Caritas Dorf St. Anton
Das Caritas Dorf St. Anton, früher Caritas-Kinderdorf St. Anton genannt, ist eine Einrichtung der Caritas Salzburg in Bruck an der Großglocknerstraße im Pinzgau im Ortsteil Hundsdorf.
Standort und Vorgeschichte
Im Zuge der Protestantenemigration wurden 1732 zwecks umfassender und nachhaltiger seelsorgerischer Tätigkeit inner Gebirg Missionsbezirke ausgewiesen, die unter Weltpriestern, Benediktinern, Kapuzinern und Augustiner Eremiten verteilt wurden. Den Franziskanern wurden die Gerichtsbezirke Taxenbach, Rauris und Zell am See unterstellt. Mangels eigener Niederlassung war eine kontinuierliche Arbeit sehr beschwerlich. Man suchte daher nach einem geeigneten Klosterstandort. Nachdem sich verschiedene Vorschläge entweder wegen der Lage oder wegen des Widerstandes vor Ort als nicht machbar erwiesen haben, wurde ein im Pinzgau wirkender Missionar mit der Suche beauftragt. Er entschied sich für Hundsdorf bei Bruck. Für diesen Standort sprach die zentrale Lage, die Nähe der Hauptverkehrsstraße und die Überschwemmungssicherheit. Auch befanden sich dort bereits ein kleines Haus, das schon vorher als ärmliche Unterkunft gedient hatte, und eine kleine Kapelle. Der vorgesehene Bauplatz gehörte zum Traunergut, damals Eigentum der Benediktinerabtei Michaelbeuern . Unter tatkräftiger ideeller und vor allem finanzieller Hilfe von Wohltätern und Wohltäterinnen konnten das Franziskanerkloster und die Kirche zwischen 1736 und 1741 errichtet werden.
Gründung der Caritasanstalt
Nach dem Ersten Weltkrieg herrschte große materielle Not. Viele Kinder litten an Unterernährung. 1921 wurde daher vom Caritasverband Salzburg, unter dem damaligen Vorsteher, Prälat Dr. Franz Fiala, das sogenannte Traunergut in Hundsdorf, Gemeinde Bruck im Pinzgau, heute Bruck an der Großglocknerstraße, erworben. Das Gut lag unmittelbar neben dem Franziskanerkloster und gehörte dem Fürsten Johannes II. von Liechtenstein. Es wurde als Kindererholungsheim adaptiert. Da aber mit den Jahren die Not der Nachkriegszeit etwas abgenommen hatte, wurde 1922 von der ursprünglichen Absicht, nachkriegsgeschwächten Kindern einen Erholungsaufenthalt zu ermöglichen, abgegangen und stattdessen eine Anstalt für so genannte schwachsinnige Kinder eingerichtet. Im gleichen Jahr nahmen die Vöcklabrucker Schulschwestern, zum Orden der Franziskanerinnen gehörend, unter der Leitung des Caritasverbandes in St. Anton ihren Dienst auf. Die Franziskaner des nebenstehenden Klosters wurden mit der Seelsorge betraut.
Betrieb und Entwicklung
Die ersten Gemeindearmen wurden vertragsgemäß 1922 aufgenommen. Die ersten Kinder trafen 1923 ein. Im gleichen Jahr nahm die Hilfsschule ihren Betrieb auf. Am 24. Februar 1924 wurde mit Josef Feichtner der erste Direktor ernannt. Es folgten mehrere Erweiterungsschritte durch Ankäufe und Umbauten. So wurde am 1. August 1926 um 120.000 öS das benachbarte Mosergut angekauft. Anlässlich des 700. Todestages des hl. Antonius von Padua wurde 1930 das Dorf St. Anton im Pinzgau benannt. Zu Pfingsten 1934 wurde das Zacherlgut als Konradheim dazu gekauft, am 17. September 1945 das ehemalige Schmied- oder Schwaigerlehen als Heim St. Josef und am 5. Juli 1953 um 110.000 öS das Schattbachhaus mit Obstgarten.
Im Jahre 1955 wurde mit dem Bau des heute fertiggestellten Caritas Dorf St. Anton begonnen. Damit zusammenhängend wurde die Aufnahme von so genannten bildungsunfähigen Kindern beendet. Das Schulgebäude wurde 1959 fertiggestellt (Baukosten 3.100.000 öS)[1] und am 26. Mai 1959 eröffnet.
In einer zweiten Bauetappe wurde 1960 bis 1962 um 1.350.000.- öS ein zweites Wohnhaus für 36 Kinder errichtet. Die Einweihung des St. Vinzenz-Heimes erfolgte am 24. Mai 1962 durch Erzbischof Dr. Andreas Rohracher. Im selben Jahr erfolgte die Erweiterung der Gärtnerei mit der Errichtung eines modernen Glashauses um 450 000.- S.
Von 1965 bis 1966 wurde an der Stelle des ehemaligen Gasthauses Tennblick um 2.700.000.- öS ein drittes Wohnheim errichtet und am 22. September 1966 eingeweiht. An der Außenfassade schuf der akademische Maler Karl Weiser das Fresco Sender des Herzens.
Von 1968 bis 1969 baute man zwei Lehrerwohnhäuser, die Erzbischof Dr. Rohracher am 12. Juni 1969 einweihte, und an deren Fassade Karl Weiser ein Fresco des hl. Apostels Andreas anbrachte.
Am 20. Juni 1971 erwarb der Caritasverband von den Nordtiroler Franziskanern das Gebäude des aus Mangel an Nachwuchs aufgehobenen Franziskanerklosters und richtete in diesem einen Sonderkindergarten sowie Priesterwohnungen und eine Kinderdorffamilie für 15 Kindern ein. Allerdings verblieb ein Ordenspriester als Anstaltsseelsorger. Der Sonderkindergarten wurde am 26. Juni 1973 durch Erzbischof Dr. Karl Berg eingeweiht.
