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==== Unbekannter Schreiber an Franz Spängler ====
 
==== Unbekannter Schreiber an Franz Spängler ====
Ried, 5./12. [18]96/ Liebster Franzl! Nachdem Dir mein Schwesterlein bereits nicht nur in Person, sondern auch sogar in Presir ihre Glückwünsche dargebracht hat, so ist es für mich schwer eine dritte Form zu finden in welcher ich meine Gratulation gebührend anbringen könnte. Ich muß Dich daher bitten, auch so von der Aufrichtigkeit und Herzlichkeit meiner Glückwünsche überzeugt zu sein, denen ich hiermit Ausdruck verleihe. Ich habe endlich die Freude mitempfunden, die dir das glückerreichte, mühsam errungene Ziel bereitet haben muß. Ach, liebster Franzl, wie kurze Zeit ist es doch erst, so scheint es mir wenigstens, als Du nach Deiner ersten Gesangsstunde glückstrahlend zu uns kamst und uns erzähltest, es sei Dir bereits ein Knopf aufgegangen, denn Du hättest nun einen Begriff von Kehlenstellung. Wie viele Knöpfe sind Dir wohl seit jenem Tag aufgegangen! Es war doch damals eine schöne, schöne Zeit! Für Dich ist sie jetzt wohl noch schöner aber in immer anderer Weise. Wir hier fühlen uns wohl auch äußerst behaglich, wie es bei einem so müsigen gleichmäßigem Leben wohl nicht anders möglich ist, doch wenn ich an jene Zeiten denke wo wir uns noch so für das Wesen, den frühesten Wunsch und Lebenszweck, Jemand ecl. interessierten, dann muß ich mir wohl gestehen, so wie damals ist es doch nicht mehr! - Was ist’s Franzl, werden wir auf’s Jahr nicht die Freude haben Euch allen unser Heim zeigen zu können. Ihr solltet Euch doch unsern Aufenthalt einmal anschauen dann hätten wir mehr Anknüpfungspunkte zu einem halbwegs inhaltsreichen Brief. Außerdem hättet Ihr ja das beneidenswerte Bewußtsein, dem reizenden Kind bald wieder den Rücken drehen zu können um nach unserm lieben Krems zurückzukehren! Überlegt Euch doch die Sache und bringt sie einmal an einem Sonntag auf’s Tapet, damit doch auch Prf. Walter und Basa [?] den Gedanken fassen. - Nimmst Du noch Gesangsstunden oder bist Du schon dazu auf einer zu hohen Stufe? Ich betreibe das Klavier mit ziemlichen Fleiß. Ich spiele täglich Scalen in allen möglichen und unmöglichen Arten, Etüden von Cremer u. Steffen Heller, Beethoven Sonaten und einige gefällige Vortragsstücke. Elsa singt fleißig Übungen, Lieder von Schubert und Robert Franz, die sie zum Namenstag bekam. Was machst Du denn für Weihnachten, ist das ein Geheimnis? Durch meine vielseitige Correspondenz vergesse ich leider immer, was ich den betreffenden im letzten Brief geschrieben habe, und so fürchte ich auch jetzt, Euch eine alte Geschichte aufzutischen, wenn ich Euch von unsern musikalischen Zusammenkünften mit Höss erzähle. Es ist dieß nämlich die Familie des hiesigen Raatsanwaltes, bestehend aus Papa, Mama und Sohn Theodor. Die beiden Herren spielen Violine und wir beiden begleiten sie dazu am Klavier. Es ist dieß eine ganz nette Zerstreuung für den Winter. - Daß wir unser altes Pianino verkauften, habe ich wohl auch schon einmal geschrieben? Mutter möchte auch noch zu diesem Brief dazuschreiben daher Schluß. Mit vielen, vielen Grüßen an unsere lieben Kremser Freunde umarme ich Dich innig als deine treue Anna. - Liebstes Franzerl. 5./12 [18]96/ Deinen lieben Eltern habe ich schon Glück gewünscht, nun nimm auch vorallem du selbst die aufrichtigsten herzlichsten Glückwünsche zur glücklich überstandenen Prüfung entgegen. Onkel Seh [?] schließt sich meinen Wünschen an, da er schwerlich dazukommen wird selbst zu schreiben/ Auch ich erinnere Euch alle an das Versprechen uns zu besuchen. Je größer die Zahl der Kremserbesuche desto lieber. Nimm einen herzlichen Kuß von deiner Tante Anna. - Franz Spängler ist in Krems in vielen Vereinen tätig, u.a. Ehrenmitglied des Wiener Sängerbundes und Aktiver der Liedertafel in Pottenstein und des „Gesang- und Orchestervereins“ in Krems (davon 25 Jahre als Vorstand). In seinem Nachlass befinden sich neben der Stimmpfeife u.a. Erinnerungen und Medaillen der Salzburger Liedertafel, des Niederösterreichischen Sängerbundes, des Wiener Lehrergesangvereins und der Sängerbundesfeste in Wien (1890) und Stuttgart (1896). [Medaillen gingen an der Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern in Bruckmühl]
