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==Warum kam es 2010 zu Massenausweisungen von Roma in europäischen Staaten?==
 
==Warum kam es 2010 zu Massenausweisungen von Roma in europäischen Staaten?==
Dazu gibt es EU-Richtlinien, die besagen, dass wer sich länger als drei Monate im EU-Ausland aufhält<ref>gemeint ist: wer z. B. in Rumänien beheimatet ist, aber nach Frankreich zieht, befindet sich im EU-Ausland</ref>, muss Arbeit oder Einkommen zum Unterhalt sowie ein Krankenversicherung nachweisen können.  Ansonsten '''kann''' er oder sie aus Gründen des öffentlichen Interesses sowie der öffentlichen Sicherheit abgeschoben werden. Dabei muss '''jeder Einzelfall''' geprüft und begründet werden. '''Pauschale Abschiebungen ganzer Gruppen sind nicht möglich'''.
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Dazu gibt es EU-Richtlinien, die besagen, dass wer sich länger als drei Monate im EU-Ausland aufhält<ref>gemeint ist: wer z. B. in Rumänien beheimatet ist, aber nach Frankreich zieht, befindet sich im EU-Ausland</ref>, muss Arbeit oder Einkommen zum Unterhalt sowie eine Krankenversicherung nachweisen können.  Ansonsten '''kann''' er oder sie aus Gründen des öffentlichen Interesses sowie der öffentlichen Sicherheit abgeschoben werden. Dabei muss '''jeder Einzelfall''' geprüft und begründet werden. '''Pauschale Abschiebungen ganzer Gruppen sind nicht möglich'''.
    
Diese ''kann''-Bestimmung machte sich der französische Staatspräsident Nicolas Sarkoszy zu Nutze und wies bis September 2010 rund 8.000 Roma aus. Dann setzte im September eine Welle der Empörung in Europa ein. EU-Justizkommissarin Vivianne Reding fand völlig ungewohnte harte Worte für dieses Vorgehen.  
 
Diese ''kann''-Bestimmung machte sich der französische Staatspräsident Nicolas Sarkoszy zu Nutze und wies bis September 2010 rund 8.000 Roma aus. Dann setzte im September eine Welle der Empörung in Europa ein. EU-Justizkommissarin Vivianne Reding fand völlig ungewohnte harte Worte für dieses Vorgehen.  
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Auch Italien unter Präsident Berlusconi hatte schon 2008 Dutzende illegale Siedlungen an der Peripherie der Städte Mailand, Rom und Neapel schleifen lassen. Für den Herbst 2010 überlegte der Bürgermeister von Rom, Gianni Alemanno, die Schleifung weitere 200 illegaler Siedlungen.   
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Auch Italien unter Präsident Berlusconi hatte schon 2008 Dutzende illegale Siedlungen an der Peripherie der Städte Mailand, Rom und Neapel schleifen lassen. Für den Herbst 2010 überlegte der Bürgermeister von Rom, Gianni Alemanno, die Schleifung weiterer 200 illegaler Siedlungen.   
    
In den als eher tolerant geltenden skandinavischen Ländern ließ Dänemark in der Hauptstadt Kopenhagen 40 aus Rumänien und Bulgarien stammende EU-Bürger ausweisen. Slowenien, das gemeinsam mit Österreich oder Spanien zu den europäischen Vorzeigeländern bei der Roma-Integration zählt, verfrachtete 2006 eine 30-köpfige Roma-Familie aus Ambrus (Unterkrain) in ein Ausländerheim. Eine im Vorort der ostslowakischen Stadt Michalovce 500 Meter lange Mauer trennt die ''Bürger'' von einer Roma-Siedlung.
 
In den als eher tolerant geltenden skandinavischen Ländern ließ Dänemark in der Hauptstadt Kopenhagen 40 aus Rumänien und Bulgarien stammende EU-Bürger ausweisen. Slowenien, das gemeinsam mit Österreich oder Spanien zu den europäischen Vorzeigeländern bei der Roma-Integration zählt, verfrachtete 2006 eine 30-köpfige Roma-Familie aus Ambrus (Unterkrain) in ein Ausländerheim. Eine im Vorort der ostslowakischen Stadt Michalovce 500 Meter lange Mauer trennt die ''Bürger'' von einer Roma-Siedlung.
    
