Nazibischof gewesen sei.<ref>Quelle Buch [[Erzbischof Andreas Rohracher, Krieg, Wiederaufbau, Konzil]]</ref> | | Diese geschilderten Gegensätze − Enthusiasmus für die Soldaten / Einsatz für die Menschen und Widerstand − lassen eine Beurteilung der Beziehung Rohrachers zum [[NS-Regime]] zwar nicht eindeutig ausfallen (siehe spätere Entwicklungen), doch kommen Historiker zur Meinung, dass er kein Nazibischof gewesen sei.<ref>Quelle Buch [[Erzbischof Andreas Rohracher, Krieg, Wiederaufbau, Konzil]]</ref> |
| | | | |
| − | ==== Als Erzbischof während des Krieges ====
| + | === Als Erzbischof während des Krieges === |
| | Sein Vorgänger als Erzbischof, [[Sigismund IV. von Waitz]], war zwar bereits [[1941]] gestorben, bedingt durch die Wirren des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurde Andreas Rohracher aber erst am [[3. Februar]] [[1943]] vom [[Salzburger Domkapitel]] zum neuen Erzbischof gewählt und am [[10. Oktober]] im [[Salzburger Dom]] geweiht. Während der verbleibenden Kriegsjahre waren ihm die Hände gebunden, sofort nach Ende des Krieges bemühte er sich aber um den Wiederaufbau der [[1944]] zerstörten Kuppel des [[Salzburger Dom]]s. | | Sein Vorgänger als Erzbischof, [[Sigismund IV. von Waitz]], war zwar bereits [[1941]] gestorben, bedingt durch die Wirren des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurde Andreas Rohracher aber erst am [[3. Februar]] [[1943]] vom [[Salzburger Domkapitel]] zum neuen Erzbischof gewählt und am [[10. Oktober]] im [[Salzburger Dom]] geweiht. Während der verbleibenden Kriegsjahre waren ihm die Hände gebunden, sofort nach Ende des Krieges bemühte er sich aber um den Wiederaufbau der [[1944]] zerstörten Kuppel des [[Salzburger Dom]]s. |
| | | | |
| Zeile 27: |
Zeile 27: |
| | | | |
| | === Nach dem Krieg === | | === Nach dem Krieg === |
| − | Rohracher dürfte eine zentrale Rolle bei der Bewahrung Salzburgs vor der Vernichtung gegen Endes des Krieges gespielt haben. Er traf am [[30. April]] [[1945]] um 15 Uhr mit [[Gauleiter]] [[Gustav Adolf Scheel]] in der [[Alte Residenz|Residenz]] zusammen und bat ihn, von der Verteidigung der Stadt abzusehen. Das wurde ihm von Scheel auch zugesagt. Als Gegenleistung versprach Rohracher, sich um die Gauleiterfamilie zu kümmern, da Scheel selbst sich mit der kämpfenden Truppe hinter den [[Pass Lueg]] zurückziehen wollte. Rohracher setzte sich in Folge auch wirklich für die Familie Scheel ein. Seine Beziehung zu bzw. Ansicht über Scheel stellt allerdings wieder einige Fragen in den Raum, die gesondert behandelt werden müssen.<ref>nachzulesen in [[Erzbischof Andreas Rohracher, Krieg, Wiederaufbau, Konzil]]</ref>
| + | Der nicht unumstrittene Erzbischof hatte sich mit den Nationalsozialisten in gewisser Weise arrangiert gehabt und übte diese Rolle auch noch gegen Ende und nach dem Ende des Krieges aus. So soll auch bei der Rettung der Stadt vor ihrer Zerstörung ein Gespräch zwischen dem Erzbischof und dem [[Gauleiter]] [[Gustav Adolf Scheel]] am [[30. April]] um 15 Uhr in der [[Alte Residenz|Residenz]] eine Schlüsselrolle gespielt haben. Aus einem Gedächtnisprotokoll, dass Rohracher noch am selben Tag, schrieb, geht hervor, dass Scheel Andeutungen machte, die Stadt nicht verteidigen zu wollen. Scheel versprach "alles zu tun, um die Übergabe der Stadt möglichst glatt vollziehen zu lassen und von der Bevölkerung jedes Unheil abzuwehren." Der Gauleiter wollte sich mit den kämpfenden Verbänden nach Süden hinter den [[Pass Lueg]] zurückziehen. Der Erzbischof wiederum versprach Scheel, sich um seine Familie zu kümmern. "Ich versprach dem Gauleiter, für seine Frau und seine Kinder zu tun, was möglich sei, was er mit großer Freude und beinahe ergriffen zur Kenntnis nahm." |