Vom Herbst 1976 bis 1978 erfolgte ein umfangreicher Ausbau der Sonderschule um 29.000.000.- öS, die durch eine langfristige Vermietung der Schulgebäude an das Land Salzburg finanziert wurde. Die Einweihung wurde durch Erzbischof Dr. Karl Berg am 4. Juli 1978 vorgenommen.
Heute werden in St. Anton zwischen 55 und 60 Kinder in familienähnlichen Gruppen betreut. Sie besuchen die im Areal des Kinderdorfes befindliche Allgemeine Sonderschule mit Öffentlichkeitsrecht. Die Vöcklabrucker Schulschwestern wurden am 31. Juli 2006 aus personellen Gründen von St. Anton abgezogen. Seither ist im Kinderdorf und in der Schule ausschließlich weltliches Personal tätig. Besondere Bemühungen der Caritasleitung gelten heute der Professionalisierung von Bildungs- und Betreuungsarbeit, sowie der Öffnung nach außen.
Aufgrund des hohen Abganges wurden Ende 2013 die Gärtnerei geschlossen und im Winter 2013/2014 der Entschluss gefasst, die Landwirtschaft zu verpachten.
NS-Euthanasie
Wohl aufgrund der Anwesenheit der Vöcklabrucker Schulschwestern waren verhältnismäßig viele Kinder und Jugendliche aus Oberösterreich in St. Anton untergebracht. Im Rahmen der NS-Euthanasie wurden im Juni 1940 ohne jede Vorankündigung neun oberösterreichische Heimbewohner und Heimbewohnerinnen von St. Anton abgeholt und in die Heilanstalt Niedernhart in Linz gebracht. Das war die erste Deportation beeinträchtigter Menschen aus dem Bundesland Salzburg, der im Jahr 1941 weitere folgten (Schloss Schernberg, Christian-Doppler-Klinik).
Drei Jugendliche des oben erwähnten Transportes nach Niedernhart haben überlebt, zwei sind in der als Pufferanstalt für die Tötungsanstalt Hartheim dienenden Heilanstalt Niedernhart "gestorben" und vier wurden von Niedernhart nach Hartheim überstellt und dort ermordet. Andere ehemalige Heimbewohner und Bewohnerinnen wurden in die Pflegeanstalt im Kloster Mariathal in der politischen Gemeinde Kramsach im Tiroler Unterland, überstellt und im Mai 1941 von dort nach Hartheim deportiert. Wieder andere ehemalige Zöglinge holte man von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort (Eltern, andere Anstalten) ab, um sie im Rahmen der Aktion "T4" in Hartheim zu ermorden. Einige früher in St. Anton untergebrachte Jugendliche kamen in Anstalten, wahrscheinlich als Opfer der dezentralen Anstalts-Euthansie, um ihr Leben. Ein Kind verlor sein Leben in der Kinderfachabteilung "Am Spiegelgrund" in Wien im Rahmen der dort bis 1945 betriebenen "Kindereuthanasie".
Mindestens 47 ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner der früheren Caritas-Anstalt St. Anton wurden somit Opfer der "Aktion T4", der NS-Kindereuthanasie, bzw. dezentraler Anstaltstötungen. Das bedeutet, dass jede/r 10. Bewohner/in der ehemaligen Caritas-Anstalt St. Anton, die von 1923 bis August 1944 aufgenommen wurden, in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurde.
Urlauber
Erzbischof Karl Berg verbrachte seinen jährlichen Sommerurlaub im Caritas Dorf.
Quellen
- Caritasarchiv Salzburg
- Archiv der Erzdiözese Salzburg
- Opferdatenbank der Dokumentationsstelle Hartheim des OÖ. Landesarchivs
- Maximilian Effenberger, Brucker Heimatbuch, Hrg. Gemeinde Bruck an der Großglocknerstraße
- Josef Lahnsteiner Unterpinzgau. Zell am See, Taxenbach, Rauris. Geschichtlich und heimatkundlich beschrieben., Hollersbach, Pinzgau, Selbstverlag 1960
- Häupl, Waltraud, Die ermordeten Kinder vom Spiegelgrund, Gedenkdokumentation für die Opfer der NS-Kindereuthanasie in Wien, Böhlau, Wien Köln Weimar 2006
- Christina Nöbauer, Menschenverachtung, Artikel in Pöllinger Briefe Nr. 40/94,
- Begleitpublikation zur Ausstellung der Laube sozialpsychiatrische Aktivitäten GmbH LebensUNwert, NS-Euthanasie im Land Salzburg, Walter Reschreiter, Mitarbeit Johannes Hofinger und Christina Nöbauer
- Bauernhof und Gärtnerei kosten Caritas zuviel Geld, Salzburger Nachrichten, Lokalteil, S. 10-11, 28. Jänner 2014
- Christina Nöbauer, "Opfer der Zeit" Über das Schicksal ehemaliger Bewohnerinnen der Caritas Anstalt St. Anton in der Zeit des Nationalsozialismus, unveröffentlichte Dokumentation (im Auftrag des Caritasverbandes Salzburg), Zell am See, 2014
- Christina Nöbauer, "Opfer der Zeit" Über das Schicksal ehemaliger Bewohnerinnen der Caritas-Anstalt St. Anton, Studien Verlag Innsbruck Wien Bozen 2016
- ↑ Laireiter, Matthias: Im Dienste der Jugend. Erziehung und Schule im Bundesland Salzburg von 1945 bis 1963. Hrsg. vom Landesschulrat für Salzburg. Salzburg 1965, S. 117.