Maria Etzer: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Cover Das Selbstverständliche tun.JPG|thumb|Maria Prieler-Woldan: Das Selbstverständliche tun, Studienverlag Innsbruck-Wien-Bozen 2018]]'''Maria Etzer''' (* [[1890]]; † [[1960]]) war eine Bergbäuerin, die zur Zeit des [[Nationalsozialismus]] Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern half.
 
[[Datei:Cover Das Selbstverständliche tun.JPG|thumb|Maria Prieler-Woldan: Das Selbstverständliche tun, Studienverlag Innsbruck-Wien-Bozen 2018]]'''Maria Etzer''' (* [[1890]]; † [[1960]]) war eine Bergbäuerin, die zur Zeit des [[Nationalsozialismus]] Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern half.
 
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==Leben==
== Leben ==
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„Maria Etzer, ledige Tochter einer Dienstmagd, wurde nach ihrer Hochzeit 1911 Bergbäuerin in Goldegg im Pongau (Salzburg). Ihr Mann verstarb infolge einer Verletzung aus dem 1. Weltkrieg und hinterließ sie als 35-jährige Witwe. Von acht Kindern blieben vier am Leben. Maria Etzer führte zwanzig Jahre allein den Hof und zog noch drei Enkelkinder auf. Sie war Mitglied der Katholischen Frauenorganisation und blieb ihrer religiösen Überzeugung treu. Das brachte sie von Anfang an in Opposition zum Nationalsozialismus, während ihre erwachsenen Kinder dessen Faszination erlagen. Als Ersatz für heimische Arbeitskräfte wurden den Höfen Zwangsarbeiter(innen) und Kriegsgefangene vermittelt. Ein näherer Kontakt zu diesen, ja sogar das gemeinsame Essen, war streng verboten. Maria Etzer jedoch widerstand der Nazi-Doktrin, indem sie gegenüber den Fremdarbeitern ihre Menschlichkeit bewahrte: >Dieser Franzose war mir als Hilfskraft für meine Landwirtschaft zugeteilt; er war ein fleißiger und williger Arbeiter, und so habe ich ihn auch behandelt.<  Aus ihrem engsten Umfeld heraus wurde sie denunziert. Wegen ´verbotenen Umgangs´ 1943 zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, blieb sie bis kurz vor Kriegsende inhaftiert.  
Die [[Adolf Hitler|Hitler]]-Gegnerin geriet [[1943]] nach Denunziation aus ihrem engsten Umfeld in die Fänge des NS-Regimes. Wegen „verbotenen Umgangs“ mit [[Frankreich|französischen]] Kriegsgefangenen wurde die in [[Goldegg]] ([[Pongau]]) lebende Etzer vom Sondergericht Salzburg zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt und ins Zuchthaus Aichach ([[Bayern]]) eingewiesen. Kurz vor Kriegsende wurde die Bäuerin entlassen.
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==Leben in der Nachkriegszeit und Antrag auf Opferfürsorge==
 
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Nach ihrer Heimkehr war sie weiterhin verfemt und konnte jahrelang nicht auf ihren Hof und in ihr Dorf zurück. 1960 starb sie in Goldegg.
Gegenüber der Republik Österreich stellte sie mehrfach Anträge auf Opferfürsorge, die mit der Begründung abgelehnt wurden, sie habe nicht aktiv an der Errichtung eines freien Österreich mitgewirkt. Jahrelang konnte Etzer wegen Verleumdungen nicht in ihr Heimatdorf zurückkehren.
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Im Nachkriegsösterreich wandten sich nur wenige solcherart verurteilte Frauen – in der Regel erfolglos – an den Staat um Opferfürsorge. Maria Etzer war eine von ihnen. Ihr Ansuchen wurde abgelehnt: Sie hatte sich nicht ´in Wort und Tat für ein freies und demokratisches Österreich eingesetzt´ – obwohl sie zu Unrecht im Zuchthaus inhaftiert gewesen war und damit ihren guten Ruf, ihre wirtschaftliche Existenz und ihre soziale Zugehörigkeit verlor.“ (Maria Prieler-Woldan)
 
