Salzburger Festspiele und ihre Künstler
Die Salzburger Festspiele und ihre Künstler standen in einem Beitrag der Salzburger Nachrichten vom 14. März 2013.
Facebook als Klagemauer für Künstler
Wehrt euch. Eine Facebook-Seite für böse Erlebnisse von Künstlern bekommt nun prominente Unterstützung. Seit 19. Februar 2013 gibt es auf Facebook die Seite "Die traurigsten & unverschämtesten Künstler-Gagen & Auditionserlebnisse" mit 3 556 "Likes" bis 13. März 2013.
Tänzer, Schauspieler, Sänger leiden unter demütigenden Zuständen, Minigagen oder Knebelverträgen, sofern sie nicht nur Ausgaben haben statt Einnahmen. Dass auf dieser Beschwerdeseite der Name Elisabeth Kulman auftaucht, überrascht. Was sie offenbart, ist mutig. Der Unterzeichner ihres Festspielvertrags, Intendant Alexander Pereira, sieht die Sache naturgemäß anders.
Es gibt Schwächere als eine Festspielkünstlerin. Johannes Maria Schatz als Administrator der Facebook-Seite "möchte möglichst viele Menschen auf die schlechten Gagen und prekären Lebensbedingungen von Künstlern aufmerksam machen", die sich zumeist nicht wehren können. "Uns erreichen immer mehr Nachrichten von Künstlern, die aber gern anonym bleiben wollen, weil sie andernfalls für künftige Auditions Nachteile befürchten."
Jetzt haben die meist jungen Menschen, die statt der erhofften Karriere eine Enttäuschung nach der anderen hinnehmen müssen, die nach einer Ausbildung, nach Studium und zahllosen Stunden des Übens, eher draufzahlen müssen, statt Geld zu verdienen, eine prominente Mitstreiterin.
Elisabeth Kulman, eine der großen Mezzosopranistinnen unserer Zeit, wurde bei den Salzburger Festspielen als "Orfeo" gefeiert, in der Mozartwoche gelang ihr mit Wagners "Wesendonck-Liedern" ein Triumph der Sonderklasse. Und im Sommer 2013 ist sie als Mrs. Quickly in Verdis "Falstaff" engagiert. Von Alexander Pereira, dem neuen Herrn über das Nobelfestival und damit auch über die Verträge.
Elisabeth Kulman spricht ganz offen darüber, was sie von ihrem Vertrag mit den Salzburger Festspielen hält. Mit der Künstlerin aus der Oberliga erhielt die Facebook-Seite eine neue Dimension. Das schlägt international Wellen bis in die USA. Bisher beklagten sich hier vorwiegend Nachwuchskünstler über Missbrauch, beinharte Behandlung, Demütigung, "Verarschung" – etwa darüber, dass eine Band nach ihrem Auftritt statt einer Gage mit dem Hinweis "War eh Werbung für euch" abgefertigt wurde. Im Theaterbereich oder bei TV-Produzenten geht es oft brutal zur Sache. Zahlreich sind die Klagen von Musical-Darstellern, die auf Ausschreibungen hin zu weit entfernten Auditions fuhren, wo dann etwa ein ahnungsloser Korrepetitor nicht begleiten konnte und von einem Regisseur gar nichts zu sehen war. Absagen, null Ersatz für die Ausgaben. Immer wieder. Es handelt sich zumeist um gut ausgebildete Künstler, denn solche werden von den jeweiligen Intendanten und Chefetagen auch erwartet.
Dazu ein anschauliches Beispiel aus Wien. Wörtlich: Für die Produktion "Ein Sommernachtstraum" im Theaterbrett werden männliche Darsteller für folgende Rollen gesucht: Lysander (Spielalter 20–30), Theseus (35–45), Egeus (40–50), Zettel (Spielalter 30–45). Voraussetzung: Bitte Schauspieler mit Ausbildung oder entsprechender Spielerfahrung. Vorzubereiten zum Vorsprechen ist ein Monolog der gewünschten Rolle. Und die Gage? Pauschale: 150 Euro (inbegriffen: Proben, Aufführungen). 150 Euro! Das nennt man cool, oder wie sonst?
Elisabeth Kulman kennt kein Duckmäusertum. Ihre Offenheit stößt im Forum auf Begeisterung – und Bedenken. So erläutert sie etwa: "Die Salzburger Festspiele zahlen seit Alexander Pereira keine Probenpauschale mehr, sondern nur die Abendvorstellungen. Die öffentliche Generalprobe (mit teuer verkauften Karten) gilt übrigens nicht als,Vorstellung‘, sondern als,Probe‘ und wird somit nicht vergütet. Hotelkosten werden keine übernommen, es gibt eine kleine Reisekostenpauschale. Wenn ich also nach den sechs Wochen Proben krank bin und keine einzige Vorstellung singen kann, gibt es nicht nur keine Gage, sondern ein dickes Minus zu verbuchen. Aber wer will nicht bei den Salzburger Festspielen dabei sein,dürfen‘? So akzeptiert man halt diesen Vertrag." Das Leben einer Sängerin ist riskant.
Die SN erreichten Festspielintendant Alexander Pereira in London. Kein Geld für Proben? "Das ist international so üblich, ich mache das seit 15 Jahren", erklärt Pereira. Er habe das in Salzburg abgeschafft und "zahle lieber für Vorstellungen mehr." Und der von Kulman angesprochene Ausfall? "Wer krank wird, kriegt nix", sagt Pereira. "In einzelnen Härtefällen kann man über eine kleine Pauschale reden." Die unbezahlte Generalprobe? "Das ist immer für einen guten Zweck. Jeder Einzelne wird gefragt, ob er mitmacht. Und ich kenne keinen Sänger, der bei der Generalprobe vor einem leeren Saal singen will." Wozu sich also aufregen, passt eh alles?
Weblinks
Quelle
- Salzburger Nachrichten, 14. März 2013