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| | Gräben bieten Pflanzen und Tieren durch Feuchtigkeit, schattige Lagen und durch die durch Unwegsamkeit gegebene Ungestörtheit eigene Entwicklungs- und Lebensräume, die von denen ihrer Umgebung abweichen und sind daher wichtige Bausteine zum Erhalt des Artenreichtums in der Tier- und Pflanzenwelt. | | Gräben bieten Pflanzen und Tieren durch Feuchtigkeit, schattige Lagen und durch die durch Unwegsamkeit gegebene Ungestörtheit eigene Entwicklungs- und Lebensräume, die von denen ihrer Umgebung abweichen und sind daher wichtige Bausteine zum Erhalt des Artenreichtums in der Tier- und Pflanzenwelt. |
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| − | ==Gräben als geologische "Fenster“== | + | ==Gräben als geologische "Fenster"== |
| | [[Datei:Brandstätt-, bzw. Grainsberggraben 1.jpg|thumb|Wasser- und Geschiebegewalt legte im Brandstätt- bzw. Grainsberggraben den Fels frei]] | | [[Datei:Brandstätt-, bzw. Grainsberggraben 1.jpg|thumb|Wasser- und Geschiebegewalt legte im Brandstätt- bzw. Grainsberggraben den Fels frei]] |
| | [[Datei:Brandstätt-, bzw. Grainsberggraben, Findling.jpg|thumb|Brandstätt-, bzw. Grainsberggraben: Riesiger Findling aus Gneis inmitten der [[Schieferzone]]]] | | [[Datei:Brandstätt-, bzw. Grainsberggraben, Findling.jpg|thumb|Brandstätt-, bzw. Grainsberggraben: Riesiger Findling aus Gneis inmitten der [[Schieferzone]]]] |
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| | Wenngleich Gräben in der Regel nicht besiedelbar sind, so gibt es doch einzelne Häuser, die an Grabenhängen, an Grabenausgängen oder auf dem darunter befindlichen Schuttkegel errichtet wurden. An den Grabenhängen und im Grabenausgangsbereich waren es meist die Behausungen wenig wohlhabender Leute wie Bergleute – siehe ([[Bergmannssölde]]) - und zählen deren Behausungen daher ursprünglich zu den [[Armeleuthäusl]]n, auch wenn einige davon heute gut ausgebaut sind und in den vergangenen Jahrzehnten auch stattliche Wohnhäuser und sogar Berherbergungsbetriebe in den Gefahrenzonenbereich unterhalb von Gräben hinein gebaut wurden. | | Wenngleich Gräben in der Regel nicht besiedelbar sind, so gibt es doch einzelne Häuser, die an Grabenhängen, an Grabenausgängen oder auf dem darunter befindlichen Schuttkegel errichtet wurden. An den Grabenhängen und im Grabenausgangsbereich waren es meist die Behausungen wenig wohlhabender Leute wie Bergleute – siehe ([[Bergmannssölde]]) - und zählen deren Behausungen daher ursprünglich zu den [[Armeleuthäusl]]n, auch wenn einige davon heute gut ausgebaut sind und in den vergangenen Jahrzehnten auch stattliche Wohnhäuser und sogar Berherbergungsbetriebe in den Gefahrenzonenbereich unterhalb von Gräben hinein gebaut wurden. |
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| − | Die "Grabenhäusl“ sind es, die am meisten und zuerst von Naturkatastrophen wie dem [[Hochwasser]] vom Juni 2013 bedroht sind. Beispiele im Jahr 2013 gab es in [[Hüttau]] (Hotelpersonalhaus), in [[Högmoos]] und im Schmiedbachgraben mitten im [[Taxenbach]]er Ortszentrum (Wohnhäuser). | + | Die "Grabenhäusl" sind es, die am meisten und zuerst von Naturkatastrophen wie dem [[Hochwasser]] vom Juni 2013 bedroht sind. Beispiele im Jahr 2013 gab es in [[Hüttau]] (Hotelpersonalhaus), in [[Högmoos]] und im Schmiedbachgraben mitten im [[Taxenbach]]er Ortszentrum (Wohnhäuser). |