| | + | |
| | + | In seiner Erinnerung stellte dann aber Rohracher [[1948]] diese Unterredung in einem Brief an den [[Gustav Canaval]], dem Herausgeber der "[[Salzburger Nachrichten]]" anders dar. Darin erwähnte Rohracher eine Geiselliste, auf der er stand als er zu Scheel ging. "Ich bat Dr. Scheel von der Verteidigung der Stadt abzusehen, weil dies mit der Zerstörung Salzburgs identisch gewesen wäre. Dr. Scheel versprach mir, den Auftrag zu widerrufen, zu dem er ohnehin nur von gewisser Seite gedrängt worden war." Die Rettung der Stadt sei also von Rohracher selbst ausgegangen, schreibt dieser in seinem Brief an Canaval, "weil ich weiß, daß kurz nach dem Einmarsch der Amerikaner andere Persönlichkeiten sich das Verdienst der Rettung Salzburg zugeschrieben haben."<ref>"[[Erzbischof Andreas Rohracher, Krieg, Wiederaufbau, Konzil]]", Seite 146f</ref> Jedenfalls kümmerte sich der Erzbischof in Folge tatsächlich um die Familie von Scheel und besuchte auf Ersuchen seiner Frau den ehemaligen Gauleiter im Salzburger Gefängnis und informierte Frau Scheel darüber. |
| | | | |
| | Am [[27. Oktober]] [[1946]] konnte er die erste Messe im provisorisch in Stand gesetzten Dom feiern. Zwei Jahre später weihte er am [[17. Oktober]] [[1948]] die renovierte [[Kollegienkirche]] mit einer Festpredigt ein. Noch im selben Jahr intervenierte er zu Gunsten des ehemaligen Gauleiters Scheel, dem in Heidelberg der Prozess gemacht wurde. | | Am [[27. Oktober]] [[1946]] konnte er die erste Messe im provisorisch in Stand gesetzten Dom feiern. Zwei Jahre später weihte er am [[17. Oktober]] [[1948]] die renovierte [[Kollegienkirche]] mit einer Festpredigt ein. Noch im selben Jahr intervenierte er zu Gunsten des ehemaligen Gauleiters Scheel, dem in Heidelberg der Prozess gemacht wurde. |
| Zeile 36: |
Zeile 38: |
| | Andreas Rohracher war eine der großen Kirchenpersönlichkeiten seiner Zeit in Österreich, ein Förderer der Jugendarbeit – groß war seine Unterstützung vor allem für die Katholische Jugend –, aber auch der [[Caritas]]; sehr umstritten und gleichzeitig ein zentrales Lebenswerk waren seinen Aktivitäten im [[Soziales Friedenswerk für Heimatvertriebene|Sozialen Friedenswerk für Heimatvertriebene]]. Zielstrebig bemühte er sich um die Wiedererrichtung der [[Universität Salzburg]]. Vor allem aber galten seine Bemühungen den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen in der [[Nachkriegszeit]]. | | Andreas Rohracher war eine der großen Kirchenpersönlichkeiten seiner Zeit in Österreich, ein Förderer der Jugendarbeit – groß war seine Unterstützung vor allem für die Katholische Jugend –, aber auch der [[Caritas]]; sehr umstritten und gleichzeitig ein zentrales Lebenswerk waren seinen Aktivitäten im [[Soziales Friedenswerk für Heimatvertriebene|Sozialen Friedenswerk für Heimatvertriebene]]. Zielstrebig bemühte er sich um die Wiedererrichtung der [[Universität Salzburg]]. Vor allem aber galten seine Bemühungen den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen in der [[Nachkriegszeit]]. |