==Die Geschichte der Roma in Österreich==
 
==Die Geschichte der Roma in Österreich==
Ab 1417 durchziehen Roma Europa, geführt von einem ''Zigeuneradel'' und die religiöse Stimmung der Zeit als wandernde Büßer und Pilgerschaft ausnützend. Ein angeblich von König Sigismund im Jahr 1423 ausgestellte Geleitbrief schützte die Roma bis 1498 beim Reichstag von Freiburg dieser endgültig als Fälschung für ungültig erklärt wurde und die Vogelfreiheit über diese Gruppe ausgesprochen wurde.  
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Ab 1417 durchziehen Roma Europa, geführt von einem ''Zigeuneradel'' und die religiöse Stimmung der Zeit als wandernde Büßer und Pilgerschaft ausnützend. Ein angeblich von König Sigismund im Jahr 1423 ausgestellter Geleitbrief schützte die Roma, bis 1498 beim Reichstag von Freiburg dieser endgültig als Fälschung für ungültig erklärt und die Vogelfreiheit über diese Gruppe ausgesprochen wurde.  
    
Im Süddeutschen Raum, somit auch in [[Bayern]], traten Roma erstmals [[1417]] auf, verschwanden aber Mitte des Jahrhunderts spurlos. Zu Beginn der Türkeneinfälle bei Wien 1529 brachte man die Zigeuner mit dem Auftauchen der Türken in Verbindung und erneuerte ihre Vogelfreiheit. Später,  als die Türken abermals anstürmten, nahm man aber dankbar ihre ''Späherfähigkeiten'' in Dienst, diesmal ''gegen'' die Türken. Im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigem Krieg]] ''durften'' sie als bewaffnete Söldner in den Krieg ziehen. Dieser Toleranz standen aber immer wieder harte Drohungen dagegen: Es war strengstens untersagt, Zigeunern Unterkunft zu geben, jeder Handel mit ihnen war verboten und es gab eine Reihe kriminalisierender Unterstellungen. So wurde bereits das bloße Auftauchen von Zigeunern als Rechtsbruch betrachtet, der zu exemplarischen Maßnahmen führte. "Zigeunerstöcke" vor den Toren von Städten warnten diese vor dem Betreten der Stadt. "Zigeunertafeln", auch ''Rumortafeln'' genannt, hatten denselben Zweck. Mit Androhung brutaler Leibes- und Lebensstrafen wollte man die ''Zigeunerplage'' beseitigen.
 