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| | Der erwähnte Schmiedbach hat immer wieder große Schäden im Bereich des Schmiedbachgrabens angerichtet. So berichtet [[Josef Lahnsteiner]] u. a., dass dieser [[1786]] infolge großer [[Plaike]]nabgänge im Grabenbereich gewaltige Holzmengen mit sich führte, in deren Gefolge acht Mühlen, drei Badstuben, die Schmiede, die Brücke und die neu errichtete Taxenbacher Schießstätte weggerissen wurden. | | Der erwähnte Schmiedbach hat immer wieder große Schäden im Bereich des Schmiedbachgrabens angerichtet. So berichtet [[Josef Lahnsteiner]] u. a., dass dieser [[1786]] infolge großer [[Plaike]]nabgänge im Grabenbereich gewaltige Holzmengen mit sich führte, in deren Gefolge acht Mühlen, drei Badstuben, die Schmiede, die Brücke und die neu errichtete Taxenbacher Schießstätte weggerissen wurden. |
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| − | ==Grabenputz und Habergeiß – Gräben als Teil der "Anderswelt“== | + | ==Grabenputz und Habergeiß – Gräben als Teil der "Anderswelt"== |
| | [[Datei:Habergoaß.jpg|thumb|Potrait der [[Goldegg]]er [[Habergeiß]]]] | | [[Datei:Habergoaß.jpg|thumb|Potrait der [[Goldegg]]er [[Habergeiß]]]] |
| − | Mehr als Täler zählen Gräben im Bergland zur alltäglichen Herausforderung. Auf dem Talboden oder an den Abhängen über dem Talboden lebt man, aber die Gräben müssen bei der Bewirtschaftung der Wiesen und Felder gefahrlos gequert, die Kinder müssen vor dem Absturz, das Weidevieh vor dem Versteigen und "Abkugeln“ – wie das Abstürzen im Volksmund heißt - bewahrt werden. Bei Hochwettern droht die Gefahr von Plaiken und [[Mure]]n und nachfolgenden Verklausungen, die ihrerseits Bachausbrüche mit Überflutungen verursachen können. | + | Mehr als Täler zählen Gräben im Bergland zur alltäglichen Herausforderung. Auf dem Talboden oder an den Abhängen über dem Talboden lebt man, aber die Gräben müssen bei der Bewirtschaftung der Wiesen und Felder gefahrlos gequert, die Kinder müssen vor dem Absturz, das Weidevieh vor dem Versteigen und "Abkugeln" – wie das Abstürzen im Volksmund heißt - bewahrt werden. Bei Hochwettern droht die Gefahr von Plaiken und [[Mure]]n und nachfolgenden Verklausungen, die ihrerseits Bachausbrüche mit Überflutungen verursachen können. |
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| | Um die während der landwirtschaftlichen Arbeit oft unbeaufsichtigten Kinder im Hofnähe zu hüten und vor unvorsichtigem Verhalten im Nahbereich gefährlicher Gräben zu bewahren, warnte man sie einst vor dem ''Grabenputz'' und der ''Habergeiß'' − grausliche Schreckgestalten, die Kinder holen oder in den Abgrund reißen, wenn sie sich unfolgsam zu weit vom Haus entfernen. | | Um die während der landwirtschaftlichen Arbeit oft unbeaufsichtigten Kinder im Hofnähe zu hüten und vor unvorsichtigem Verhalten im Nahbereich gefährlicher Gräben zu bewahren, warnte man sie einst vor dem ''Grabenputz'' und der ''Habergeiß'' − grausliche Schreckgestalten, die Kinder holen oder in den Abgrund reißen, wenn sie sich unfolgsam zu weit vom Haus entfernen. |