| | | | |
| − | ===== Seine Rolle im und nach dem Zweiten Weltkrieg =====
| + | ==== Seine Rolle im und nach dem Zweiten Weltkrieg ==== |
| | Obwohl Rohracher als Reformer galt, war er politisch nicht unumstritten. Er hielt mutige Predigten gegen das [[Adolf Hitler|Hitler]]-Regime, sprach in seiner Predigt bei seiner Amtseinführung am 10. Oktober 1943 im Salzburger Dom unmissverständliche Worte zur "Herrenmoral der Nazis", die sogar zu einem für die damalige Zeit völlig unüblichen Applaus im Dom führten. Aber nach Kriegsende drängte er einerseits auf Aussöhnung mit ehemaligen [[NSDAP]]-Mitgliedern (wenn auch unter der Voraussetzung, dass diese keine persönliche Schuld auf sich geladen hatten), andererseits sorgte seine Auswahl bei der Beantwortung von rund 7 000 Briefen ehemaliger Parteigänger, in denen er um Hilfe und Unterstützung gebeten wurde, für Kritik. | | Obwohl Rohracher als Reformer galt, war er politisch nicht unumstritten. Er hielt mutige Predigten gegen das [[Adolf Hitler|Hitler]]-Regime, sprach in seiner Predigt bei seiner Amtseinführung am 10. Oktober 1943 im Salzburger Dom unmissverständliche Worte zur "Herrenmoral der Nazis", die sogar zu einem für die damalige Zeit völlig unüblichen Applaus im Dom führten. Aber nach Kriegsende drängte er einerseits auf Aussöhnung mit ehemaligen [[NSDAP]]-Mitgliedern (wenn auch unter der Voraussetzung, dass diese keine persönliche Schuld auf sich geladen hatten), andererseits sorgte seine Auswahl bei der Beantwortung von rund 7 000 Briefen ehemaliger Parteigänger, in denen er um Hilfe und Unterstützung gebeten wurde, für Kritik. |
| | | | |
| − | Aus seinen Antwortschreiben geht hervor, dass der Erzbischof Hilfe ablehnte, wenn das Schreiben von einem Angehörigen höherer NS-Funktionäre kam. Umstritten war auch sein Einsatz nach 1945 für ehemalige Nationalsozialisten und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Auch seine Gründung des Sozialen Friedenswerks für Heimatvertriebene sorgte für Kritik, denn die damit gezeigte versöhnliche Haltung des Erzbischofs wurde auch vielfach missbraucht, wie ein kirchlicher Zeitzeuge 2009 berichtet<ref>Quelle dieses Absatzes ist ein Artikel der [[Salzburger Nachrichten]] vom 15. September 2009, in dem von einer überraschend frühen Öffnung des gesamten Archivmaterials von Andreas Rohracher berichtet wird.</ref>. | + | Aus seinen Antwortschreiben geht hervor, dass der Erzbischof Hilfe ablehnte, wenn das Schreiben von einem Angehörigen höherer NS-Funktionäre kam. Umstritten war auch sein Einsatz nach 1945 für ehemalige Nationalsozialisten und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Auch seine Gründung des Sozialen Friedenswerks für Heimatvertriebene sorgte für Kritik, denn die damit gezeigte versöhnliche Haltung des Erzbischofs wurde auch vielfach missbraucht, wie ein kirchlicher Zeitzeuge 2009 berichtet<ref>Quelle dieses Absatzes ist ein Artikel der "[[Salzburger Nachrichten]]" vom 15. September 2009, in dem von einer überraschend frühen Öffnung des gesamten Archivmaterials von Andreas Rohracher berichtet wird.</ref>. |
| | | | |
| | === Sein Wirken === | | === Sein Wirken === |