100 x Österreich Judentum
Buchtipp 100 x Österreich Judentum
- Autorin: Danielle Spera
- Verlag: Amalthea Verlag Wien
- Erscheinungsjahr: 2020
- ISBN 978-3-99050-171-9
Verlagsinformation
Jüdische Geschichte in 100 Miniaturen
Wissen Sie, wo die Mazzesinsel liegt? Kennen Sie Fanny von Arnstein oder den Hasen mit den Bernsteinaugen? Österreichs jüdische Geschichte ist so spannend wie vielseitig. Persönlichkeiten aus Kunst, Literatur, Unterhaltung und Wissenschaft haben das Land geprägt, die imposanten Palais an der Wiener Ringstraße zeugen noch heute von der Glanzzeit des jüdischen Großbürgertums.
Danielle Spera erzählt unterhaltsam und fundiert von Rabbinern und Kantoren, vom Münzmeister Schlom und was dieser mit Richard Löwenherz zu tun hat, vom Salon der Berta Zuckerkandl, von den Familien Ephrussi und Rothschild, Theodor Herzl und Sigmund Freud, von jüdischen Kaufhäusern und Friedhöfen bis hin zum Gedenkprojekt OT. Wissenswertes über jüdische Feste und Bräuche fehlt ebenso wenig wie über Orte, deren Nähe zum Judentum sich erst auf den zweiten Blick offenbart, wie zum Beispiel die Karlskirche, das Riesenrad oder Schloss Schönbrunn … Eine sehr persönliche Auswahl von 100 jüdischen Geschichten, die Sie auf keinen Fall versäumen sollten.
Rezension 1
Ohne Juden wäre Wien nicht das heutige Wien geworden.
Über 250 Seiten geballte Geschichte und Information über das Judentum in Österreich, vor allem in Wien. In den 1920er-Jahren lebten 1,9 Menschen in Wien, wovon mehr als 200 000 Juden waren. Die drittgrößte jüdische Gemeinschaft in Europa hatte sich in der Gesellschaft etabliert. In vielen Bereichen wie in der Medizin, als Rechtsanwälte, in Forschung, Wirtschaft und sehr stark in der Kunst und Kultur, prägte diese die Stadt Wien, deren Geschichte und Kultur. In fast jedem Kapitel erfährt der Leser von Bauten, wissenschaftlichen Entdeckungen, Kunstwerken, Musikstücken, Filme u. a., deren Schöpfer dem Judentum angehörten. Wien ohne Juden wäre heute wohl nur die halbe Stadt.
Die Autorin führt den Leser in den ersten Kapiteln in die Geschichte der Juden in Wien ein. Geliebt und gehasst, als Geldgeber für Kaiser geholt, von der Wiener Neidgesellschaft verjagt oder isoliert, durch ihre Salonkultur Wien des 19. Jahrhunderts zur Weltstadt gemacht und vieles mehr. Immer wieder gibt es Kapitel, die den Leser mit der Kultur und der Religion der jüdischen Bevölkerung vertraut machen, immer in Verbindung mit Österreich, meist mit Wien, so beispielsweise über Mikwaot, Orte der spirituellen Reinigung (Bäder). Eigentlich müsste ich hier zumindest 50 bis 60 Themen anführen, um die Vielfalt der Beiträge zu illustrieren, belasse es aber mit Beispielen wie den Geschichten der Familien Rothschild und Ephrussi, die Entstehung der Wiener Kaufhäuser, der Ottakringer Brauerei oder des Wiener Praters durch jüdische Geschäftsleute, über jüdischen Humor und Hollywood-Größen, die Wiener Cafés und die Salzburger Festspiele, gegründet durch Hugo von Hofmannsthal, das Jüdische Museum, die Tante Jolesch oder Jiddisch im Wienerischen von Arik Brauer (Beisl, Haberer …).
In sehr sachlicher und emotionsfreier Art erwähnt Spera die schäbige Haltung Wiens gegenüber Juden zu allen Zeiten. So sollte etwa der Besitzer einer Villa, der 1938 fliehen musste, der Stadt Wien die Grundsteuer bis 1945 nachzahlen, dann bekäme er seinen Besitz wieder zurück. Der Besitzer jedoch schenkte die Villa dem Staat Israel, der darin seine Botschaft in Wien einrichtete.
Das Wiener Fiakerlied geht auf Gustav Pick zurück, Fritz Löhner-Beda schrieb die Texte zu vielen Operetten wie beispielsweise "Das Land des Lächelns" oder Schlager wie "In der Bar zum Krokodil". Mehr als dreitausend jüdische Kinder konnten zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft durch Kindertransporte in europäische Länder gerettet werden – ein berührendes Beispiel zeigt die Autorin anhand der Schachtel für Lilly Bial, gefüllt mit deren Lieblingsgegenständen. Lilly Bial überlebte in Großbritannien. Eine Jüdin, die in Wien überlebte und als Kinderkrankenschwester jüdische Kinder rettete, war Mignon Langnas. Deren Lebensgeschichte ebenso wie jene von Simon Wiesenthal, sind weitere Kapitel in diesem Buch.
Jedes Kapitel umfasst in der Regel zwei Seiten und ein Bild. Grundlegende Begriffe im Judentum werden am Ende des Buches erklärt, gefolgt von einem umfangreichen Literaturverzeichnis und Namensregister. Ein Buch, das den Leser bewegt, gleichzeitig informiert über Vergangenes und Gegenwärtiges. Ich finde, es bietet einen ausgezeichneten Einblick in das Judentum, wenngleich natürlich Danielle Spera anfangs schrieb, dass die 100 Themen von ihr subjektiv ausgewählt wurden (und wohl noch um 100 ergänzt werden könnten).
Weitere Salzburgbezüge in diesem Buch finden sich im Kapitel Synagogen über die Synagoge in der Stadt Salzburg und eben ein Kapitel über die Salzburger Festspiele, die ihre Wurzeln auch im Wiener Salon der Berta Zuckerkandl hatte, wo sich alle Künstler ihrer Zeit ein Stelldichein gaben. Auch im Kapitel "Koscher in den Bergen" wird erwähnt, dass Saalbach-Hinterglemm stolz auf die vielen jüdisch-orthodoxen Gäste ist.
Rezension 2
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Quelle
- Rezension von Peter Krackowizer