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| − | Neben diesen rational begründbaren Gefahren waren möglicherweise auch Reste alten Geister- und Aberglaubens der eigentliche Hintergrund solcher Warnungen. In diesen oft dunkel und unheimlich wirkenden, unwegsamen Gräben standen ja insbesondere vor den modernen Möglichkeiten der Holzernte mittels Seilbringung Jahrhunderte alte Bäume, die vor Ort weder gefällt noch aufgearbeitet werden konnten. Diese beherbergten real und wohl auch in der Fantasie allerlei Getier wie beispielsweise den Kauz, der als Totenvogel galt und im [[Unterpinzgau]] ''"Auwei“'' genannt wurde. Der Schrei des ''"Auwei“'' stand für die Schreckgestalt der kinderholenden ''Habergeiß''. Auch waren derart alte Bäume Zeitzeugen über Generationen von Menschen hinweg und mögen allerhand Dunkles "erlebt“ und "in Erinnerung behalten“ haben. | + | Neben diesen rational begründbaren Gefahren waren möglicherweise auch Reste alten Geister- und Aberglaubens der eigentliche Hintergrund solcher Warnungen. In diesen oft dunkel und unheimlich wirkenden, unwegsamen Gräben standen ja insbesondere vor den modernen Möglichkeiten der Holzernte mittels Seilbringung Jahrhunderte alte Bäume, die vor Ort weder gefällt noch aufgearbeitet werden konnten. Diese beherbergten real und wohl auch in der Fantasie allerlei Getier wie beispielsweise den Kauz, der als Totenvogel galt und im [[Unterpinzgau]] ''"Auwei"'' genannt wurde. Der Schrei des ''"Auwei"'' stand für die Schreckgestalt der kinderholenden ''Habergeiß''. Auch waren derart alte Bäume Zeitzeugen über Generationen von Menschen hinweg und mögen allerhand Dunkles "erlebt" und "in Erinnerung behalten" haben. |
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| − | [[Theresia Oblasser]] erinnert sich daran, dass ihre Großmutter oft gegen Abend, wenn es dämmerte und aus dem nahen Graben der Ruf des ''"Auwei“'' zu hören war, vor dem ''Grabenputz'' und vor der ''Habergeiß'' gewarnt hat, als würden sie die Kräfte der Finsternis und die ihr innewohnende vorchristliche Geisterwelt verkörpern. | + | [[Theresia Oblasser]] erinnert sich daran, dass ihre Großmutter oft gegen Abend, wenn es dämmerte und aus dem nahen Graben der Ruf des ''"Auwei"'' zu hören war, vor dem ''Grabenputz'' und vor der ''Habergeiß'' gewarnt hat, als würden sie die Kräfte der Finsternis und die ihr innewohnende vorchristliche Geisterwelt verkörpern. |
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| | ==Bildergalerie== | | ==Bildergalerie== |
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| | * Friedrich Kluge, ''Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache'', Walter de Gruyter & Co., Berlin 1989, S. 273 | | * Friedrich Kluge, ''Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache'', Walter de Gruyter & Co., Berlin 1989, S. 273 |
| | * [[Karl Krainer]], ''[[Nationalpark Hohe Tauern]] Geologie'', Universitätsverlag Carinthia, S. 135, HG Nationalparkrat, Matrei in Osttirol 2005 | | * [[Karl Krainer]], ''[[Nationalpark Hohe Tauern]] Geologie'', Universitätsverlag Carinthia, S. 135, HG Nationalparkrat, Matrei in Osttirol 2005 |
| − | * [[Theresia Oblasser|Oblasser, Theresia]] (Gespräch über die wirtschaftliche Nutzung von Gräben, sowie über Gräben als Teil der "Anderswelt“) | + | * [[Theresia Oblasser|Oblasser, Theresia]] (Gespräch über die wirtschaftliche Nutzung von Gräben, sowie über Gräben als Teil der "Anderswelt") |
| | * [[Josef Lahnsteiner|Lahnsteiner, Josef]], ''Unterpinzgau'', S. 267, Eigenverlag, Hollersbach 1960 | | * [[Josef Lahnsteiner|Lahnsteiner, Josef]], ''Unterpinzgau'', S. 267, Eigenverlag, Hollersbach 1960 |
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