Vereinigte zu Tamsweg
Die Vereinigten zu Tamsweg (Varoanegtn) sind die älteste Bruderschaft Österreichs. Sie wurden auch im nationalen Verzeichnis des immateriellen UNESCO-Kulturerbes Österreichs aufgenommen.
Allgemeines
Die Geburtsstunde der Vereinigten zu Tamsweg datiert aus dem Jahr 1737: Drei Gewerbetreibende aus dem Lungauer Bezirkshauptort gründeten eine Handwerkervereinigung zur Umgehung des damals auf dem Land bestehenden Zunftverbotes. Gegenseitige Achtung und Hilfe wurden als zentrale Prämissen der Bruderschaft festgeschrieben; und ganz nach dem Motto "Bleib' treu den alten Sitten" versuchen die Mitglieder seit jeher, Streitigkeiten mit ihren "Mitbrüdern" zu vermeiden oder schon bestehende Differenzen im Vier-Augen-Gespräch beizulegen.
Höhepunkt im Leben der Bruderschaft ist die alljährliche Festwoche, die derzeit in der Regel in der zweiten Jännerhälfte stattfindet. Die so genannte "Varoanegtn-Wochn" beinhaltet die "Bärenvesper", am Dienstag den Hohen Festtag mit Kirchgang, Bruderschaftsmahl und Vereinigten-Ball und am Mittwoch ist Maskera-Tag. Am Donnerstag treffen sich die Junggesellen zum "Gestrigen-Tag-Suchen". Mit dem "Geldbeutelwaschen" der Junggesellen klingt am Freitag die "Varoanegtn-Oktav" aus.
900 Männer aus dem knapp 6.000 Einwohner zählenden Tamsweg zählen sich zu den Vereinigten. Um Mitglied werden zu können, muss man männlich sein, eine abgeschlossene Ausbildung vorweisen können und vor allem als Tamweger betrachtet werden. So blitzte der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg[1] trotz seines klingenden Namens und ausgedehnter Besitzungen im Lungau ab - er ist nicht Tamsweger!
Das Vereinigtenjahr
Das Vereinigtenjahr beginnt am Neujahrsabend mit dem Andingen: Der Kommissär, der bei dieser Gelegenheit auch alle drei Jahre gewählt wird, fragt die Mitglieder, ob auch heuer wieder ein Jahrtag abgehalten werden soll. Ein Jahr nach dem Kommissär wird an diesem Termin der neue, ebenfalls für drei Jahre gewählte, Junggesellenpräses ernannt.
Die Festwoche beginnt üblicherweise am Montag mit der Bärenvesper, 2008 erstmals an einem Sonntag mit dem nur zu Ehren eines neuen Kommissärs abgehaltenen Festumzug. In hunderten Arbeitsstunden und in Gruppen bis zu 30 Mann werden rund 20 große Festwägen gebaut, die aus dem Leben des Kommissärs erzählen. Etwa von seinen Reisen, seinen Hobbys oder auch seinen Lastern. Der riesige Konvoi von bis zu 20 Meter langen und teilweise mehr als fünf Meter hohen Gefährten bewegt sich ab 11 Uhr vormittags bis in die Abendstunden durch Tamswegs Straßen. Auf den imposanten Festwägen werden die Besucher mit Speis und Trank bewirtet. Schiffe, Segelyachten, Dampflokomotiven oder berühmte Bauten wie den Schiefen Turm von Pisa, den Eiffelturm oder die örtliche Pfarrkirche haben die Varoanegtn zu Ehren des jeweils neuen "Vater Kommissärs" in den vergangenen Jahren kunstvoll und maßstabgetreu nachgebaut.
Bei der Bärenvesper marschieren die Junggesellen, also die unverheirateten Mitglieder, mit fünf Trommlern zu den Häusern der Altkommissäre (ehemalige Kommissäre), wo sie jeweils verköstigt werden.
Am eigentlichen Jahrtag, dem Dienstag, treffen sich die Vereinigten zum Kirchgang am Vormittag, am Abend steht der Vereinigten-Ball auf dem Programm.
Auch der Maschgera am Mittwoch Nachmittag ist ein Umzug, diesmal maskiert, durch alle Gasthöfe und Kommissärhäuser Tamswegs.
Die Junggesellen verlängern die Woche noch am Donnerstag Abend mit dem Gestrigen-Tag-Suchen, wo sie mit Laternen und Lampions ausgerüstet heulend und jammernd mit allerlei Lärmgeräten durch den Markt ziehen. Schließlich wird am Freitag Abend das Geldbeutelwaschen veranstaltet, wo sie wieder von Haus zu Haus ziehen und ihre leeren Geldtaschen bejammern.
Der letzte Programmpunkt im Vereinigtenjahr ist das Abroaten am ersten Samstag der Fastenzeit. Es wird abgerechnet und, so Geld übrig bleibt, gemeinsam in der Herberge ein Mahl veranstaltet.
Ehrenämter
Hauptartikel: Kommissäre der Vereinigten zu Tamsweg
Als Ehrenämter gelten
- der Kommissär
- die Frau Kommissär
- der Herbergsvater
- der Lader und der Fahnenträger
- der Bischof
- der Junggesellenpräses
- der Vereinigten-Schmied
- der Vereinigten-Kassier
- der Syndikus
- die drei Leviten
- die Kerzenmutter
- das Faschingsrößl und die drei Bären
- die Russentänzer
- die Bandltänzer
Alle drei Jahre wird ein neuer Kommissär gewählt. Aktueller Kommissär ist seit 1. Jänner 2023 der Brandschutztechnikunternehmer Christian Bernhofer.[2]
Amtierender Junggesellenpräses ist Bernhard Schiefer (seit 2022).[3]
Zitat
Karl Heinz Ritschel schreibt über die "Vereinigten":
- "In Tamsweg spielt die Bruderschaft »Die Vereinigten« eine große Rolle, denn die Gründung aus dem frühen 18. Jahrhundert, die ursprünglich jene Gewerbetreibenden, die keiner Zunft angehörten, vereinigte und die die Aufgabe hatte, an Beerdigungen und Seelenmessen von Mitbrüdern teilzunehmen, wurde im Laufe der Jahre und des Vereinsschicksals zum größten Faschingsfest des Lungaues. Aber es blieben der Gottesdienst und das Grabgeleit erhalten. Alle drei Jahre wird ein Kommissär gewählt. Nach strengem Zeremoniell hält der »Bischof« seine »Vesper«, verliest alle drei Jahre einen »Hirtenbrief«, und wer nach einem »Bruderschaftsmahl« unter die »Vereinigten« aufgenommen wird, fühlt sich sehr geehrt. Am Ende der Saison wird mit einem »Requiem« die Faschingsveranstaltung für ein Jahr zu Grabe getragen. Wer nun glaubt, dies sei ein Jux, der unterschätzt die Würde der Amtsträger."
- (in: Von Salzburg und Salzburgern (1984), Kapitel "Salzburgs Kleinod: Der Lungau", S. 100.
Quellen
- Lungauer Nachrichten
- Homepage des Vereins
- Salzburger Nachrichten, 24. Jänner 2011
Literatur
- Keusch, Paul: Der "Vereinigte" in Tamsweg, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 64, 1924, S. 164-168
Weblinks
Anmerkungen, Einzelnachweise
- ↑ aus dem alten Adelsgeschlecht der Schwarzenberg.
- ↑ www.vereinigten-tamsweg.at > Kommissäre.
- ↑ www.vereinigten-tamsweg.at > Junggesellenpraesides.