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==Rehabilitierung==
Das Wiener Landesgericht hob im September 2018 ein Urteil aus der Zeit des Nationalsozialismus gegen die verstorbene Salzburger Bergbäuerin Maria Etzer auf und rehabilitierte damit die Frau. In der Begründung des Urteils vom [[18. September]] [[2018]] hielt das Landesgericht Wien fest: „''Letztlich lag der primäre Grund für die Verfolgung und Verurteilung von Maria Etzer darin begründet, dass sie auch während der NS-Diktatur ihren christlichen Wertvorstellungen treu blieb und sich auch gegenüber den als Zwangsarbeitern eingesetzten Kriegsgefangenen menschlich verhielt. Ein solcher Dissens mit der NS-Ideologie war den Machthabern ein Dorn im Auge und wurde schon als Form des Widerstands angesehen.''“
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Brigitte Menne, eine Enkelin, beantragte 2018 ihre vollständige Rehabilitierung nach dem Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz von 2009. Dem wurde am 18. September 2018 stattgegeben: „Letztlich lag der primäre Grund für Verfolgung und Verurteilung von Maria Etzer darin begründet, dass sie auch während der NS-Diktatur ihren christlichen Wertvorstellungen treu blieb und sich auch gegenüber den als Zwangsarbeitern eingesetzten Kriegsgefangenen menschlich verhielt. Ein solcher Dissens mit der NS-Ideologie war den Machthabern ein Dorn im Auge und wurde schon als Form des Widerstands angesehen…“ (Landesgericht für Strafsachen Wien, 1082 Wien, Landesgerichtsstraße 11)
 
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==Literatur==
Mit der Rehabilitierung sei „''spät, aber doch einer glaubensstarken und christlich handelnden Frau''“ Gerechtigkeit widerfahren, erklärte die Präsidentin der [[Katholische Aktion Salzburg|Katholischen Aktion Salzburg]], [[Elisabeth Mayer]]. Die Mutter von ursprünglich acht Kindern habe unter dramatischen Bedingungen vorgelebt, was christliches Handeln bedeutet. Etzer habe gegenüber „Fremdarbeitern“, die laut Gesetz nicht einmal am gemeinsamen Tisch essen durften, ihre Menschlichkeit bewahrt.
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*Maria Prieler-Woldan: „Das Selbstverständliche tun. Die Salzburger Bäuerin Maria Etzer und ihr verbotener Einsatz für Fremde im Nationalsozialismus. Mit einem Nachwort von Brigitte Menne“, Studienverlag Innsbruck – Wien – Bozen 2018
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*Brigitte Menne: „Die Gans ist ihr nachgeflogen“ in: „Wege für eine bäuerliche Zukunft“, Nr. 5/2017, Wien
Eine Enkelin von Etzer, Brigitte Menne, hatte die vollständige Rehabilitierung ihrer Großmutter nach dem Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz von 2009 beantragt. Sie hoffe auf ähnliche Verfahren, um „''endlich die kleinen, ‚ganz selbstverständlich‘ Widerständigen aus dem Schatten zu holen''“, wurde in der Aussendung erklärt.
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*Hannah Menne, ds. In „Augustin- Wiener Straßenzeitung“ Nr. 4572018
 
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==Quellen==
In Etzers Heimat Goldegg, das auch Schauplatz eines [[SS-Todesschwadron jagte Deserteure am Böndlsee|SS-Massakers an Deserteuren]] war, wird zur Zeit (Stand Oktober 2018) auf Betreiben des dortigen [[Kulturverein Schloss Goldegg |Kulturvereins]] und dessen Obmannes [[Cyriak Schwaighofer]] an einer Neufassung der Orts-Chronik gearbeitet, in der auch Etzers Schicksal beschrieben wird.
 
 
 
== Literatur ==
 
Die Sozialforscherin Maria Prieler-Woldan veröffentlichte im Jahr 2018 eine Biografie unter dem Titel „[[Das Selbstverständliche tun]]“ über die Salzburger Bäuerin (Studienverlag).
 
 
 
== Quelle ==
 
 
* [[Salzburg24]] → [http://www.salzburg24.at/ns-urteil-gegen-salzburger-bergbaeuerin-maria-etzer-aufgehoben/5358689 ''NS-Urteil gegen Salzburger Bergbäuerin Maria Etzer aufgehoben]'' (abgefragt am 5. Oktober 2018)
 
* [[Salzburg24]] → [http://www.salzburg24.at/ns-urteil-gegen-salzburger-bergbaeuerin-maria-etzer-aufgehoben/5358689 ''NS-Urteil gegen Salzburger Bergbäuerin Maria Etzer aufgehoben]'' (abgefragt am 5. Oktober 2018)
 
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*Maria Prieler-Woldan: „Das Selbstverständliche tun. Die Salzburger Bäuerin Maria Etzer und ihr verbotener Einsatz für Fremde im Nationalsozialismus. Mit einem Nachwort von Brigitte Menne“, Studienverlag Innsbruck – Wien – Bozen 2018
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*Brigitte Menne, Enkelin
 
== Weblink ==
 
== Weblink ==
 
* [http://www.schlossgoldegg.at/index.php?id=516&tx_noevents_pi1%5BshowUid%5D=1444 www.schlossgoldegg.at], weiteres Bild von Maria Etzer als Bergbäuerin
 
* [http://www.schlossgoldegg.at/index.php?id=516&tx_noevents_pi1%5BshowUid%5D=1444 www.schlossgoldegg.at], weiteres Bild von Maria Etzer als Bergbäuerin

Version vom 10. Oktober 2018, 09:17 Uhr

Maria Prieler-Woldan: Das Selbstverständliche tun, Studienverlag Innsbruck-Wien-Bozen 2018

Maria Etzer (* 1890; † 1960) war eine Bergbäuerin, die zur Zeit des Nationalsozialismus Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern half.