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''Ried, 5./12. [18]96/ Liebster Franzl! Nachdem Dir mein Schwesterlein bereits nicht nur in Person, sondern auch sogar in Presir ihre Glückwünsche dargebracht hat, so ist es für mich schwer eine dritte Form zu finden in welcher ich meine Gratulation gebührend anbringen könnte. Ich muß Dich daher bitten, auch so von der Aufrichtigkeit und Herzlichkeit meiner Glückwünsche überzeugt zu sein, denen ich hiermit Ausdruck verleihe. Ich habe endlich die Freude mitempfunden, die dir das glückerreichte, mühsam errungene Ziel bereitet haben muß. Ach, liebster Franzl, wie kurze Zeit ist es doch erst, so scheint es mir wenigstens, als Du nach Deiner ersten Gesangsstunde glückstrahlend zu uns kamst und uns erzähltest, es sei Dir bereits ein Knopf aufgegangen, denn Du hättest nun einen Begriff von Kehlenstellung. Wie viele Knöpfe sind Dir wohl seit jenem Tag aufgegangen! Es war doch damals eine schöne, schöne Zeit! Für Dich ist sie jetzt wohl noch schöner aber in immer anderer Weise. Wir hier fühlen uns wohl auch äußerst behaglich, wie es bei einem so müsigen gleichmäßigem Leben wohl nicht anders möglich ist, doch wenn ich an jene Zeiten denke wo wir uns noch so für das Wesen, den frühesten Wunsch und Lebenszweck, Jemand ecl. interessierten, dann muß ich mir wohl gestehen, so wie damals ist es doch nicht mehr! - Was ist’s Franzl, werden wir auf’s Jahr nicht die Freude haben Euch allen unser Heim zeigen zu können. Ihr solltet Euch doch unsern Aufenthalt einmal anschauen dann hätten wir mehr Anknüpfungspunkte zu einem halbwegs inhaltsreichen Brief. Außerdem hättet Ihr ja das beneidenswerte Bewußtsein, dem reizenden Kind bald wieder den Rücken drehen zu können um nach unserm lieben Krems zurückzukehren! Überlegt Euch doch die Sache und bringt sie einmal an einem Sonntag auf’s Tapet, damit doch auch Prf. Walter und Basa [?] den Gedanken fassen. - Nimmst Du noch Gesangsstunden oder bist Du schon dazu auf einer zu hohen Stufe? Ich betreibe das Klavier mit ziemlichen Fleiß. Ich spiele täglich Scalen in allen möglichen und unmöglichen Arten, Etüden von Cremer u. Steffen Heller, Beethoven Sonaten und einige gefällige Vortragsstücke. Elsa singt fleißig Übungen, Lieder von Schubert und Robert Franz, die sie zum Namenstag bekam. Was machst Du denn für Weihnachten, ist das ein Geheimnis? Durch meine vielseitige Correspondenz vergesse ich leider immer, was ich den betreffenden im letzten Brief geschrieben habe, und so fürchte ich auch jetzt, Euch eine alte Geschichte aufzutischen, wenn ich Euch von unsern musikalischen Zusammenkünften mit Höss erzähle. Es ist dieß nämlich die Familie des hiesigen Raatsanwaltes, bestehend aus Papa, Mama und Sohn Theodor. Die beiden Herren spielen Violine und wir beiden begleiten sie dazu am Klavier. Es ist dieß eine ganz nette Zerstreuung für den Winter. - Daß wir unser altes Pianino verkauften, habe ich wohl auch schon einmal geschrieben? Mutter möchte auch noch zu diesem Brief dazuschreiben daher Schluß. Mit vielen, vielen Grüßen an unsere lieben Kremser Freunde umarme ich Dich innig als deine treue Anna. - Liebstes Franzerl. 5./12 [18]96/ Deinen lieben Eltern habe ich schon Glück gewünscht, nun nimm auch vorallem du selbst die aufrichtigsten herzlichsten Glückwünsche zur glücklich überstandenen Prüfung entgegen. Onkel Seh [?] schließt sich meinen Wünschen an, da er schwerlich dazukommen wird selbst zu schreiben/ Auch ich erinnere Euch alle an das Versprechen uns zu besuchen. Je größer die Zahl der Kremserbesuche desto lieber. Nimm einen herzlichen Kuß von deiner Tante Anna.''
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Franz Spängler ist in Krems in vielen Vereinen tätig, u. a. Ehrenmitglied des Wiener Sängerbundes und Aktiver der Liedertafel in Pottenstein und des „Gesang- und Orchestervereins“ in Krems (davon 25 Jahre als Vorstand). In seinem Nachlass befinden sich neben der Stimmpfeife u. a. Erinnerungen und Medaillen der Salzburger Liedertafel, des Niederösterreichischen Sängerbundes, des Wiener Lehrergesangvereins und der Sängerbundesfeste in Wien (1890) und Stuttgart (1896). [Medaillen gingen an der Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern in Bruckmühl]
    
==== Korrespondenz ====
 
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