Im Süddeutschen Raum, somit auch in [[Bayern]], traten Roma erstmals [[1417]] auf, verschwanden aber Mitte des Jahrhunderts spurlos. Zu Beginn der Türkeneinfälle bei Wien 1529 brachte man die Zigeuner mit dem Auftauchen der Türken in Verbindung und erneuerte ihre Vogelfreiheit. Später,  als die Türken abermals anstürmten, nahm man aber dankbar ihre ''Späherfähigkeiten'' in Dienst, diesmal ''gegen'' die Türken. Im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigem Krieg]] ''durften'' sie als bewaffnete Söldner in den Krieg ziehen. Dieser Toleranz standen aber immer wieder harte Drohungen dagegen: Es war strengstens untersagt, Zigeunern Unterkunft zu geben, jeder Handel mit ihnen war verboten und es gab eine Reihe kriminalisierender Unterstellungen. So wurde bereits das bloße Auftauchen von Zigeunern als Rechtsbruch betrachtet, der zu exemplarischen Maßnahmen führte. "Zigeunerstöcke" vor den Toren von Städten warnten diese vor dem Betreten der Stadt. "Zigeunertafeln", auch ''Rumortafeln'' genannt, hatten denselben Zweck. Mit Androhung brutaler Leibes- und Lebensstrafen wollte man die ''Zigeunerplage'' beseitigen.
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Zu einem Höhepunkt der Zigeunerverfolgung kam es in der ersten Hälfte des [[18. Jahrhundert]]s. Auslöser waren das Aufeinandertreffen von zum Teil in weltlichen, zum Teil in religiösen Vorstellungen wurzelnden Vorteilen und der inzwischen perfektionierten Maßnahmen des neuzeitlichen Polizeistaates. Gleichzeitig begannen Mitte des 18. Jahrhunderts Bestrebungen, dieses Volk sesshaft zu machen. Kaiserin Maria Theresia  und Joseph II. erklärte per Hofdekret von 1762 die in Österreich vagabundierenden Zigeuner für ''ehrlich''. Es wurden den Roma verboten, Pferde und Kutschen zu besitzen, um ihre Mobilität einzuschränken. Sie erhielten Baugrund, für den sie Abgaben zu leisten hatten. Niemand durfte die Dörfer ohne Genehmigung und genauer Angabe, wohin sie gingen, verlassen. Sie wurden gezwungen, einheimische Kleidung zu tragen. Alle Maßnahmen hatten die Dorfrichter genauestens zu kontrollieren. Auch ihre Namen mussten sie ändern. Meist bekamen sie als Nachnamen ''Neubauer'', ''Neubürger'', ''Neusiedler'' oder ''Neuungar''. Heiraten untereinander war ebenfalls verboten, die Ehen mit Nichtroma, so genannte ''Gadsche'', wurden aber gefördert. Besonders brutal zeigte sich die Kaiserin was die Kinder der Roma anbelangte: alle Kinder über fünf Jahren wurden ihnen weggenommen, um von Nichtroma-Familien erzogen zu werden. Und das ausgerechnet von Maria Theresia, die ja selbst 16 Kinder hatte!
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Zu einem Höhepunkt der Zigeunerverfolgung kam es in der ersten Hälfte des [[18. Jahrhundert]]s. Auslöser waren das Aufeinandertreffen von zum Teil in weltlichen, zum Teil in religiösen Vorstellungen wurzelnden Vorurteilen und der inzwischen perfektionierten Maßnahmen des neuzeitlichen Polizeistaates. Gleichzeitig begannen Mitte des 18. Jahrhunderts Bestrebungen, dieses Volk sesshaft zu machen. Kaiserin Maria Theresia  und Joseph II. erklärte per Hofdekret von 1762 die in Österreich vagabundierenden Zigeuner für ''ehrlich''. Es wurden den Roma verboten, Pferde und Kutschen zu besitzen, um ihre Mobilität einzuschränken. Sie erhielten Baugrund, für den sie Abgaben zu leisten hatten. Niemand durfte die Dörfer ohne Genehmigung und genauer Angabe, wohin sie gingen, verlassen. Sie wurden gezwungen, einheimische Kleidung zu tragen. Alle Maßnahmen hatten die Dorfrichter genauestens zu kontrollieren. Auch ihre Namen mussten sie ändern. Meist bekamen sie als Nachnamen ''Neubauer'', ''Neubürger'', ''Neusiedler'' oder ''Neuungar''. Heiraten untereinander war ebenfalls verboten, die Ehen mit Nichtroma, so genannte ''Gadsche'', wurden aber gefördert. Besonders brutal zeigte sich die Kaiserin was die Kinder der Roma anbelangte: alle Kinder über fünf Jahren wurden ihnen weggenommen, um von Nichtroma-Familien erzogen zu werden. Und das ausgerechnet von Maria Theresia, die ja selbst 16 Kinder hatte!
    
Doch auch der Tod von Joseph II. änderte nichts an der Unterdrückung der ''ehrlichen'' Roma. Sie durften ihre Sprache nicht pflegen, das war schon unter Joseph II. bei 24 Stockhieben verboten.  
 
Doch auch der Tod von Joseph II. änderte nichts an der Unterdrückung der ''ehrlichen'' Roma. Sie durften ihre Sprache nicht pflegen, das war schon unter Joseph II. bei 24 Stockhieben verboten.