Leben

„Maria Etzer, ledige Tochter einer Dienstmagd, wurde nach ihrer Hochzeit 1911 Bergbäuerin in Goldegg im Pongau (Salzburg). Ihr Mann verstarb infolge einer Verletzung aus dem 1. Weltkrieg und hinterließ sie als 35-jährige Witwe. Von acht Kindern blieben vier am Leben. Maria Etzer führte zwanzig Jahre allein den Hof und zog noch drei Enkelkinder auf. Sie war Mitglied der Katholischen Frauenorganisation und blieb ihrer religiösen Überzeugung treu. Das brachte sie von Anfang an in Opposition zum Nationalsozialismus, während ihre erwachsenen Kinder dessen Faszination erlagen. Als Ersatz für heimische Arbeitskräfte wurden den Höfen Zwangsarbeiter(innen) und Kriegsgefangene vermittelt. Ein näherer Kontakt zu diesen, ja sogar das gemeinsame Essen, war streng verboten. Maria Etzer jedoch widerstand der Nazi-Doktrin, indem sie gegenüber den Fremdarbeitern ihre Menschlichkeit bewahrte: >Dieser Franzose war mir als Hilfskraft für meine Landwirtschaft zugeteilt; er war ein fleißiger und williger Arbeiter, und so habe ich ihn auch behandelt.< Aus ihrem engsten Umfeld heraus wurde sie denunziert. Wegen ´verbotenen Umgangs´ 1943 zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, blieb sie bis kurz vor Kriegsende inhaftiert.

Leben in der Nachkriegszeit und Antrag auf Opferfürsorge

Nach ihrer Heimkehr war sie weiterhin verfemt und konnte jahrelang nicht auf ihren Hof und in ihr Dorf zurück. 1960 starb sie in Goldegg. Im Nachkriegsösterreich wandten sich nur wenige solcherart verurteilte Frauen – in der Regel erfolglos – an den Staat um Opferfürsorge. Maria Etzer war eine von ihnen. Ihr Ansuchen wurde abgelehnt: Sie hatte sich nicht ´in Wort und Tat für ein freies und demokratisches Österreich eingesetzt´ – obwohl sie zu Unrecht im Zuchthaus inhaftiert gewesen war und damit ihren guten Ruf, ihre wirtschaftliche Existenz und ihre soziale Zugehörigkeit verlor.“ (Maria Prieler-Woldan)

Rehabilitierung

Brigitte Menne, eine Enkelin, beantragte 2018 ihre vollständige Rehabilitierung nach dem Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz von 2009. Dem wurde am 18. September 2018 stattgegeben: „Letztlich lag der primäre Grund für Verfolgung und Verurteilung von Maria Etzer darin begründet, dass sie auch während der NS-Diktatur ihren christlichen Wertvorstellungen treu blieb und sich auch gegenüber den als Zwangsarbeitern eingesetzten Kriegsgefangenen menschlich verhielt. Ein solcher Dissens mit der NS-Ideologie war den Machthabern ein Dorn im Auge und wurde schon als Form des Widerstands angesehen…“ (Landesgericht für Strafsachen Wien, 1082 Wien, Landesgerichtsstraße 11) –

Literatur

  • Maria Prieler-Woldan: „Das Selbstverständliche tun. Die Salzburger Bäuerin Maria Etzer und ihr verbotener Einsatz für Fremde im Nationalsozialismus. Mit einem Nachwort von Brigitte Menne“, Studienverlag Innsbruck – Wien – Bozen 2018
  • Brigitte Menne: „Die Gans ist ihr nachgeflogen“ in: „Wege für eine bäuerliche Zukunft“, Nr. 5/2017, Wien
  • Hannah Menne, ds. In „Augustin- Wiener Straßenzeitung“ Nr. 4572018

Quellen

  • Salzburg24NS-Urteil gegen Salzburger Bergbäuerin Maria Etzer aufgehoben (abgefragt am 5. Oktober 2018)
  • Maria Prieler-Woldan: „Das Selbstverständliche tun. Die Salzburger Bäuerin Maria Etzer und ihr verbotener Einsatz für Fremde im Nationalsozialismus. Mit einem Nachwort von Brigitte Menne“, Studienverlag Innsbruck – Wien – Bozen 2018
  • Brigitte Menne, Enkelin

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