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== „Wir waren eben die armen Gerstenfeld“ ==
 
== „Wir waren eben die armen Gerstenfeld“ ==
Mitte 1917 erreichten 14 000, darunter 2 000 jüdische, Flüchtlinge aus dem Osten der Monarchie das [[Kronland Salzburg]]. Vom Krieg aus Ostgalizien oder der Bukowina vertrieben, strandeten sie meist nach wochenlanger Zugfahrt an der [[Salzach]]. Sie seien „''vierzehn Tage in Eisenbahnwaggons mit ihrer armseligen, zumeist in Säcken verpackten Habe''“ unterwegs gewesen. Beim Aussteigen habe „''alles von Schmutz gestrotzt und sich ein bestialischer Gestank verbreitet''“, schildert ein [[Gendarmerie|Gendarm]] die Ankunft eines Flüchtlingstransports. „''Der größte Teil war im [[Lager Niederalm]] untergebracht''“, schreibt der Salzburger Historiker [[Thomas Weidenholzer]]. Dort herrschte Hunger, die Menschen froren und die Sterblichkeit war hoch.
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Mitte 1917 erreichten 14 000, darunter 2 000 jüdische, Flüchtlinge aus dem Osten der Monarchie das [[Kronland Salzburg]]. Vom Krieg aus Ostgalizien oder der [[Bukowina]] vertrieben, strandeten sie meist nach wochenlanger Zugfahrt an der [[Salzach]]. Sie seien „''vierzehn Tage in Eisenbahnwaggons mit ihrer armseligen, zumeist in Säcken verpackten Habe''“ unterwegs gewesen. Beim Aussteigen habe „''alles von Schmutz gestrotzt und sich ein bestialischer Gestank verbreitet''“, schildert ein [[Gendarmerie|Gendarm]] die Ankunft eines Flüchtlingstransports. „''Der größte Teil war im [[Lager Niederalm]] untergebracht''“, schreibt der Salzburger Historiker [[Thomas Weidenholzer]]. Dort herrschte Hunger, die Menschen froren und die Sterblichkeit war hoch.
    
Die Flüchtlinge erfuhren in der Salzburger Fremde aber nicht nur Mitleid, sondern auch Ablehnung. Bald wurden sie zum politischen Thema. Ihre Anwesenheit sorgte für Neid und schürte Vorurteile. So rätselte der Verleger des [[Salzburger Volksblatt]]es, [[Hans Glaser der Ältere|Hans Glaser]], im Frühsommer 1917, warum man rund 20 000 Menschen nach Salzburg schleppte, „''um sie hier zu füttern''“. Ein wenig später mutmaßte dieselbe Zeitung, dass sich „''die Geschäfte besser gestalten, denn im Osten der Monarchie''“. Und schon bald war die Flüchtlingsdebatte mit antisemitischen Zwischentönen angereichert.
 
Die Flüchtlinge erfuhren in der Salzburger Fremde aber nicht nur Mitleid, sondern auch Ablehnung. Bald wurden sie zum politischen Thema. Ihre Anwesenheit sorgte für Neid und schürte Vorurteile. So rätselte der Verleger des [[Salzburger Volksblatt]]es, [[Hans Glaser der Ältere|Hans Glaser]], im Frühsommer 1917, warum man rund 20 000 Menschen nach Salzburg schleppte, „''um sie hier zu füttern''“. Ein wenig später mutmaßte dieselbe Zeitung, dass sich „''die Geschäfte besser gestalten, denn im Osten der Monarchie''“. Und schon bald war die Flüchtlingsdebatte mit antisemitischen Zwischentönen angereichert.
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Auch die jüdische Familie Gerstenfeld dürfte durch die Kriegswirren im Lager Niederalm gelandet sein. Das Ehepaar Amalia und Arthur flüchtete im Ersten Weltkrieg aus einem kleinen Schtetl in Galizien vor der herannahenden Front Richtung Westen. Auf der Suche nach einem Zufluchtsort wurde Salzburg zu seiner neuen zwischenzeitlichen Heimat. 1920 kam hier die gemeinsame Tochter Bertha zur Welt. Vater Arthur hatte ein kleines Schuhmachergeschäft in Salzburg-[[Lehen (Stadt Salzburg)|Lehen]]. Er starb allerdings bereits in den [[1920er]]-Jahren an den Folgen einer Krankheit, die er sich als Soldat im Krieg zugezogen hatte. Amalia Gerstenfeld musste von da an allein die sechs Kinder versorgen. Der zweitälteste Sohn Leiser trat in die Fußstapfen des Vaters. Er legte die Schuhmacherprüfung ab und übernahm das Geschäft in der [[Ignaz-Harrer-Straße]]. Sein Bruder Aron arbeitete im [[Kaufhaus Schwarz]].
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Auch die jüdische Familie Gerstenfeld dürfte durch die Kriegswirren im Lager Niederalm gelandet sein. Das Ehepaar Amalia und Arthur flüchtete im Ersten Weltkrieg aus einem kleinen Schtetl in [[Galizien]] vor der herannahenden Front Richtung Westen. Auf der Suche nach einem Zufluchtsort wurde Salzburg zu seiner neuen zwischenzeitlichen Heimat. 1920 kam hier die gemeinsame Tochter Bertha zur Welt. Vater Arthur hatte ein kleines Schuhmachergeschäft in Salzburg-[[Lehen (Stadt Salzburg)|Lehen]]. Er starb allerdings bereits in den [[1920er]]-Jahren an den Folgen einer Krankheit, die er sich als Soldat im Krieg zugezogen hatte. Amalia Gerstenfeld musste von da an allein die sechs Kinder versorgen. Der zweitälteste Sohn Leiser trat in die Fußstapfen des Vaters. Er legte die Schuhmacherprüfung ab und übernahm das Geschäft in der [[Ignaz-Harrer-Straße]]. Sein Bruder Aron arbeitete im [[Kaufhaus Schwarz]].
    
Bertha Gerstenfeld erinnerte sich später in einem Interview an die Salzburger Zeit zurück. „''Die Mutter habe ich selten gesehen lachen, immer gesehen sitzen, nähen. Sie ist immer gesessen und hat gearbeitet und hat sitzend geschlafen. Sie hat nur gearbeitet und hat nur gelebt für die Kinder.''“ Die Mutter habe sich auch selten helfen lassen. „''Sie hat die Probleme alleine gelöst. Wir waren eben die armen Gerstenfeld.''“
 
Bertha Gerstenfeld erinnerte sich später in einem Interview an die Salzburger Zeit zurück. „''Die Mutter habe ich selten gesehen lachen, immer gesehen sitzen, nähen. Sie ist immer gesessen und hat gearbeitet und hat sitzend geschlafen. Sie hat nur gearbeitet und hat nur gelebt für die Kinder.''“ Die Mutter habe sich auch selten helfen lassen. „''Sie hat die Probleme alleine gelöst. Wir waren eben die armen Gerstenfeld.''“